Année politique Suisse 1967 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Gewässerschutz
Die Sorge um die Erhaltung von natürlichen Lebensgrundlagen wie Landschaft, Wasser, Luft und Ruhe kam nicht nur in oppositionellen Reaktionen gegen den Bau oder Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Flugplätzen [1], sondern auch weiterhin in Bestrebungen zum Ausdruck, die auf die Einführung allgemeiner Regelungen hinzielten. Im Vordergrund standen dabei die Bemühungen um den Gewässerschutz. Die in den Jahren 1965 und 1966 in Fischerkreisen vorbereitete Volksinitiative für eine Revision des Art. 24 quater der Bundesverfassung trat im Februar ins Stadium der Unterschriftensammlung. Sie sah einerseits die Förderung von Gewässerschutzmassnahmen durch niedrigverzinsliche Darlehen, höhere Subventionen und Unterstützung der Forschung vor, anderseits auch gesetzliche Bestimmungen über Herstellung und Verwendung von gewässerschädigenden Produkten sowie die Ersatzvornahme und finanzielle Sanktionen gegen säumige Kantone [2]. Der Schweizerische Bund für Naturschutz nahm zugunsten der Initiative Stellung [3]. Die Schweizerische Vereinigung für Gewässerschutz und Lufthygiene distanzierte sich dagegen von ihr, da sie die Verwirklichung der dringendsten Postulate von einer in Vorbereitung stehenden Revision der eidgenössischen Gesetzgebung erwartete; den Weg über eine Verfassungsrevision wertete sie als Zeitverlust [4]. Auch Unternehmer- und Gewerbekreise wandten sich gegen die Initiative, indem sie eine stärkere Belastung des Bundes ablehnten und dafür die These vertraten, dass die Urheber der Gewässerverschmutzung zur Finanzierung der Reinigungsanlagen herangezogen werden sollten [5]. Das Volksbegehren wurde im Oktober mit mehr als 100 000 Unterschriften eingereicht; von diesen wurden freilich nur 67 419 als gültig anerkannt, da auf den französischen Unterschriftenbogen der Vermerk fehlte, dass der französische Text massgebend sei. Somit wurde die aus der welschen Schweiz stammende Initiative formatrechtlich fast nur von nichtfranzösischsprachigen Unterzeichnern getragen. Diese rekrutierten sich zum grössten Teil aus den Kantonen Bern, Zürich, Baselstadt und St. Gallen [6].
Der von Bundesrat Tschudi 1966 in Aussicht gestellte Bericht über den Stand des Gewässerschutzes in der Schweiz wurde bis Jahresende noch nicht vorgelegt, und auch die angekündigte Teilrevision des Gewässerschutzgesetzes von 1955 gedieh nicht über das verwaltungsinterne Stadium hinaus. Auf eine Kleine Anfrage von Nationalrat Borel (soz., GE) hin sprach sich der Bundesrat für den Erlass einer besonderen Verordnung über die Abbaubarkeit von Reinigungsmitteln aus, betonte aber dabei, dass dies zuvor eine Ergänzung des Gewässerschutzgesetzes erfordere [7]. Gegenüber einer Kritik an der Gerichtspraxis in Fragen des Gewässerschutzes stellte Bundesrat Tschudi immerhin eine gewisse Verschärfung fest [8]. Als besondere Gefahrenquelle für die Reinheit des Wassers erwiesen sich mehr und mehr eingebaute oder fahrende Öltanks; das eindrücklichste Beispiel dafür war der Ausfluss von über 1 Mio l Öl aus einem Lager in Châteauneuf bei Sitten am 3. November [9]. Einzelne Kantone haben zur Bekämpfung dieser Gefahren bereits besondere Ölwehren geschaffen; in verschiedenen Departementen der Bundesverwaltung wurden entsprechende Vorschriften ausgearbeitet [10]. Am Ende des Jahres standen in der ganzen Schweiz 241 Abwasserreinigungsanlagen im Betrieb, an die 36,3 % der Bevölkerung angeschlossen waren (Ende 1966: 208 Anlagen für 27,1 %); 65 Anlagen für weitere 11,5 % der Bevölkerung befanden sich im Bau (1966: 57 Anlagen für 17,8 %). Die Spitze unter den Kantonen hielt Genf (mit betriebenen Anlagen für 98,1 % der Bevölkerung), in geringem Abstand folgte Zürich (91,0 %); in Glarus, Baselstadt und Appenzell Innerrhoden war noch keine Anlage fertiggestellt [11]. Auf kantonaler Ebene wurden neue gesetzliche Regelungen in Zürich und Baselland rechtskräftig [12].
 
[1] Vgl. oben S. 77, 80 u. 92 f.
[2] BBI, 1967, II, S. 1357 ff.; TdG, 37, 13.2.67; NZ, 73, 13.2.67; NZZ, 2233, 22.5.67. Vgl. auch SPJ 1966, S. 100.
[3] Schweizer Naturschutz, 33/1967, S. 25. Die Initiative wurde von allen Parteien des Kantons Neuenburg unterstützt (PS, 107, 13.5.67), ferner namentlich vom Landboten (118,25.5.67).
[4] NZZ, 848, 28.2.67. Vgl. im übrigen die Lagedarstellung des Präsidenten der Vereinigung, Prof. O. Jaags, an der Delegiertenversammlung im April (NZZ, 1882, 29.4.67).
[5] Wirtschaftsförderung, Dokumentations- und Pressedienst, 44, 30.10.67; NZ, 514, 6.11.67 (Pressedienst des Schweizerischen Gewerbeverbandes). Auch der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband lehnte die Initiative ab (NZZ, 2858, 30.6.67).
[6] BBl, 1967, II, S. 1362; NZ, 469, 11.10.67; Lb, 279, 29.11.67.
[7] NZZ, 3357, 13.8.67; vgl. auch 1603, 14.4.67.
[8] NZZ, 2689, 20.6.67. Im gleichen Sinne NZ, 114, 10.3.67, und Bund, 10, 9.1.67.
[9] TdG, 261, 7.11.67; NZ, 515 u. 516, 7.11.67; 517, 8.11.67; NZZ, 4750, 8.11.67; 4785, 10.11.67; 4812, 11.11.67; Emmenthaler-Blatt, 262, 8.11.67; Lb, 261, 8.11.67; Brückenbauer, 45, 10.11.67; PS, 262, 13.11.67; Tat, 288, 7.12.67.
[10] Vgl. NZZ, 3910, 20.9.67 (Antwort des Bundesrates auf Kleine Anfrage StR Reimann, k.-chr., AG), Bund, 244, 7.9.67 (Vorschriften des EMD für die Armee), NZZ, 124, 26.2.68 (Vorschriften des EDI für Brenn- und Treibstofftanks), und Schweizer Naturschutz, 34/1968, S. 12 (Stand der Organisation von Ölwehren).
[11] Mitteilung des Eidg. Amtes für Gewässerschutz. Vgl. auch SPJ 1966, S. 99.
[12] S. unten, S. 142.