Année politique Suisse 1968 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Agglomerationsverkehr
Dem im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Gesamtverkehrskonzeption erwähnten Problem des sog. Agglomerations- oder Vorortsverkehrs wurde vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet, wobei die Rolle der Eisenbahn besonders hervortrat. Der Direktor des Verbandes schweizerischer Transportunternehmungen des öffentlichen Verkehrs, S. E. Berthoud, schlug eine organisierte Zusammenarbeit der verschiedenen öffentlichen Verkehrsmittel einer städtischen Agglomeration vor, bei der jedem ein bestimmter Aufgabenbereich zugewiesen würde; künftig sollten Konzessionen für den Agglomerationsverkehr nicht untemehmungsund linienweise, sondern für das ganze Agglomerationsgebiet erteilt werden [49]. Von verkehrsplanerischer Seite wurde ein Bundesprogramm für umfassende Verkehrssanierungen in Ballungszentren postuliert, das nach seiner Festsetzung verbindlich und nicht mehr von kommunalen Volksabstimmungen abhängig wäre [50]. Eine vom Nationalrat überwiesene Motion wünschte die Schaffung von rechtlichen Möglichkeiten zur frühzeitigen Sicherung des für Vorortbahnbauten benötigten Terrains, eventuell analog zur Gesetzgebung für den Nationalstrassenbau [51].
In Zürich wie in Basel wurden Schritte zur Erweiterung des öffentlichen Verkehrsangebots getan. Aus einer Zusammenarbeit zwischen SBB, Kanton und Stadt war ein Transportplan für die Region Zürich entstanden, der die stärkere Einbeziehung von SBB-Anlagen in den Vorortsverkehr sowie den Bau einer Untergrundbahn, vorerst zwischen Stadtzentrum und Kloten, vorsah [52]. Ein erster U-Bahn-Projektierungskredit wurde sowohl vom Kantonsrat wie vom Gemeinderat — von diesem zuhanden der Volksabstimmung — bewilligt [53]. In Basel beantragte die Regierung auf Grund eines 1964 vom Grossen Rat genehmigten Richtplans für die Verkehrssanierung den Bau einiger unterirdischer Strassenbahnstrecken, der sogenannten Tiefbahn; die parlamentarische Bewilligung des angeforderten Kredits von 195 Mio Fr. verzögerte sich jedoch, da der Grosse Rat und mit ihm die Verkehrsplankommission bei den Wahlen im März infolge der 1966 eingeführten Amtszeitbeschränkung stark erneuert wurde [54].
In der Frage einer eidgenössischen Subventionierung der öffentlichen Verkehrsmittel städtischer Agglomerationen zeichnete sich eine gewisse Lockerung der geltenden Doktrin ab. Als Bahnen des allgemeinen Verkehrs, die nach Eisenbahngesetz Anspruch auf Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Lasten haben, hatten bisher nur Transportmittel gegolten, die sowohl Personen wie Güter befördern [55]. Ein Bundesgerichtsentscheid vom 12. September 1967 hatte nun aber der Basler Hafenbahn, die nicht dem Personenverkehr dient, den Abgeltungsanspruch zuerkannt [56]. Abstimmungsergebnisse in der Stadt Zürich und im Kanton Bern liessen allerdings erkennen, dass in einer bereits stark motorisierten Bevölkerung der Ruf nach vermehrter Eigenwirtschaftlichkeit der lokalen Verkehrsmittel seine Wirkung nicht verfehlt [57].
 
[49] NZZ, 562, 12.9.68.
[50] HANS B. BARBE, « Stadtverkehr - wohin ?» in Schweizerisches Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik, 23/1968, S. 290 ff. (nach einem am 4.10.1967 in Luzern gehaltenen Vortrag). In derselben Richtung bewegte sich eine von der Schweiz. Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft unternommene Studie (vgl. a.a.O., S. 289).
[51] Motion Kloter (LdU, ZH), überwiesen am 5.12.68 (NZZ, 756, 6.12.68).
[52] NZZ, 294, 14.5.68; 326, 29.5.68; 544, 4.9.68; 552, 6.9.68; Vr, 122, 27.5.68; 183, 7.8.68; 247, 21.10.68; Tat, 214, 11.9.68. Die SBB gingen am 26.5. auf der Linie Zürich-Meilen-Rapperswil erstmals zu einem starren Fahrplan über (NZZ, 318, 27.5.68).
[53] NZZ, 666, 28.10.68 (Kantonsrat) ; 754, 5.12.68 (Gemeinderat).
[54] NZZ, 114, 21.2.68; BN, 113, 15.3.68; 146, 5.4.68; 148, 6./7.4.68; 312, 27./28.7.68; NZ, 178, 18.4.68; 343, 28.7.68. Zu den Wahlen vgl. oben, S. 29.
[55] Art. 1 der Verordnung vom 19.12.1958 über den Vollzug des 6. und 7. Abschnittes des Eisenbahngesetzes (AS, 1958, S. 1369).
[56] Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichtes, 93/1967, I, S. 483 ff. Art. 1 der in Anm. 86 erwähnten Verordnung wurde als gesetzwidrig erklärt. Vgl. dazu Jahresbericht der Litra, 1967/68, S. 87 f. Vgl. ferner die erwähnte Erklärung Dir. Martins (s. oben, S. 86).
[57] Am 18.2. bejahten die Stadtzürcher mit 35 053: 26 695 Stimmen eine Taxerhöhung der städtischen Verkehrsbetriebe, gegen welche die PdA das Referendum ergriffen und Sozialdemokraten und Gewerkschaften die Neinparole ausgegeben hatten (NZZ, 15, 9.1.68; 75, 4.2. 68; 108 u. 109, 19.2.68; Vr, 16, 20.1.68; 31, 7.2.68; 41, 19.2.68); zugleich verwarfen die Berner mit 59 377: 59 100 Stimmen einen von allen grossen Parteien befürworteten Kredit von 40 Mio Fr. für Privatbahnhilfe (Bund, 25, 31.1.68; 30-32, 6.-8.2.68; 37, 14.2.68; 38, 15.2.68; 41, 19.2.68; Tw, 33, 9.2.68; 41, 19.2.68).