Année politique Suisse 1968 : Wirtschaft / Landwirtschaft
Agrarpolitik
Die ungelösten
Strukturprobleme der Landwirtschaft wurden auch 1968 deutlich sichtbar. Der Endrohertrag ging zwar gesamthaft um 60 Mio Fr. auf 4164 Mio Fr. zurück
[1]. Bei verschiedenen Produkten kam es jedoch zu grossen Überschüssen, die man teilweise zu Dumpingpreisen ins Ausland abzuschieben versuchen musste. Nun haben aber alle hochentwickelten Industriestaaten mit der gleichen Schwierigkeit zu kämpfen, dass der gesteigerten Produktivität in der Landwirtschaft kein entsprechend erhöhter Nahrungsmittelbedarf gegenübersteht. So kam in der EWG wegen der budgetierten Verwertungsverluste von 600 bis 800 Mio $ für Milch und Rindfleisch eine gemeinsame Marktordnung nur mühsam zustande
[2]. An der OECD-Tagung der Landwirtschaftsminister wurde vorausgesagt, dass die Mitgliedstaaten dieser Organisation bei Weiterführung der gegenwärtigen Politik von einer Nettoeinfuhr an Agrarprodukten von 1,5 Mia $ (1961-1963) zu einer Ausfuhr von 3,3 Mia $ (1985) übergehen würden. Weder die von den beteiligten Ländern befolgte Politik hoher Agrarpreise
[3], noch massive Exportsubventionen zur Bewältigung der Überschüsse könnten das Problem lösen
[4]. Radikale Massnahmen sah der in der EWG diskutierte Mansholt-Plan vor. Ihm zufolge sollten in den nächsten 10 Jahren ungefähr 5 Mio Landwirte ihren Beruf aufgeben. Betriebe mit einer Getreideanbaufläche von 80 ha, 40 Milchkühen oder 10 000 Leghennen galten als Mindestnorm
[5].
Die Grundsätze für die schweizerische Landwirtschaftspolitik in den Richtlinien des Bundesrates zu einem Regierungsprogramm sind zwar weit weniger radikal als die EWG-Strukturreformpläne. Aber auch hier gilt als Hauptanliegen die Verbesserung der Produktionsgrundlagen
[6]. Bundespräsident Spühler bezeichnete die Strukturbereinigung vor dem Nationalrat als unvermeidlich. Er kündigte gleichzeitig einen weiteren Landwirtschaftsbericht an, der die Ziele der Produktion umreissen und die zweckmässigen Instrumente darlegen werde
[7]. Im Geschäftsbericht des EVD heisst es noch deutlicher: «Der Fortschritt in der Landwirtschaftkann sich nur dann zum Vorteil der einzelnen Produzenten auswirken, wenn die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und Produktionsstätten abnimmt »
[8]. Auf bäuerlicher Seite sah man nun Parallelen zwischen den Vorstellungen Mansholts und jenen des Bundesrates. Man sprach von einer Wende in der schweizerischen Agrarpolitik und wandte sich insbesondere vehement gegen eine Gesundschrumpfungspolitik
[9]. Es bildete sich sogar ein « Aktionskomitee », welches den Bauernverband aufforderte, eine härtere Politik zu betreiben
[10]. Vom Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbandes, Nationalrat Weber (rad., SZ), herausgefordert, präzisierte Bundesrat Schaffner bei der Behandlung des Geschäftsberichts, dass auch der tüchtige Kleinbauer eine Chance haben solle. Der unerlässliche Strukturwandel werde nicht beschleunigt, sondern lediglich kanalisiert
[11]. Ein Mittel zu einer solchen Steuerung wurde allgemein in der sogenannten Produktionslenkung gesehen. Allerdings verstanden die einen darunter die Ermittlung eines optimalen Produktionsplanes bei gegebenem Einkommen der Landwirtschaft und bei minimalem Subventionsaufwand
[12], während andere auch den Absatz und die Verbraucherwünsche in den Plan einbeziehen wollten und vor der berüchtigten Gesundschrumpfung nicht zurückschreckten
[13]. Zur Erarbeitung eines solchen Planes können auch neue statistische Unterlagen einiges beitragen
[14].
[1] NZZ, 702, 13.11.68; Mitteilung der Kommission für Konfunkturfragen, 193, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 41/1968, Februar (geschätzte Zahlen für 1968).
[2] Vat., 83, 6.4.68; GdL, 103, 3.5.68.
[3] Auffassung von Prof. Kristensen, Generalsekretär der OECD. Vgl. NZZ, 741, 29.11.68; JdG, 281, 30.11./1.12.68.
[4] Aus der Ansprache Bundesrat Schaffners. Vgl. NZZ, 745, 2.12.68; TdG, 283, 2.12.68.
[5] GdL, 298, 20.12.68; NZZ, 766, 11.12.68.
[6] Agrarpolitische Revue, 24/1968, S. 253 f.; BBI, 1968, I, S. 1226 f.
[8] TdG, 87, 11.4.68; NZZ, 228, 11.4.68; NZ, 171, 11.4.68; Gesch. ber., 1967, S. 256.
[9] Vat., 111, 11.5.68; Ostschw., 117, 18.5.68; Agrarpolitische Revue, 24/1968, S. 294 f.
[11] NZ, 266, 13.6.68; Tat, 137, 13.6.68; NZZ, 361, 14.6.68. Vgl. auch H. SCHAFFNER, « Konstanten der schweizerischen Wirtschaftspolitik », in Arbeitgeberpolitik in der Nachkriegszeit 1948-1967, Zürich 1968, S. 96 ff.
[12] Bericht der Arbeitsgruppe für landwirtschaftliche Produktionslenkung, Schweiz. Bauernsekretariat, Brugg. Vgl. auch NBZ, 159, 10.7.68; NZZ, 458, 28.7.68; 667, 29.10.68.
[13] Vr, 164, 16.7.68; NZ, 509, 3.11.68 u. 366, 11.8.68.
[14] Eidg. Betriebszählung 1965, Landwirtschaft, Bd. 5, Tabellenteil, Bern 1968 (Statistische Quellenwerke der Schweiz, H. 419, Reihe De 5). HANS BRUGGER, Statistisches Handbuch der schweizerischen Landwirtschaft, Bern 1968.
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