Année politique Suisse 1968 : Infrastruktur und Lebensraum / Energie
Kernenergie
In bezug auf die Entwicklung der
Atomenergieproduktion bemühte sich der Bund weiter um die Sicherstellung der Versorgung mit Atombrennstoffen. Das bereits für 1967 erwartete Abkommen mit Schweden über Zusammenarbeit in der friedlichen Verwendung der Atomenergie konnte am 14. Februar unterzeichnet werden; es sieht ausser den seit Jahren in Gang gekommenen wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Kontakten für den Reaktorbau auch die Lieferung von schwedischem Uran nach der Schweiz vor, wobei die im zwischenstaatlichen Verkehr üblichen Kontrollen zur Gewährleistung einer friedlichen Verwendung — unter Vorbehalt ihrer Übertragung auf die Internationale Atomenergie-Organisation — eingebaut sind
[11]. Das Abkommen wurde von beiden Räten in der Herbstsession genehmigt
[12]. Der Sicherung der Einfuhr von Atombrennstoffen sowie der Offenhaltung des Zugangs zu den Fortschritten der Atomtechnik dienten ferner die Bemühungen des Bundesrates, auf den Wortlaut des am 1. Juli von den Hauptweltmächten unterzeichneten Atomsperrvertrages Einfluss zu gewinnen und nach der Unterzeichnung von den Atommächten zusätzliche Garantien zu erlangen
[13].
Der Bund beschäftigte sich auch mit den Problemen, die sich aus der Verwendung von Fluss- und Seewasser für die Kühlung von Atomreaktoren ergeben. Eine Expertenkommission untersuchte, wieweit eine Erwärmung der Gewässer durch die Wiederzuleitung solchen Kühlwassers ohne schädliche Einwirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt möglich ist ; die Studie wurde aber vor Jahresende noch nicht veröffentlicht
[14].
Auf dem Gebiet des Reaktorbaus ist die Inbetriebsetzung des Versuchsreaktors Lucens zu verzeichnen. Nachdem dieser am 29. Januar zum erstenmal einheimischen Atomstrom ins öffentliche Netz hatte eintreten lassen, übernahm die EOS, die am 1. März mit der Nationalen Gesellschaft zur Förderung der industriellen Atomtechnik (NGA) einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hatte, am 10. Juni offiziell den Betrieb der Anlage. Der Bund, der sich zu 50 % am Betriebsdefizit beteiligte, genehmigte den Vertrag allerdings nur auf zwei Jahre und dazu mit dem Vorbehalt, ihn vorzeitig kündigen zu können, wenn sich für Lucens eine neue Verwendungsmöglichkeit ergebe. Wie Bundesrat Gnägi bekanntgab, erwog man die Benützung eines Teils der Anlage für die Erprobung von Brennstoffelementen im Rahmen eines internationalen Programms für die Entwicklung eines gasgekühlten Brutreaktors
[15]. Diesem Programm soll auch der neue Versuchsreaktor des Eidg. Instituts für Reaktorforschung in Würenlingen dienen, der am 20. Februar in Betrieb genommen wurde
[16]. Im Sinne einer intensiveren internationalen Zusammenarbeit in der kernphysikalischen Forschung erklärte sich der Bundesrat gegen Jahresende grundsätzlich zur Beteiligung am Bau eines Grossbeschleunigers (Supercern) bereit
[17].
Die privatwirtschaftlichen Bemühungen um eine schweizerische Teilnahme an der Reaktorentwicklung wurden von der Firma Brown, Boveri & Cie. (BBC) fortgesetzt. Am Jahresende stand die Zusammenarbeit mit Krupp für den Bau eines gasgekühlten Hochtemperaturreaktors (2. Generation), den die deutsche Bundesrepublik mit einem Studienauftrag unterstützte, im Vordergrund
[18].
[11] BBI, 1968, I, S. 933 ff. Vgl. auch NZ, 179, 19.4.68.
[12] NZZ, 595, 26.9.68 (NR); 608, 2.10.68 (StR).
[13] Vgl. oben S. 38. Über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Atomsperrvertrags vgl. die kritische Stellungnahme von Prof. W. Winkler in NZZ, 666, 28.10.68.
[14] Gesch. ber., 1967, S. 315 ; NZZ, 202, 29.3.68 ; 480, 7.8.68.
[15] NZZ, 251, 24.4.68; 350, 11.6.68; 355, 12.6.68; NZ, 189, 25.4.68; TdG, 135, 11.6.68. Vgl. SPJ, 1967, S. 78 f.
[16] NZZ, 115, 21.2.68. Vgl. auch NZZ, 724, 22.11.68.
[18] NZZ, 107, 18.2.68; 779, 17.12.68; 785, 19.12.68; BN, 244, 14.6.68. Vgl. auch SPI, 1966, S. 73, u. 1967, S. 78. Dagegen waren Kontakte mit der North American Rockwell Corp., die Hoffnungen auf eine Mitwirkung an der Konstruktion eines Brutreaktors erweckt hatten, noch ohne Ergebnis (Bund, 18, 23.1.68; NZZ, 107, 18.2.68; 426, 14.7.68; Tat, 91, 19.4.68).
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