Année politique Suisse 1966 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Wohnungsbau
Die Wohnwirtschaftspolitik war einerseits von Bemühungen um eine Förderung und Verbilligung des Wohnungsbaus gekennzeichnet, anderseits von Bestrebungen, dem Mieter einen stärkeren Schutz gegen Kündigungen zu verschaffen. Das 1965 verabschiedete Bundesgesetz über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus wurde vom Bundesrat auf den 1. März mit präzisierenden Vollzugsverordnungen in Kraft gesetzt [21]. Die darin unter der Voraussetzung einer kantonalen Beteiligung angebotenen Bundesmittel wurden aber von den Kantonen nur zögernd nutzbar gemacht; eine Reihe von Kantonen hatte gegen Jahresende noch keine entsprechende Anschlussgesetzgebung erlassen. Anstelle des vorgesehenen Maximums von 5000 Wohnungen erreichte die Mietzinsverbilligungsaktion bis zum Dezember nur rund 1500 Wohnungen in acht Kantonen; für 613 Wohnungen wurden 2. Hypotheken verbürgt [22]. Gegen Kantone und Gemeinden wurde der Vorwurf erhoben, dass sie das Wirksamwerden der Bundeshilfe behinderten, um ihre eigenen Finanzen zu schonen [23].
Zur Finanzierung der in der Aktion vorgesehenen Darlehen stellte im Januar Bundesrat Bonvin noch eine Wohnbauanleihe in Aussicht [24]; im Juni dagegen erklärte er, angesichts der angespannten Lage auf dem Kapitalmarkt sei einstweilen an eine solche Anleihe nicht zu denken [25]. Die Eidg. Finanzverwaltung erhielt jedoch für die Wohnbaufinanzierung Unterstützung seitens der Banken; im Oktober konnte Bundespräsident Schaffner mitteilen, dass die Sicherung der Aktion mit Hilfe der Banken gelungen sei [26]. In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage wurde vom Bundesrat im November präzisiert, eine direkte Finanzierung durch die Banken sei einer Bundesanleihe, deren Ertrag dann an die Banken weitergeleitet werden müsste, vorzuziehen [27]. Eine Erleichterung für die Wohnbaufinanzierung brachte auch die schrittweise Aufhebung des Kreditbeschlusses, zu deren Beschleunigung im Juni zwei vom Nationalrat überwiesene Postulate drängten [28].
Trotz der relativ geringen Inanspruchnahme der Bundeshilfe — es standen freilich noch Mittel.auf Grund eines früheren, im Jahre 1966 auslaufenden Wohnbauförderungsbeschlusses zur Verfügung [29] — ging der Wohnungsbau nicht stark zurück [30]. 1965 war ein Höchststand von 59 826 neuerstellten Wohnungen erreicht worden [31]. In einer Revision der Schätzungen der Eidg. Wohnbaukommission von 1963 wurde für die Jahre 1966-1970 eine jährliche Bestandesvermehrung um 40 000 Wohnungen als genügend erklärt, was die jährliche Neuerstellung von 42 000 Einheiten erfordern würde; aus dieser neuen Beurteilung der Lage wurde gefolgert, dass eine allgemeine Finanzierungshilfe für den Wohnungsbau kaum mehr notwendig sein werde, wohl aber eine Förderung des Baus von billigen Wohnungen [32].
Der Rationalisierung der Wohnungsproduktion diente die Arbeit verschiedener von der ersten Landeskonferenz zur Förderung des Wohnungsbaus vom 27. September 1965 eingesetzten Expertengruppen, deren Resultate Ende Januar unter der Leitung des Delegierten für Wohnungsbau, F. Berger, von Vertretern der Behörden, der Parteien, der Verbände, der Bauwirtschaft und der Banken besprochen und auf eine zweite Landeskonferenz am 21. März hinzu einem Bericht zusammengefasst wurden [33]. Diese Studien und Konferenzen ergaben einerseits eine Bestandesaufnahme für die vielfältigen Probleme des Wohnungsbaus — von der Bauforschung und Bautechnik über die Wettbewerbsbeschränkungen in der Bauwirtschaft zur Orts- und Regionalplanung sowie zu den Bauvorschriften und der Infrastrukturpolitik der Kantone und Gemeinden — anderseits engere Kontakte zwischen den verschiedenen interessierten Kreisen. Der Delegierte für Wohnungsbau hob dabei hervor, dass es sich nicht bloss um eine kurzfristige Hilfsaktion handeln könne, sondern dass der Wohnungsbau durch langfristige Massnahmen in seiner Struktur verbessert werden müsse, wenn das Wohnungsproblem für die ganze Bevölkerung gelöst werden solle. Bundespräsident Schaffner stellte an der zweiten Landeskonferenz fest, dass trotz einer gewissen Zunahme der Leerwohnungsbestände weiterhin an preisgünstigen Wohnungen Mangel herrsche, weshalb man von einer Mietzinsnot spreche. Er betonte die Notwendigkeit der regionalen Zusammenarbeit zur Ermöglichung von Grossüberbauungen sowie der Normierung der Bauelemente und der Rationalisierung der Bauvorschriften; er verlangte auch die Lockerung starrer Konzessionen und Monopole für Bauprodukte. Zur Koordination der Bauforschung kündigte er die Errichtung einer gemischtwirtschaftlichen Institution an [34]. Gerade die regionale Zusammenarbeit der Gemeinden wurde freilich gegen Ende des Jahres noch als ungenügend bezeichnet. Die Gemeinden scheuen nicht zuletzt die hohen Kosten für die Erschliessung von Bauland [35]; Nationalrat Freiburghaus, Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes, hatte zur Behebung dieses Hindernisses an der Landeskonferenz einen vermehrten Lastenausgleich als erforderlich erklärt [36]. Aus Kreisen der Bauwirtschaft wurde darüber geklagt, dass eine Gesamtkonzeption für die schweizerische Wohnwirtschaft überhaupt fehle, dass aber der Staat zu einer solchen nur die Unterlagen liefern dürfte [37].
 
[21] AS, 1966, S. 433 ff.
[22] NZZ, 5268, 5.12.66; 5531, 20.12.66.
[23] Bund, 509, 29.12.66.
[24] Antwort auf eine Eingabe des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (NZZ, 381, 28.1.66). Die Eingabe in Tw, 12, 15./16.1.66.
[25] Antwort auf Interpellation Clerc (lib., NE) im StR (NZZ, 2620, 14.6.66; TdG, 136, 14.6.66).
[26] Erklärung am Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (NZZ, 4368, 14.10.66). Laut einer Erklärung Bundesrat Bonvins im März 1967 war allerdings bis dahin noch keine endgültige Lösung für die Gewährung von Wohnbaudarlehen durch Banken zustande gekommen. 1966 wurden 13 Mio Fr. Bundesmittel für Wohnbaudarlehen in Anspruch genommen (NZZ, 1057, 11.3.67).
[27] Antwort auf Kleine Anfrage NR Klingler (k.-chr., SG) (NZZ, 4980, 18.11.66).
[28] Postulate Eisenring (k.-chr., ZH) und Weber (soz., BE) (NZZ, 2765, 23.6.66). Das Postulat Weber, das speziell die Auswirkungen der Kreditsperre auf den Hypothekenmarkt und damit auf die Mietzinse hervorhob, wurde vom Schweizerischen Mieterverband unterstützt (NZZ, 2748, 22.6.66). Das Anlageverbot für ausländische Gelder fiel erst im Oktober (s. dazu oben S. 42).
[29] NZZ, 5268, 5.12.66; 5531, 20.12.66.
[30] In den 65 Städten wurden 1966 20 896 Wohnungen neu erstellt gegenüber 22 048 im Jahre 1965 (Die Volkswirtschaft, 40/1967, S. 22 f.); in den Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern betrug die Zahl der neuerstellten Wohnungen im 1. Halbjahr 1966 21 407 gegenüber 22 422 im 1. Halbjahr 1965 (Die Volkswirtschaft, 39/1966, S. 462).
[31] Bundespräsident Schaffner am Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (NZZ, 4368, 14.10.66).
[32] H. WÜRGLER, « Die mutmassliche Entwicklung des Wohnungsbedarfs im Zeitraum 1966-1970 », in Mitteilungsblatt der Delegierten für Arbeitsbeschaffung und wirtschaftliche Kriegsvorsorge, 22/1966, S. 2 ff. Prof. Würgler nahm einen jährlichen Abbruch von 3000 Wohnungen und einen jährlichen Wohnungsgewinn von 1000 Einheiten durch Umbau an. Die Schätzung der Eidg. Wohnbaukommission in Wohnungsmarkt und Wohnungsmarktpolitik (Sonderheft 72 der Volkswirtschaft), Bern 1963, S. 7 ff.; sie hatte für 1966-1970 eine jährliche Bestandesvermehrung um 46 000 Wohnungen für erforderlich gehalten. Bundespräsident Schaffner machte sich die neue Bedarfsschätzung zueigen (Erklärung am Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes in NZZ, 4368, 14.10.66). Die Eidg. Wohnbaukommission beschloss, die Ergebnisse Prof. Würglers zu überprüfen und jährliche Neuschätzungen vorzunehmen (NZZ, 3872, 14.9.66).
[33] Förderung des Wohnungsbaues, Technisch-betriebswirtschaftliche, landesplanerische, organisatorische, juristische und finanzielle Aspekte, Landeskonferenz für Wohnungsbau, Bericht der Expertengruppen I-V, Bern 1966 (Maschinenschrift).
[34] NZZ, 350, 26.1.66: 372 u. 385, 28.1.66; 389, 29.1.66; 417, 31.1.66; 1247, 22.3.66; Bund, 36, 26.1.66; 38, 27.1.66; 41, 31.1.66; 114, 22.3.66; GdL, 24, 29./30.1.66; 68, 22.3.66. Vgl. auch F. BERGER, « Der Beitrag der Gemeinden zur Förderung des Wohnungsbaues », in Die Schweizer Gemeinde, 7, 1.3.66, S. 5 ff.; ferner NZZ, 4047, 25.9.66. (Bericht über einen Vortrag F. Bergers über « Die Bauwirtschaft und die Inflation » am Kongress der Union internationale de la propriété foncière bâtie in Montreux). Zur Vorbereitung der Tätigkeit einer Bauforschungsinstitution wurde vom EVD eine Forschungskommission Wohnungsbau unter dem Vorsitz F. Bergers eingesetzt (Mitteilung des Büros des Delegierten für Wohnungsbau).
[35] Bund, 442, 12./13.11.66; 509, 29.12.66.
[36] NZ, 134, 22.3.66.
[37] R.E. Hatt an der Jahresversammlung der Schweizerischen Zentralstelle für die Förderung des Wohnungsbaus (NZZ, 3889, 15.9.66).