Année politique Suisse 1968 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
 
Landwirtschaft
Die bäuerlichen Interessenverbände hatten sich im vergangenen Jahre erneut mit dem Problem der Überproduktion zu beschäftigen [17]. Wir möchten hier nur mehr auf die verbandspolitischen Aspekte dieser Sachlage hinweisen. Die Unzufriedenheit einzelner bäuerlicher Kreise äusserte sich ähnlich wie 1967, wo Vergleiche mit dem Landesstreik von 1918 gezogen wurden, in der Übernahme sozialistischer Phraseologien und im Gebrauch symbolischer Gewaltanwendung [18]. Vor einer Anfang Mai in Yverdon stattfindenden Protestversammlung von 2000-5000 erzürnten Bauern zog der Präsident eine Parallele « entre le premier mai ouvrier et le premier mai paysan » [19]. Der bäuerliche Unmut entlud sich sowohl gegenüber den staatlichen wie gegenüber den Verbandsbehörden. Vom Bund verlangte man die Schaffung eines von den industriellen und Arbeiterbelangen befreiten Agrardepartementes [20]. Gegenüber dem Bauernverband machten — unter der Leitung der welschschweizerischen « Union des producteurs suisses » — einige dissidente landwirtschaftliche Vereine der deutschen Schweiz (Sempach, Schüpfen, Thun und Solothurn) Miene, eine neue, kämpferische bauernpolitische Vereinigung zu gründen, welche die landwirtschaftlichen Interessen wirkungsvoller vertreten solle [21]. Der Schweizerische Bauernverband distanzierte sich von diesen Heissspornen, nahm allerdings später die damals erhobenen Vorwürfe wieder zurück, als die Drohungen nicht verwirklicht worden waren [22]. Der Eifer der « Union des producteurs suisses » scheint immerhin propagandistisch so guten Eindruck gemacht zu haben, dass sich ihr die Freiburger Bauern anschlossen [23].
 
[17] Vgl. oben, S. 75 ff.
[18] Vgl. oben, S. 75 ff.
[19] Nach TdG, 103, 2.5.68, waren es 5000, nach GdL, 102, 2.5.68, 2000 Bauern.
[20] Ebenda.
[21] NZZ, 315, 24.5.68; vgl. oben, S. 73.
[22] NBZ, 106, 7.5.68; 146, 25.6.68.
[23] TdL, 315, 10.11.68; 322, 17.11.68.