Année politique Suisse 1967 : Wirtschaft / Landwirtschaft
 
Tierische Produktion
Wie stand es im vergangenen Jahr mit den Märkten der verschiedenen landwirtschaftlichen Produkte? Hauptgegenstand der Auseinandersetzungen war, wie meistens in den letzten Jahren, die tierische Produktion. Das ist schon deshalb verständlich, weil sie den grössten Anteil des landwirtschaftlichen Rohertrags abwirft. Bei ungünstiger Ertragslage wird in der Regel hier der Hebel angesetzt. Das war auch 1967 nicht anders. Im März wurden neue Fehlbeträge auch im Arbeitsverdienst der Talbetriebe ausgewiesen [17]. Kurz darauf stellten der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und der schweizerische Viehproduzentenverband im Einvernehmen mit dem Schweizerischen Bauernverband auf den 1. Mai 1967 die folgenden Preisbegehren: Preiserhöhungen auf Milch (4 Rp. pro l), auf Schlachtvieh und auf Pflanzenprodukten [18]. Der Bundesrat beschloss am 11. April, die Preise für Milch (um 3 Rp.) und Schlachtvieh zu erhöhen und die Erhöhung im Inland auf die Konsumenten zu überwälzen. Gleichzeitig wurde aber auch die Abgabe zur Sicherstellung des Produzentenanteils am Verlust der Milchprodukteverwertung um 0,5 Rp. erhöht [19]. Die Reaktionen auf diese Massnahmen warenheftig und lebhaft. Das Konsumentinnenforum der deutschen Schweiz und des Kantons Tessin verlangte eine Neuorientierung der landwirtschaftlichen Preispolitik [20]. Im Laufe des Sommers gingen die Konsumentinnen der Westschweiz noch weiter. Nachdem der Bundesrat im März nach kurzem Aufblühen den Butterhandel zwischen den Zollfreizonen um Genf und der Schweiz zu Tiefstpreisen (Fr. 5 je kg) unterbunden hatte [21] und die Preise für Butter auf den 1. Mai erneut gestiegen waren, propagierte die Fédération romande des consommatrices einen Butterstreik und empfahl den Hausfrauen, Margarine als Ersatz zu verwenden [22]. Sie wurde von Coop und Migros unterstützt und hatte gewisse Erfolge zu verzeichnen. So soll in einzelnen Verkaufsstellen der Butterabsatz bis 50 % zurückgegangen sein [23], und das bei einer zunehmenden Milch- und Butterproduktion ! Ein gutes Futterjahr, Leistungssteigerungen in der Produktion, die Erhöhung des Kuhbestandes (April 1966: 918 000 Stück, April 1967: 928 000 Stück), nicht zuletzt aber auch der Anreiz durch die erhöhten Preise hatten die Milcheinlieferungen stetig anwachsen lassen. Sie nahmen gegenüber dem Milchjahr 1965 /66 um 1,75 Mio q zu und betrugen im Milchjahr 1966/67 26,3 Mio q. Das führte denn auch zu einer vermehrten Butterproduktion. Obwohl nur zu Beginn des Jahres 1967 unbedeutende Restmengen Butter importiert worden waren, erhöhten sich die Vorräte auf über 1000 Wagenladungen zu 10 t [24].
Unter dem Eindruck dieses stets wachsenden Berges unverkaufter Frischbutter sah sich der Bundesrat am 1. September gezwungen, die Verbilligungsbeiträge für Butter zu erhöhen und damit die Butterpreise zu senken [25]. Diese Aktion kostet halbjährlich 42 Mio Fr., wovon die Bauern 16 bis 20 Mio zu berappen haben [26]. Am 5. September konnte die Fédération romande des consommatrices mit Befriedigung von der Senkung der Preise für Tafel- und Frischkochbutter sowie für Greyerzerkäse Kenntnis nehmen und den Butterboykott abbrechen [27]. Damit war das Problem aber noch nicht gelöst. Auf den 1. November hin sah sich der Bundesrat gezwungen, die Erhöhung des Milchpreisrückbehalts auf das Maximum von 3 Rp. je kg sicherstellungspflichtige Verkehrsmilch in Kraft zu setzen. Gleichzeitig wurde der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten angewiesen, Magermilch höher zu bewerten und die Übernahmepreise für Vorzugsbutter herabzusetzen [28]. Weitere, langfristige Massnahmen zur Eindämmung der Milchschwemme und zum Abtragen des Butterberges wurden bereits ins Auge gefasst.
Da Ende Juli 1968 die geltende Käsemarktordnung ablaufen wird, hatte der Bundesrat schon 1966 auf die damals fällige Revision der Quoten, mit denen die einzelnen Käsehandelsfirmen am Umsatz beteiligt sind, verzichtet [29]. 1967 hatten die Kantone und die Verbände zu einem, im April von der Abteilung für Landwirtschaft unterbreiteten Entwurf für die Revision der Käsemarktordung Stellung zu nehmen. Nach diesem Entwurf sollte die privatrechtliche Doppelgesellschaft Schweizerische Käseunion AG/Schweizerische Käsekonvention durch eine öffentlich-rechtliche Genossenschaft ersetzt werden. Ihre Geschäftsleitung wäre durch den Bundesrat zu wählen. Einer öffentlich-rechtlichen Ablieferungspflicht für Unionskäse würde als Gegenstück eine öffentlich-rechtliche Übernahmepflicht der Genossenschaft gegenüberstehen. Die Warenverteilung unter die Mitglieder müsste nach dem Verhältnis zwischen nachgefragter und vorhandener Ware erfolgen. Dabei würde eine Steuerung der Nachfrage durch die Festsetzung der Abgabepreise erfolgen. Die Verkaufspreise der Mitgliederfirmen sollten indessen in Zukunft frei sein [30]. Die interessierten Verbände wandten sich in ihren Stellungnahmen mehrheitlich gegen diesen Entwurf. Besonders heftig wurde der öffentlich-rechtliche Charakter der neu zu bildenden Genossenschaft kritisiert [31]. Allerdings gab es auch Stimmen, die vor allem die durch den Bund mit dem Entwurf angestrebten Liberalisierungstendenzen auf dem Käsemarkt hervorhoben, Tendenzen, die eine Kampfansage an die durch die Käseunion bewirkte Erstarrung der Marktstruktur bedeuten. Um diesen aus liberaler Überzeugung zur staatlich organisierten Genossenschaft neigenden Stimmen zuvorzukommen, hatte die Käseunion schon 1966 beschlossen, das Quotensystem von sich aus aufzugeben. Der Bundesrat entschied jedoch gestützt auf ein Rechtsgutachten, die Käseunion sei nicht berechtigt, die Quoten autonom aufzuheben. Dazu brauche es eine Revision des Milchwirtschaftsbeschlusses und damit die Zustimmung der Bundesversammlung [32]. Die Käseunion war allerdings der Ansicht, man habe sie damit der Möglichkeit beraubt zu beweisen, dass sie auch aus eigener Kraft in der Lage wäre, Verbesserungen der Käsemarktordnung einzuführen [33].
Die Auseinandersetzungen um die Rinderrassen und die künstliche Besamung rissen auch 1967 nicht ab. Es ging um die Frage, ob das zweiseitige Zuchtziel unserer Rassen nach wie vor gegeben sei, und ob diese Rassen gegenüber ausländischen noch konkurrenzfähig seien. Sämtliche schweizerischen landwirtschaftlichen Dachverbände und die Kantone lehnten die Einfuhr fremder Rassen als unzweckmässige, ja in ihren Auswirkungen schwerwiegende Massnahme ab.
Bereits 1966 hatte der Bundesrat beschlossen, die Einfuhr von Samen nachzuchtgeprüfter Stiere von Rotfleckviehrassen zur Einkreuzung mit Simmentalervieh und von Samen schwarzbunter Niederungstiere zur Verwendung für die Freiburgerrasse zuzulassen [34]. Dieser Entscheid schien die Initianten der Bewegung zu befriedigen. Einige Landwirte der Westschweiz befolgten aber diesen Beschluss nicht und versuchten im Frühjahr 1967 nochmals, Vieh einzuschmuggeln [35]. An einer Kundgebung des waadtländischen Syndikats für die Verbesserung der Rindviehrassen wurden trotz dem Widerstand der Zollbeamten bei Vallorbe ausländische Kühe in die Schweiz geschafft, worauf die Tiere beschlagnahmt und geschlachtet wurden. Da verbot der waadtländische Staatsrat störende Versammlungen [36]. Nach Schätzungen befanden sich damals bereits ungefähr 700 geschmuggelte Kühe in der Schweiz. Die massiven Bussen, die von der Zollverwaltung verhängt wurden (1,25 Mio Fr.), und die einschneidenden Diskriminationen durch den Fleckviehzuchtverband (Ausschluss der dissidenten Züchter vom Herd-Book) führten zum Verzicht auf die illegalen Einfuhren [37]. Der Abschluss einer Vereinbarung zwischen den waadtländischen Syndicats und dem schweizerischen Verband für künstliche Besamung über das praktische Vorgehen bei der zugelassenen Sameneinkreuzung brachte eine Beruhigung. Eine Kommission wurde zur Einhaltung dieser Vereinbarung bezeichnet. Der Bundesrat hob auf den 1. Juli die in der Tierzuchtverordnung enthaltene gebietsweise Beschränkung der Förderungsmassnahmen auf; ferner wurde auf die Bewilligungspflicht für die Durchführung der künstlichen Besamung verzichtet [38]. Die im Entwurf vorliegende, neu zu gestaltende Viehzuchtverordnung wird wohl eine endgültige Lösung des Problems bringen müssen [39].
Viel zu reden gab der Ende Juli vom EVD den Kantonen und Verbänden zur Vernehmlassung unterbreitete Entwurf zu einem Gesetz über zusätzliche Massnahmen zur Förderung der viehwirtschaftlichen Produktion. Der Entwurf strebte eine klein- bis mittelbetriebliche Struktur der Viehhaltung, insbesondere der Schweine- und Geflügelhaltung, an und sollte so den Familienbetrieb schützen. Dieses Ziel sollte durch eine Bewilligungspflicht für grosse Betriebe erreicht werden. Zur Propagierung dieses Gesetzes führten der Landwirtschaftliche Informationsdienst und der Bemische Bauernverband eigens eine Pressefahrt zu Musterbetrieben in den Voralpen und im Emmental durch [40]. Das Gesetzesprojekt wurde indessen heftig kritisiert. Man warf ihm vor, es verunmögliche den rationellen Grossbetrieb und es stelle Agrarschutz auf Vorrat dar [41]. Auch die Entgegnung des Vertreters der Abteilung für Landwirtschaft [42], die vorgeschlagenen Höchstbestände an Vieh würden die Produktion nicht verteuern, da sie ein eigentliches Optimum darstellten, vermochte die ablehnenden Kreise nicht zu überzeugen. Das Projekt wurde anfangs 1968 fallengelassen [43].
Die langsam von Deutschland her in die Schweiz eindringende Tollwut veranlasste die betroffenen Kantone (vor allem in der Ostschweiz) zu Gegenmassnahmen. Der Bundesrat erliess im Sommer auf Empfehlung einer Konferenz des Eidg. Veterinäramtes mit den Tierseuchenpolizei- und Jagdbehörden der Kantone [44] Vorschriften über die Tollwutbekämpfung. Die Kantone wurden zur Dezimierung des Fuchsbestandes und zum Abschuss von streunenden Katzen und Hunden verpflichtet. In Beantwortung Kleiner Anfragen empfahl der Bundesrat weitere Massnahmen wie Errichtung von Impf- und Behandlungsstationen und vermehrte Information [45]. Leider konnte trotz diesen Massnahmen die Tollwut nicht aufgehalten werden. Die fortschreitende Ausdehnung der Seuche wird zwar unterschiedlich beurteilt. So haben vereinzelte Stimmen die radikalen Fuchsvergasungen als verfrüht bezeichnet [46].
 
[17] Im Bericht über die Kosten- und Ertragslage der schweiz. Landwirtschaft vom 10.3.1967 des Schweizerischen Bauernsekretariats.
[18] Gdl, 70, 26.3.67; NZ, 138, 26.3.67.
[19] AS, 1967, S. 733 ff.
[20] NZZ, 2202, 20.5.67.
[21] GdL, 66, 20.3.67 ; 68, 22.3.67.
[22] GdL, 103, 5.5.67; PS, 101, 6.5.67.
[23] GdL, 140, 19.6.67; 141, 20.6.67; PS, 114, 23.5.67.
[24] Für Produktionszahlen vgl. NZZ, 3685, 6.9.67; 4412, 19.10.67; 5023, 23:11.67.
[25] AS, 1967, S. 1162 ff.
[26] Ostschw., 204, 2.9.67, sowie Mitteilung der Abteilung für Landwirtschaft.
[27] NZZ, 3651, 5.9.67.
[28] AS, 1967, 1512 ff.
[29] Vgl. SPJ 1966, S. 67.
[30] NZZ, 1741, 21.4.67; GdL, 92, 21.4.67.
[31] Heftigste Opponentin war die Käseunion, vgl. Bund, 163, 5.6.67. Andere ablehnende Stellungnahmen gaben ein: Landesverband freier Schweizer Arbeiter (NZZ, 3087, 18.7.67), Verband schweiz. Inlandkäsegrossisten, Verband schweiz. Käseexporteure, Verband schweiz. Käseimporteure, Zentralverband schweiz. Milchproduzenten (NBZ, 201, 29.8.67). Der leitende Ausschuss des Schweiz. Bauernverbandes vermisste eine genügende Sicherung des Milchgrundpreises (Var., 201, 31.8.67). Der Schweiz. Gewerkschaftsbund wünschte Verbilligungsmöglichkeiten zur Förderung des Inlandabsatzes (NZZ, 3745, 10.9.67).
[32] NZZ, 3076, 17.7.67.
[33] Bericht des Verwaltungsrates der Schweiz. Käseunion AG für das Geschäftsjahr 1966/67.
[34] Vgl. SPJ 1966, S. 66.
[35] TdL, 72, 13.3.67; TdG, 70, 23.3.67; 73, 29.3.67.
[36] GdL, 110, 13./14.5.67; TdG, 111, 13.5. 67; 112, 16.5.67.
[37] NZ, 218, 16.5.67; Zürcher Woche, 20, 19.5.67.
[38] AS, 1967, S. 992 ff.
[39] NZZ, 1338, 29.3.67.
[40] Lb, 203, 1.9.67.
[41] NZZ, 3460, 22.7.67; NZ, 322, 21.7.67; Tw, 218, 18.9.67.
[42] NZZ, 3928, 8.8.67.
[43] NZZ, 31, 16.1.68; NBZ, 9, 12.1.68.
[44] NZZ, 1991, 7.5.67.
[45] NZZ, 2415, 2.6.67; AS, 1967, S. 803 f.
[46] Tat, 112, 13.5.67.