Année politique Suisse 1968 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
Konservativ-Christlichsoziale Partei
Die deutlichsten Konsequenzen aus der Wahlniederlage von 1967 zogen, äusserlich gesehen, die Konservativ-Christlichsozialen. Ihr Zentralkomitee stellte seinen Jahresbericht unter das Motto «Der Ausgang der eidgenössischen Wahlen von 1967 — eine Herausforderung»
[1]. In der Diskussion, die durch diesen Ruf eingeleitet wurde, fragte man eindringlich nach den Zukunftsaufgaben der Parteien in einem dynamischen Zeitalter und nach dem zu ihrer Lösung notwendigen neuen Instrumentarium. Prononcierte Vertreter der Partei setzten sich für die Institutionalisierung des Regierungsprogrammes und den Ausbau der Regierungsspitze zu einem wirksamen Leitungsorgan ein. « Dem Politiker, nicht dem Experten, liegt es ob, die Prioritäten zu setzen, die Wahl zwischen den möglichen Alternativen zu treffen, den politischen Entscheid zu fällen und ihn durchzusetzen»
[2]. Gleichzeitig postulierte man die bundesrätliche Pflicht zu regelmässiger bundesrätlicher Berichterstattung am Ende einer Legislaturperiode
[3]. Um die schweizerische Partei zur Erfüllung solcher Aufgaben besser zu befähigen, möchte man ihre Organisation straffen, die wirtschaftlichen Gruppen besser integrieren und der Gesamtpartei ein vermehrtes Mitspracherecht auf der Ebene der kantonalen Parteien einräumen
[4]. Generell müssen die Parteien, so glaubt Nationalrat L. Schürmann, aufgewertet werden. Er verlangte darum in einer Motion in der Sommersession die gesetzliche Regelung des Partei- und Verbandswesens
[5]. Am schweizerischen Parteitag in Chur (April), an dem der Luzerner Franz Josef Kurmann anstelle des Bündners Ettore Tenchio zum neuen Parteipräsidenten erkoren wurde
[6], und an der Delegiertenversammlung in Olten (November), an der der langjährige Generalsekretär der Partei, Martin. Rosenberg, durch Urs Reinhardt aus Solothurn abgelöst wurde
[7] spürte man den frischen Wind deutlich wehen. Nach der in Olten vorgenommenen Reorganisation des Parteisekretariates soll dieses hinfort aus drei Abteilungen bestehen, aus der administrativen Spitze, ferner aus je einer Abteilung Studien und Dokumentation sowie Information
[8]. Wie sehr sich die Konservativen auf die Zukunft einstellen, zeigt die Bildung einer neuen Kommission, die sich mit prospektiven Studien abzugeben und neue Leitbilder zu entwerfen haben wird
[9]. Davon zeugt weiterhin das neue Verständnis der Parteien, die etwa « als offene Studien- und Aktionsgemeinschaften zur politischen Weiterentwicklung des Landes » umschrieben werden
[10]. Man ist überzeugt, durch solche Offenheit der Jugend den Anschluss an die ältere Generation zu erleichtern
[11].
[2] Vat., 141, 19.6.68; Ostschw., 144, 22.6.68.
[5] Ostschw., 133, 8.6.68; Verhandl. B.vers., 1968, 11, S. 33.
[6] Vat., 100, 9.4.68; 107, 7.5.68; Ostschw., 100, 29.4.68; 102, 1.5.68; Lib., 99, 29.4.68; NZZ, 261, 29.4.68.
[7] Vat., 275, 25.11.68; Lib., 47, 25.11.68; 50, 28.11.68; Ostschw., 273, 25.11.68; NZZ, 728, 25.11.68; NZ, 546, 25.11.68.
[8] Diese Abteilungen unterstehen A. Hartmann und R. Helfenberger.
[9] Als erste Früchte solcher Bemühungen sind etwa die Studien von L. Schürmann über prospektives Denken in der Politik, von Richard Schwertfeger über Zukunftsperspektiven der Schweizer Wirtschaft (Civitas, 24/1968-69, S. 358 ff.) und ein Aufsatz von R. Schnyder von Wartensee über prospektive Haltung (Civitas, 24/1968-69, S. 5 ff.) zu erwähnen.
[10] Vat., 275, 25.11.68.
[11] Man vergleiche etwa das ebenda zitierte Bekenntnis des neuen Parteipräsidenten, wonach « politische Macht nicht mehr auf dem Boden der alten Gehorsamsdisziplin, sondern nur mehr auf dem Boden fundierter Argumente, sachlicher Überzeugungen und ausgewiesener Leistung» beruhen müsse; vgl. die vom Generalsekretariat herausgegebene Dokumentation zur Delegiertenversammlung « Neue Zeit — Neue Aufgaben ».
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