Année politique Suisse 1966 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Presse
Die Presse ist im Unterschied zu Radio und Fernsehen von keiner staatlichen Konzession abhängig; gleichwohl gab ihr Verhältnis zum Staat Anlass zu politischen Auseinandersetzungen. Zur Verbesserung dieses Verhältnisses hatte der Bundesrat auf Neujahr 1966 den Journalisten M. Nef zu seinem Berater für Presse- und Informationsfragen ernannt, der für einen freieren und reichlicheren Fluss der Informationen aus dem Bundeshaus besorgt zu sein versprach [11]. Meinungsverschiedenheiten über die Grenzen des Rechts auf Information traten in erster Linie im militärpolitischen Bereich auf, indem Nationalrat Hubacher (soz., BS) in der « Abend-Zeitung » Angaben über die Mirage-Entwicklung aus einem vertraulichen Dokument des EMD veröffentlichte und die Militärverwaltung darauf eine militärgerichtliche Untersuchung veranlasste [12]; auch bürgerliche Zeitungen nahmen in dieser Frage grundsätzlich gegen das EMD Stellung [13]. Der Vorfall verstärkte das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Verankerung des Informationsgeheimnisses, die dann auf Vorschlag der vorberatenden Kommission im Dezember vom Nationalrat in das neue Gesetz über das Verwaltungsverfahren eingefügt wurde, allerdings unter Ausschluss von Angelegenheiten der inneren oder äusseren Landessicherheit [14]. Anderseits forderte Bundespräsident Schaffner von der Presse eine verantwortungsbewusste und wahrheitsgetreue Gestaltung ihrer Kritik und wandte sich gegen die Untergrabung des Ansehens der Behörden durch einzelne Zeitungen [15]. Die Problematik einer nicht von politischen Gruppen getragenen, sondern von Aussenseitern, die sich betont unabhängig geben, geführten öffentlichen Kritik wurde verschiedentlich diskutiert und mit einer Kommerzialisierung der Presse sowie einer Wandlung der Publikumsansprüche in Zusammenhang gebracht [16]; es wurde aber auch gegen die traditionelle Meinungspresse der Vorwurf erhoben, sie biete über ein so brennendes Weltproblem wie den Vietnamkrieg keine objektive Information [17]. In der Konsequenz der Entwicklung von einer stark gruppengebundenen Meinungspresse zur richtungslosen Konsumpresse lag auch die Aufhebung des Verbots einer Aufnahme von Kommunisten durch den Verein der Schweizer Presse; dabei spielten freilich Temperamentsunterschiede zwischen Welsch- und Deutschschweizern mit [18]. Die vielfältigen Schwierigkeiten wirtschaftlicher, wirtschafts- und sozialpolitischer Art, denen namentlich die traditionelle Presse begegnet, veranlassten den liberalen Genfer Zeitungsdirektor Reverdin, im Nationalrat die Einsetzung eines konsultativen Organs zu postulieren, das den Bundesrat in Fragen, welche die Presse berühren, zu beraten hätte [19].
 
[11] NZZ, 5325, 10.12.65; 22, 3.1.66.
[12] Abend-Zeitung, 133, 10.6.66; 153, 4.7.66; 185, 10.8.66; 188, 13.8.66; NZZ, 2977, 7.7.66; 3363, 9.8.66. Vgl. auch oben S. 34.
[13] NZZ, 3014, 9.7.66; BN, 291, 13.7.66.
[14] Sten. Bull. NR, 1966, S. 622, 625 f. u. 634. Vgl. dazu Tat, 212, 8.9.66, u. 213, 9.9.66. Zum Gesetz vgl. oben S. 13.
[15] NZZ, 850, 27.2.66.
[16] Vgl. ARTHUR BAUR, « Momentaufnahme der Schweizer Presse 1965 », in Jahrbuch der eidgenössischen Behörden, 1966, S. 164 ff.; ISO KELLER, « Die schweizerische Presse in der Krise », a.a.O., S. 184 ff.; WILLY BRETSCHER, «Betrachtungen zur Freiheit und Unabhängigkeit der Presse », a.a.O., S. 197 ff.
[17] Vgl. URS JAEGGI, RUDOLF STEINER, WILLY WYNIGER, Der Vietnamkrieg und die Presse, Zürich 1966, und die Entgegnungen in Bund, 382, 1./2.10.66; NZZ, 4241, 7.10.66; Tw, 237, 8./9.10.66; BN, 538, 19.12.66; 543, 21.12.66.
[18] Auf Antrag der Genfer Sektion wurde durch die Delegiertenversammlung vom 6.11.1965 das Verbot aufgehoben (NZZ, 4712, 8.11.65); ein Versuch, diesen Beschluss durch eine Urabstimmung rückgängig zu machen, scheiterte an der Delegiertenversammlung vom 23.4.1966, die den Sektionen die Aufnahme freistellte (NZZ, 1810, 25.4.66). Vgl. auch Tat, 49, 27.2.66; NZZ, 1560, 10.4.66.
[19] Überweisung des Postulats am 30.6.1966 (NZZ, 2879, 30.6.66).