Année politique Suisse 1969 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld und Währung
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Währungspolitik
Das Geschehen auf dem Gebiete der internationalen Währungsordnung war 1969 durch eine Reihe aussergewöhnlicher Ereignisse wie die Abwertung des französischen Franc, die Aufwertung der deutschen Mark, die internationale Zinshausse und strukturelle Neuerungen im Währungssystem gekennzeichnet. Eine solche Neuerung stellte die Einführung der sogenannten Sonderziehungsrechte dar. In dieser umstrittenen Frage konnte zwischen den wichtigsten Industrieländern im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IMF), dem die Schweiz nicht angehört, ein Kompromiss gefunden werden. Man einigte sich darauf, in der Form dieser Ziehungsrechte im Laufe der kommenden drei Jahre neue künstliche internationale Währungsreserven im Umfang von 9,5 Mia Dollar zu schaffen, wobei die Verteilung auf der Grundlage der derzeitigen Quoten des IMF vorgenommen werden soll. Diese Quoten, die nach den Fondssatzungen alle fünf Jahre neu festgesetzt werden müssen, waren allerdings umstritten. Die Länder, die in einer starken wirtschaftlichen Expansion standen, forderten, meist zulasten des amerikanischen Einflusses, eine Erhöhung ihrer Anteile [1]. Stimmen aus unserem Land, das von der Einführung der Sonderziehungsrechte nur indirekt betroffen wird, machten dem neuen. Reservemittel gegenüber Vorbehalte. Es wurde ein zusätzlicher Inflationsschub befürchtet und daran erinnert, dass bestimmte Voraussetzungen zu einer Aktivierung der Sonderziehungsrechte nicht erfüllt seien: einmal sei kein Mangel an internationaler Liquidität festzustellen und zudem sei ein internationales Zahlungsbilanzgleichgewicht kaum hergestellt worden [2].
Von unmittelbarer Bedeutung für die Schweiz waren die Währungsprobleme in Europa. Die Abwertung des französischen Franc um 12,5 % wurde von schweizerischen Wirtschafts- und Finanzkreisen positiv aufgenommen, während der Bundesrat, der weder dramatisieren noch bagatellisieren wollte, den Willen zum, Festhalten an der Frankenparität bekundete [3]. Anlass zu Auseinandersetzungen in unserem Land gaben die Vorgänge um die Mark in Deutschland. Die Bundesrepublik hatte nach einer Schliessung der Devisenbörsen vor den Bundestagswahlen und nach einer kurzfristigen Freigabe der Wechselkurse die Mark schliesslich um 8,5 % aufgewertet [4]. Im Ausland hatten sofort Gerüchte die Runde gemacht, dass als nächste. Währung der Schweizer Franken aufgewertet werde, was indessen vom Bundesrat verschiedentlich dementiert wurde [5]. Damit wurde aber eine ausgiebige Währungsdiskussion in der Öffentlichkeit nicht verhindert. Die Befürworter einer Aufwertung sahen in dieser Massnahme vor allem ein geeignetes Mittel der Konjunkturpolitik, das sich gegen eine importierte Inflation einsetzen lasse. Sie vertraten die Ansicht, dass das Festhalten an der Währungsparität ohne gleichzeitige konjunkturpolitische Eingriffe einer Option für die Anpassungsinflation gleichkomme. Die Aufwertung zwinge zudem zu Produktivitätssteigerungen und banne die Gefahr eines Ausverkaufs schweizerischer Unternehmungen an das Ausland [6]. Die Aufwertungsgegner machten demgegenüber geltend, Paritätsänderungen seien in der Schweiz nach traditionellem währungspolitischem Grundsatz kein Instrument der kurzfristigen Konjunkturpolitik. Sie seien vielmehr als schwerwiegender struktureller Eingriff zu betrachten, der sich nur in Zeiten echten nationalen Notstandes rechtfertigen lasse [7]. Bundesrat Celio begründete das Festhalten an der Frankenparität vor den eidgenössischen Räten, indem er darauf hinwies, dass durch eine Aufwertung gewisse Zweige der Exportindustrie härter getroffen worden wären als andere; Mindereinnahmen im Fremdenverkehr und in der Landwirtschaft hätten zudem regionale Strukturprobleme hervorrufen können. Er kündigte indessen andere konjunkturpolitische Massnahmen an [8].
Eine Schwierigkeit, die Parität des Frankens schlagartig zu verändern, hätte auch darin bestanden, dass diese im Münzgesetz verankert ist. Eine Wechselkursänderung hätte somit eine Gesetzesrevision oder aber einen dringenden Bundesbeschluss mit einer nachgehenden Abstimmung erfordert. Eine Motion Biel (LdU, ZH), die dieses Verfahren vereinfachen und den Bundesrat ermächtigen wollte, auf Empfehlung des Direktoriums und des Bankausschusses der Nationalbank die Goldparität in eigener Kompetenz zu ändern, wurde als Postulat entgegengenommen [9].
 
[1] NZZ, 452, 25.7.69; 459, 29.7.69; 468, 3.8.69; 597, 30.9.69; 600, 1.10.69; 607, 6.10.69; GdL, 232, 6.10.69; vgl. SPJ, 1968, S. 57.
[2] So z. B. A. Sarasin, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung am schweizerischen Bankiertag (NZZ, 595, 29.9.69). Vgl. auch NZZ, 468, 3.8.69; 637, 23.10.69.
[3] NZZ, 485, 11.8.69; GdL, 184, 9./10.8.69; 188, 14.8.69.
[4] GdL, 231, 4./5.10.69; 249, 25./26.10.69; NZZ, 590, 25.9.69; TdG, 228, 30.9.69.
[5] Lb, 231, 4.10.69; NZZ, 609, 7.10.69; 610, 7.10.69; BN, 490, 22./23.11.69; TLM, 327, 23.11.69.
[6] NZZ, 617, 11.10.69; NZN, 250, 28.10.69; NZ, 503, 2.11.69; NZZ, 255, 4.11.69; 666, 9.11.69; Lb, 257, 4.11.69; NZ, 523, 13.11.69; 525, 14.11.69; Bund, 267, 14.11.69; 268, 15.11.69; 282, 2.12.69; Tat, 279, 27.11.69; 299, 20.12.69.
[7] NZZ, 632, 15.10.69; 656, 3.11.69; Tw, 276, 25.11.69; 285, 2.12.69.
[8] Sten. Bull. NR, 1969, S. 964; NZZ, 695, 26.11.69. Vgl. oben, S. 63.
[9] Sten. Bull. NR, 1969, S. 950 ff.; Lb, 257, 4.11.69.