Année politique Suisse 1967 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
Grund- und Mittelschulen
Auch die mittleren und unteren Schulstufen waren Gegenstand verstärkter Koordinations- und Reformbestrebungen
[54]. Der Entscheid über die
Revision der Eidgenössischen Maturitäts-Anerkennungsverordnung wurde vom Bundesrat angesichts der bestehenden Spannungen allerdings noch nicht getroffen. Die Eidg. Maturitätskommission hatte 1966 den von einer Expertenkommission des EDI vorgelegten Entwurf auf Grund des 1965 durchgeführten Vernehmlassungsverfahrens überarbeitet, wobei sie eine Anerkennung der Gymnasien des Typus C (ohne Latein) als Vorbildung für das Medizinstudium namentlich davon abhängig machte, dass diese normalerweise dieselbe Schuldauer aufwiesen wie diejenigen der andern Typen; damit wurde der in der Ostschweiz eingebürgerte «gebrochene Bildungsgang » zur C-Maturität (Sekundarschule — 4jähriges Gymnasium) als ungenügend erklärt. Weil die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren diesen Vorschlag einhellig ablehnte, reduzierte die Maturitätskommission ihre Forderung darauf, dass in Kantonen mit ungebrochenem Bildungsgang in den Typen A und B mindestens ein Modellfall eines entsprechenden C-Gymnasiums eingerichtet und die Unterstufe im Lehrplan auf die Maturitätsschule abgestimmt werde. Die Kommission kam den Erziehungsdirektoren auch mit der grundsätzlichen Anerkennung des sog. Zweiten Bildungsweges, d.h. mit der Gewährung des Rechts zur Durchführung eigener Maturitätsprüfungen an öffentlichen Schulen für Erwachsene, entgegen. Dagegen lehnte sie die im Expertenentwurf vorgesehene Möglichkeit der Anerkennung neuer Maturitätstypen ab. Diesen modifizierten Anträgen wurde vor allem aus der Ostschweiz weiterhin opponiert
[55].
Wenn sich somit die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren einer Angleichung der verschiedenen Mittelschulsysteme durch Bundesratsverordnung abgeneigt zeigte, so empfahl sie anderseits den Kantonen, auf kooperativem Wege gemeinsame Regelungen für den Anfang des Schuljahrs, den Beginn der Schulpflicht und die Schuldauer zu verwirklichen: bis 1972 soll der allgemeine Schuljahranfang nach den Sommerferien und ein einheitliches Stichdatum für den Schulpflichtbeginn eingeführt werden; für die Dauer der Schulpflicht sind 9 Jahre vorgesehen
[56]. Die interkantonale Zusammenarbeit wurde auch auf regionaler Ebene fortgesetzt, namentlich zur Vereinheitlichung der Lehrpläne und Lehrmittel
[57]. Sodann setzte sich die von behördlichen und privaten Kreisen gebildete Arbeitsgemeinschaft für die Koordination der kantonalen Schulsysteme in der deutschsprachigen Schweiz in einer Eingabe an das EDI für eine Schulreform im Sinne einer früheren Begabtenförderung und eines späteren Berufs- oder Studienentscheids ein und regte die Schaffung von Aufbaumittelschulen an, die nach abgeschlossener Volksschule zur Maturität führen sollen
[58]. Eine besondere Art der Begabtenförderung strebte eine « Genossenschaft schweizerisches Sportgymnasium » unter dem Präsidium von Nationalrat A. Müller (k.-chr., LU) an
[59]. Endlich befürworteten die Teilnehmer einer Studienwoche des Vereins schweizerischer Gymnasiallehrer im Rahmen eines Unterrichtsreformprogramms die Schaffung eines neuen Mittelschultyps für mittlere (nichtakademische) Kader sowie die Errichtung einer schweizerischen Koordinationsstelle für berufliche Weiterbildung der Mittelschullehrer
[60].
Für eine umfassende zeitgemässe Schulreform auf der Grundlage interkantonaler Zusammenarbeit trat auch eine Erklärung der schweizerischen Konservativchristlichsozialen Volkspartei ein; noch stärkeres Gewicht legte diese freilich auf ein gleichberechtigtes Nebeneinander von öffentlichen und privaten Lehranstalten
[61]. Im Sinne einer solchen Gleichberechtigung wurde im einstigen Kulturkampfkanton St. Gallen eine Verständigung erzielt: ein Teil der Freisinnigen und der Sozialdemokraten bot Hand zu einer Revision des Stipendienwesens, die den kantonalen Mittelschulstipendiaten die Wahl der Schule nun völlig freistellt; dieses Entgegenkommen wurde durch die. Bereitschaft der Konservativ-Christlichsozialen zu einem gewissen Abbau der konfessionellen Schultrennung erleichtert
[62].
[54] Vgl. z.B. die Veranstaltung der «Rencontres suisses» in Lausanne (GdL, 265, 13.11.67; NZ, 526, 13.11.67) oder A.E. Häsler in Ex Libris, 1967/1, S. 9 ff.
[55] Vgl. Erklärung des zürcherischen Erziehungsdirektors König vor dem Kantonsrat (NZZ, 142, 4.3.68), ferner NZZ, 3474, 23.8.67, u. 3488, 24.8.67, wo eine grössere Freiheit der Lehrplangestaltung auf Grund eines Konkordats angeregt wird. Weitere oppositionelle Stellungnahmen u.a. in NZZ, 2698, 20.6.67 (Schweizerischer Lehrerverein), und Vat., 292, 18.12.67 (Arbeitsgemeinschaft für die Koordination der kantonalen Schulsysteme in der deutschsprachigen Schweiz).
[56] NZZ, 2782, 26.6.67. Expertenkommissionen bereiten weitere Massnahmen vor (NZZ, 4164, 5.10.67).
[57] Vgl. dazu NZZ, 1758, 22.4.67 (Ostschweiz) ; 3755, 11.9.67 (Nordwestschweiz) ; TdG, 202, 29.8.67 (Westschweiz).
[58] Bund, 30, 23.1.67. Vgl. dazu SPJ 1966, S. 122, ferner NZZ, 2892, 3.7.67; 4494, 24.10.67; TdG, 249, 24.10.67; Bund, 302, 14.11.67. Ein elastischeres Gymnasialsystem mit Abstufung des Ausbildungstempos in verschiedenen Parallelzügen verlangte GEORG PETER LANDMANN, Unsere Gymnasien sind krank, Zürich 1967. Vgl. auch OTTO ZWEIFEL, «Massnahmen zur Mittelschulförderung », in Gymnasium Helveticum, 22/1967-68, S. 106 ff.
[59] Vat., 161, 14.7.67; BN, 306, 22./23.7.67.
[60] NZZ, 4529, 26.10.67; 107, 18.2.68; Gymnasium Helveticum, 22/1967-68, S. 18 ff.
[62] NZZ, 2070, 11.5.67; 2352, 29.5.67. Vgl. auch unten, S. 148, und SPJ 1966, S. 143.
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