Année politique Suisse 1969 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei
Bleibt bei Wahlen der Mandatsanspruch einer Partei unbestritten, so bestimmen in Wirklichkeit ihre Instanzen den neuen Amtsträger. Der öffentliche Wahlgang wird dann zur blossen Bestätigung eines bereits getroffenen Entscheides degradiert und findet gewöhnlich entsprechend wenig Interesse. Die bemische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei — und schon vor ihr die Freisinnigen der Stadt Solothurn — versuchten 1969, diesem Uebel durch Doppelkandidaturen aus den eigenen Reihen zu steuern, nämlich als in Bern die Nachfolge für einen zurückgetretenen BGB-Regierungsrat und in Solothurn diejenige für den verstorbenen freisinnigen Stadtammann zu regeln war. Erfüllte das Solothurner Experiment die Hoffnungen einigermassen
[10], so schlug jenes von Bern fehl und deckte problematische Seiten derartiger Doppelkandidaturen auf. Die Auswahl erfolgte hier nämlich stark nach rein wahl- und parteitaktischen Rücksichten. So wurden schliesslich zwei Grossräte von fast gleichem Alter und Beruf auf den Schild erhoben. Als gewichtigerer Unterschied blieb einzig der Wohnort übrig, was mancher Bürger nicht als echte Alternative empfand, weshalb er der Urne fernblieb
[11].
Auch auf einem anderen Sektor erfüllten sich nicht alle Hoffnungen der BGB. Zwar sammelte ihre Jugendfraktion in der kurzen Zeit von gut einem halben Jahr gegen 80 000 Unterschriften für ihre Schulkoordinations-Initiative. Da aber viele weitere bürgerliche Gruppierungen dem Vorstoss ebenfalls Sympathie und Unterstützung zugesagt hatten, blieb nun dieses Ergebnis doch eher unter den Erwartungen und zeigte, dass die Partei nur in verhältnismässig wenigen Kantonen verwurzelt ist und einen grösseren Anhang besitzt. Sie tröstete sich damit, bei einem Aufwand von bloss 35 000 Franken sei hier «die „billigste” Initiative aller Zeiten » zustande gekommen
[12].
[11] Vgl. oben, S. 37; NZ, 162, 10.4.69; NBZ, 77, 2.4.69.
[12] NBZ, 226, 29.9.69. Vgl. oben, S. 138.
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