Année politique Suisse 1968 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Schiffahrt
Der Streit um die Binnenschiffahrt blieb ein weiteres Jahr unentschieden. Der von der vorberatenden Ständeratskommission 1965 verlangte Ergänzungsbericht des Bundesrates war zwar bereits Ende 1966 fertiggestellt worden, das von der Kommission gleichfalls gewünschte neutrale Expertengutachten lag jedoch Ende 1968 noch nicht vor [67]. Diese Verzögerung veranlasste Interventionen von verschiedener Seite, zumal der Bundesrat in seinen Richtlinien die Schiffbarmachung schweizerischer Grenz- und Binnengewässer als nicht dringlich bezeichnet hatte [68]. Vertreter der Westschweiz wiesen schon bei der Behandlung der Richtlinien im Parlament auf die Bedeutung der Schiffahrtsfrage für eine Gesamtverkehrskonzeption hin [69], im September sprach sodann eine Delegation von elf Kantonen und Halbkantonen beim Bundesrat zur Unterstützung der Binnenschiffahrtsinteressen vor [70]. Anderseits drangen Parlamentarier aus den weniger interessierten Kantonen Solothurn und Aargau auf einen baldigen Entscheid, da die vom Bundesrat 1923 beschlossene Offenhaltung der Aare für die Schiffahrt beträchtliche Kosten verursache und die Regionalplanung behindere. Bundesrat Gnägi stellte eine parlamentarische Behandlung der Frage bis 1970 in Aussicht [71].
Für dringlicher als die Erschliessung neuer Schiffahrtswege hielt der Bundesrat in seinen Richtlinien die Wahrung der Landesinteressen in der traditionellen Rheinschiffahrt [72]. Es wurde bekannt, dass verschiedene schweizerische Reedereien im September 1967 den Bundesrat in einer Eingabe um Hilfe ersucht hatten, wobei sie unter Hinweis auf die kriegswirtschaftliche Bedeutung der schweizerischen Rheinflotte insbesondere die Ausrichtung von Haltepflichtprämien, die Gewährung günstiger Hypotheken und ein Monopol für Bundestransporte auf dem Rhein beantragt hatten [73]. Auf eine parlamentarische Anfrage entgegnete Bundesrat Gnägi im Juni, dass Anpassungen der Schiffahrt an Veränderungen in der Struktur des Transportwesens nicht durch Staatsinterventionen hinausgezögert werden sollten [74]; immerhin erhielt die Schweizerische Reederei AG, an welcher Bund und SBB beteiligt sind, ein Hypothekardarlehen von 3 Mio Fr. [75]. Eine andere Unterzeichnerin der Eingabe, die Basler Rheinschiffahrt AG, zog den Übergang in holländisches Eigentum als Ausweg vor [76]. Die Rheinschiffahrtskrise hat neben Wandlungen in den Transportbedürfnissen und in der Verkehrsstruktur der Rheinuferstaaten auch ein übermässiges Anschwellen des Schiffsraums zur Ursache ; Versuche zu ihrer Überwindung durch eine internationale Kapazitätsregelung mit Entschädigungen für die Stillegung von Schiffen wurden bisher durch Zuständigkeitsdifferenzen zwischen der Rheinzentralkommission, in der die Schweiz vertreten ist, und der EWG, der sie nicht angehört, behindert [77].
 
[67] Vgl. dazu SPJ, 1967, S. 91, und Jahresbericht der Litra, 1967/68, S. 114 ff.
[68] BBI, 1968, I, S. 1233.
[69] Sten. Bull. StR, 1968, S. 173, 175 u. 182 f.; vgl. auch Sten. Bull. NR, 1968, S. 286.
[70] TdL, 250, 6.9.68. Die Delegation vertrat die Kantone Bern, Freiburg, beide Appenzell, St. Gallen, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf.
[71] Motion Schürmann (k.-chr., SO), vom NR am 26.6. als Postulat überwiesen (NZZ, 389, 27.6.68), und Interpellation Bachmann (rad., AG), im StR am 27.6. behandelt (NZZ, 390, 27.6.68).
[72] BBl, 1968, I, S. 1233.
[73] Tat, 44, 22.2.68; NZ, 115, 10.3.68; NZZ, 240, 19.4.68; BN, 200, 14.5.68.
[74] Interpellation Wyss (soz., BS), im NR am 26.6. behandelt (NZZ, 389, 27.6.68).
[75] NZ, 530, 15.11.68; zur Zusammensetzung des Aktienkapitals vgl. NZZ, 309, 21.5.68.
[76] NZZ, 188, 25.3.68; 240, 19.4.68; 308, 20.5.68.
[77] Vgl. NZZ, 97, 13.2.68; 240, 19.4.68; 319, 27.5.68; 648, 21.10.68; 87, 10.2.69; NZ, 115, 10.3.68; 62, 7.2.69.