Année politique Suisse 1967 : Infrastruktur und Lebensraum / Energie
Erdöl und Erdgas
Während der Ausbau der Elektrizitätsversorgung durch die Inangriffnahme neuer Atom- und Wasserkraftwerke seinen Fortgang nahm und in der Frage der Reaktorförderung mindestens neue Ziele ins Auge gefasst wurden, veränderte sich die Lage im Bereich der
Erdölversorgung nur wenig. Zwar wurde die Ölleitung Genua-Ingolstadt, welche die Kantone Graubünden und St. Gallen durchquert, am 25. April offiziell eingeweiht, wobei die Vertreter der beiden Kantone mit Genugtuung zur Kenntnis nahmen, dass auf italienischer Seite der Plan einer ostschweizerischen Raffinerie noch nicht abgeschrieben sei
[29]. Beide Kantonsregierungen beantragten ihren Parlamenten im Herbst eine Beteiligung an der Ölleitungsgesellschaft; Entscheide wurden aber vor Jahresende noch nicht getroffen
[30]. Der Bundesrat antwortete im März auf eine Anfrage im Nationalrat, eine definitive Betriebsbewilligung komme erst nach einer längeren Versuchsperiode in Betracht
[31].
Auch die Raffinerie von Cressier (NE) erhielt noch keine definitive Betriebsbewilligung. Die Spannung um die industriellen Anlagen auf der neuenburgischen Seite der Zihl hielt an und wurde durch einen neuen Ölausfluss im November weiter genährt
[32]. Die bernische Regierung musste einmal mehr die Kritik der Raffineriegegner über sich ergehen lassen, als sie den Grossen Rat im Mai um die Genehmigung eines Vertrages ersuchte, in welchem der Kanton der Raffinerie einige Grundstücke im Baurecht abtrat. Da die Sicherheitsvorschriften, welche die eidgenössische Oberaufsichtskommission der Raffinerie auferlegt hatte, in den Vertrag aufgenommen worden waren, wurde dieser von der Regierung als ein Kontrollmittel in der Hand des Kantons Bern präsentiert; der regionalen Opposition genügte die vorgelegte Fassung jedoch nicht, so dass die Regierung sich genötigt sah, in eine Verschärfung der Bestimmungen einzuwilligen
[33]. Im Zusammenhang mit der bernisch-seeländischen Opposition gegen ölindustrielle Anlagen ist auch die Ablehnung des Baus weiterer Ölkraftwerke und Ölraffinerien im Aktionsprogramm der schweizerischen BGB zu sehen
[34]. Im übrigen zeigte sich der bernische Staat durchaus nicht erdölfeindlich. Nach der Kantonalbank, der BLS und den BKW beteiligte sich auch der Kanton an einer Gesellschaft, die in Zusammenarbeit mit einer französischen Erdölunternehmung die Suche nach Kohlenwasserstoffen auf bernischem Gebiet aufnehmen will
[35].
Als eine Art Ersatz für die Errichtung weiterer Raffinerien gewährte der Bundesrat im Herbst eine Konzession für den Bau einer Produktenleitung auf Genfer Boden; diese wird als Endstück eines mit den Raffinerien bei Marseille und Lyon verbundenen Leitungssystems die Zufuhr von Erdölprodukten nach Vernier (GE) ermöglichen. Da an der Rohrleitungsgesellschaft Ölfirmen verschiedener Länder (BP, Total, Esso und Shell) beteiligt sind, begnügte sich der Bundesrat mit einem schweizerischen Kapitalanteil von 40 %. Ein Einspruch der SBB, für welche die Leitung eine gewisse Konkurrenz bringen wird, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sich der Bundesrat verpflichtet habe, mit seinen Kompetenzen aus dem Rohrleitungsgesetz keine Verkehrspolitik zu treiben
[36]. Ein zweites Projekt für eine Produktenleitung, das von Rheinschiffahrtskreisen zur Bedienung des Raumes um Zürich aufgestellt worden war, wurde dagegen aufgegeben
[37].
Weitere Fortschritte machte der Aufbau von
Gasverbundsystemen. Im Mai erteilte der Bundesrat dem Gasverbund Ostschweiz die Konzession für sein Fernleitungssystem samt eidgenössischem Enteignungsrecht
[38]. Der Gasverbund Mittelland musste zwar wegen Baukostensteigerung und Trasseeänderungen sein Aktienkapital verdoppeln und die Baukredite der Aktionäre erhöhen, im Dezember konnte aber der Betrieb des Verbundnetzes wie auch der Gasbezug aus Süddeutschland offiziell eröffnet werden
[39]. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Versorgung mit Erdgas gründeten die westschweizerischen Gaswerke die Gesellschaft Gaznat, die sich der Errichtung eines dritten Verbundnetzes annehmen soll
[40].
[29] NZ, 190, 26.4.67; NZZ, 1837, 27.4.67.
[30] Zum Antrag des St. Galler Regierungsrats vgl. Ostschw., 235, 9.10.67; NZZ, 4857, 14.11.67; zum Antrag des Bündner Kleinen Rates NZZ, 4447, 21.10.67. Der Bündner Grosse Rat wies das Geschäft an den Kleinen Rat zur Entscheidung in eigener Kompetenz zurück (NZZ, 5179, 1.12.67). Der st. gallische Grosse Rat stimmte der Beteiligung am 6.2.68 zu (NZZ, 88, 9.2.68).
[31] Kleine Anfrage Vetsch (soz., SG), vgl. NZZ, 978, 7. 3. 67.
[32] Vgl. dazu SPJ 1966, S. 75 f.; NZZ, 1326, 29.3.67; NZ, 156, 6.4.67; 174, 17.4.67; 270, 15.6.67; 456, 3.10.67; ferner ein Memorandum der Interessengemeinschaft Bielersee an den Chef des VED (NZZ, 88, 9.1.67). Zum Ölausfluss vom November vgl. TdG, 260, 6.11.67; NZ, 520, 9.11.67; er veranlasste die Einreichung einer Motion im Grossen Rat (NZ, 530, 15.11.67).
[33] Bund, 144, 12.5.67; Jahresbericht über die Tätigkeit der Litra im Geschäftsjahr 1966/67, S. 107.
[34] Schweizerische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, Aktionsprogramm 1967-1971, S. 8.
[35] Bund, 134, 30.4.67; 144, 12.5.67; 243, 6.9.67; 245, 8.9.67; 250, 14.9.67. Der Grosse Rat stimmte erst in einem zweiten Anlauf zu; Opposition machte hauptsächlich der Freisinn.
[36] NZZ, 4437, 20.10.67; TdG, 248, 23.10.67.
[37] Jahresbericht der Litra, 1966/67, S. 109. Vgl auch SPJ 1965, in SJPW, 6/1966, S. 176. Die Leitung war vor allem als Konkurrenz zu einer Mittelland-Raffinerie gedacht und verlor mit deren Preisgabe ihre Aktualität (vgl. SPJ 1966, S. 75).
[38] NZZ, 2373, 31.5.67. Vgl. dazu SPJ 1966, S. 77.
[39] NZZ, 2787, 26.6.67; 4482, 23.10.67; 5267, 6.12.67; BN, 519, 6.12.67.
[40] TdL, 348, 14.12.67. Über die Möglichkeiten und Probleme der Einfuhr von Erdgas in die Schweiz vgl. NZZ, 2938, 6.7.67.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.