Année politique Suisse 1967 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Presse
Die Presse stand im Zeichen eines verschärften wirtschaftlichen Wettbewerbs, der nicht ohne Auswirkungen politischer Art blieb. Besonderes Aufsehen erregte die Übernahme der Aktienmehrheit des « Weltwoche »-Verlags durch die Firmen Ringier und Jean Frey, die gemeinsam in der AG für Presse-Erzeugnisse die Morgenzeitung « Blick » herausgeben. Diese Transaktion wurde als Gegenzug gegen die angekündigte Lancierung eines Nachmittagsboulevardblattes «Neue Presse » durch die Verlage der « National-Zeitung » und des « Tages-Anzeigers » gewertet [17]. Als weiterer Gegenzug war die Veröffentlichung einer Abendboulevardzeitung durch die Ringier-Gruppe geplant, doch verzögerte sie sich, was zum Teil mit der Anfechtung des vorgesehenen Namens « Express » durch den Verlag des Neuenburger Blattes « L'Express » begründet wurde [18]. Ungewöhnlich war ferner die Entlassung des Chefredaktors und Verwaltungsratsdelegierten der « Weltwoche », R.R. Bigler, der bereits mit der Redaktionsleitung für den « Express » betraut worden war, nach seiner vorübergehenden Ständeratskandidatur [19]. In der Westschweiz führte die Verschärfung des Konkurrenzkampfes zum Eingehen verschiedener Blätter [20].
Die Tendenz zur Kommerzialisierung der Presse wurde von verschiedener Seite mit Besorgnis registriert [21]. Sie gab Anlass zum Ruf nach einer staatlichen Pressepolitik; der Bundesrat wurde in einem parlamentarischen Vorstoss zu Gegenmassnahmen auf Grund des Kartellgesetzes oder neuzuschaffender gesetzlicher Grundlagen aufgefordert [22]. In der Boulevardpresse kam jedoch auch eine andere Tendenz zu verstärktem Ausdruck: die Neigung zur Härte und Sorglosigkeit der journalistischen Kritik. Diese wurde namentlich von behördlicher Seite verurteilt, wobei auch traditionellere Organe ins Schussfeld gerieten [23]. Dadurch wurde aber die Frage der Pressefreiheit grundsätzlich aufgeworfen und eine gewisse Solidarität unterschiedlichster Blätter provoziert [24]. Besonders zum Ausdruck kam dies im Zusammenhang mit der Behandlung des Zeugnisverweigerungsrechts der Presse im Rahmen der neuen Gesetzgebung über das Verwaltungsverfahren. Nachdem der Nationalrat im Dezember 1966 den Schutz des Informationsgeheimnisses unter Vorbehalt der inneren und äusseren Landessicherheit in die Vorlage des Bundesrates eingefügt hatte, erweiterte der Ständerat im Juni mit knappem Mehr den ungeschützten Bereich, und Bundesrat von Moos erkannte dem Journalisten nicht das volle Berufsgeheimnis zu [25].
top
P.G.
 
[17] Zürcher Woche, 34, 25.8.67; 35, 1.9.67; Weltwoche, 1764, 1.9.67. Zur Gründung der « Neuen Presse» vgl. NZ, 393, 27.8.67; Zürcher Woche, 36, 8.9.67; die erste Nummer erschien am 6.11.1967.
[18] NZZ, 2816, 28.6.67; 4023, 27.9.67; NZ, 405, 3.9.67; 445, 27.9.67.
[19] NZZ, 5461,18.12.67; 5514, 22.12.67; NZ, 588, 19.12.67; 596, 24.12.67; Bund, 334, 21.12.67; Tw, 300, 22.12.67. Vgl. auch oben, S. 13 f. Etwas früher war bei einem andern Erzeugnis der Ringier-Gruppe, bei der Wochenzeitschrift Sie und Er, ein ähnlich abrupter Chefredaktorenwechsel vollzogen worden (NZ, 516, 7.11.67; NZZ, 4734, 7.11.67 ; Vat., 259, 8.11.67). Vgl. ferner den Redaktionswechsel an der Zürcher Woche, der eine völlige Umstellung des bis dahin betont nonkonformistischen Kurses bewirkte (Bund, 104, 23.3.67; Zürcher Woche, 13, 30.3.67; 21, 26.5.67; NZ, 144, 30.3.67; 222, 18.5.67; Lb, 74, 1.4.67; NZZ, 2092, 12.5.67).
[20] Vgl. für den Kanton Neuenburg: GdL, 77, 4.4.67; für das Wallis: GdL, 305, 30./31.12.67.
[21] NZZ, 1991, 7.5.67; 4703, 5.11.67; Lb, 19.12.67; Tw, 296, 22.12.67; Vat., 297, 23.12.67; BN, 546, 23./24.12.67. Vgl. auch oben, S. 14.
[22] Postulat Müller (k.-chr., LU) vom 18.12. (Übersicht über die Verhandlungen der Bundesversammlung, 1967, IV, S. 26). Vgl. GdL, 108, 11.5.67.
[23] Vgl. Kritik des Bundesrates an der Reporterjagd auf Swetlana Allilujewa im März bei Kenntnisnahme entsprechender Vorstösse NR Brogers (k.-chr., AI, Postulat) und NR Schaffers (soz., BE, Kleine Anfrage) (Bund, 100, 19.3.67; Tat, 64, 17.3.67; Übersicht über die Verhandlungen der Bundesversammlung, 1967, I, S. 16), ferner Kritik Bundespräsident Bonvins an einzelnen Journalisten und Anregung einer journalistischen Eignungsprüfung bei der Beratung des Geschäftsberichts im StR (GdL, 132, 9.6.67).
[24] GdL, 132, 9.6.67; JdG, 134, 12.6.67; NZZ, 2587, 14.6.67; Bund, 172, 15.6.67; Weltwoche, 1753,16.6.67; Zürcher Woche, 24, 16.6.67.
[25] Auf die « Abklärung von Tatsachen..., die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde erfordern » (Sten.BulI.StR, 1967, S. 166 ff.). Der Beschluss wurde im Dezember nach Prüfung eines Antrags Dietschi (rad., BS) leicht modifiziert, indem in Anlehnung an die Fassung des NR nicht nur die Quelle, sondern auch der Inhalt der Informationen unter Schutz gestellt wurde (Sten.Bul.StR, 1967, S. 364 ff.). Vgl. dazu SPJ 1966, S. 127, und oben, S. 18. Zur Kritik vgl. Bund, 172, 15.6.67; 177, 21.6.67; JdG, 138, 16.6.67; NZ, 271, 16.6.67; Lb, 138, 17.6.67; BN, 251, 17./18.6.67; Tat, 147, 24.6.67; Tw, 149, 29.6.67; Weltwoche, 1755, 30.6.67 (H. Seelhofer, Geschäftsführer des Vereins der Schweizer Presse).