Année politique Suisse 1969 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau
 
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen und zwischen den Kantonen
Die Bemühungen, auf dem Weg eines kooperativen Föderalismus dringende interkantonale Aufgaben zu lösen, ohne sie dem Bund zu übertragen, ernteten wegen ihres langsamen Fortschreitens vermehrte Kritik [1]. Die 1967 gegründete Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit beschäftigte sich vorwiegend mit der Ausarbeitung von Studien, und ihr erster Präsident, Th. Chopard, vermerkte eine gewisse Ungeduld gegenüber den Kooperationsversuchen der Kantone, wie sie etwa in der Schulkoordinationsinitiative der BGB zum Ausdruck kam. Ein Vorstoss zum Ausbau der Stiftung mit Hilfe einer Verdoppelung der finanziellen Beiträge fand nicht bei allen Kantonen Zustimmung [2]. Besonderes Interesse erregte ein von der Stiftung veranstaltetes Seminar über modernes Management für Regierungsräte [3]. Von verschiedener Seite wurde gewünscht, dass sich der Bund stärker an den interkantonalen Zusammenarbeitsbestrebungen beteilige. Angesichts der hemmenden kantonalen Rivalitäten wurde die Einsetzung einer neutralen Koordinationsinstanz empfohlen, ja der Ständerat als das gegebene Bundesorgan für die Koordinationsaufgabe bezeichnet [4]. Abgesehen von der Förderung des Hochschulausbaus und der Schaffung einer Interkantonalen Mobilen Polizei, wo Bundesbeiträge stimulierend wirken, entwickelte sich die Zusammenarbeit der Kantone namentlich auch im übrigen Bildungswesen und bei der Heilmittelkontrolle; besondere regionale Kontakte pflegten die westschweizerischen Kantone und das Tessin [5].
In einzelnen Antworten zur Totalrevisionsumfrage traten Postulate auf, die auf eine radikalere Änderung der föderativen Struktur der Eidgenossenschaft abzielten : von der Obligatorischerklärung von Konkordaten für eine fernbleibende Minderheit über die Festsetzung gemeinsamer Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Kantonen auf bestimmten Gebieten bis zur Umkehrung der Kompetenzvermutung (Beschränkung der kantonalen Gesetzgebungskompetenz auf abschliessend aufgezählte Bereiche) und zur Abschaffung des Ständerates. Eine grössere Zahl von Stellungnahmen befürwortete eine Regelung für Änderungen im Bestand oder territorialen Umfang der Kantone, wie sie durch die Basler Wiedervereinigungsfrage und den Jurakonflikt nahegelegt wurde [6].
 
[1] NZZ, 305, 21.5.69; 714, 7.12.69; NZ, 467, 12.10.69.
[2] TdG, 90, 18.4.69; Lb, 89, 19.4.69. Im November löste der Genfer Staatsratspräsident G. Duboule Th. Chopard im Präsidium ab. Zur Schulkoordinationsinitiative vgl. unten, S. 138.
[3] NZZ, 654, 2.11.69.
[4] ULRICH HÄFELIN, « Der kooperative Föderalismus in der Schweiz », in Referate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins, 103/1969, S. 549 ff., insbes. S. 731 ff.; Cl. Bonnard in GdL, 289, 11.12.69, u. 290, 12.12.69.
[5] Vgl. Gründung eines Institut romand de recherches et de documentation pédagogiques in Neuenburg (NZZ, 335, 5.6.69), Treffen der Grossratsbüros in Bellinzona (JdG, 239, 14.10.69). Zur Zusammenarbeit im Bildungswesen vgl. unten, S. 138 f. u. 141, bei der Heilmittelkontrolle unten, S. 126, zum Hochschulausbau unten, S. 133, und zur IMP oben, S. 18.
[6] Vgl. oben, S. 11, Anm. 17.