Année politique Suisse 1969 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Familienpolitik
In der Familienpolitik wurde das Bundesgesetz über Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern erneut revidiert. Dabei erfuhren die Kinderzulagen eine Erhöhung um je 5 Franken im Monat, so dass sie hinfort im Unterland 30 Franken und im Berggebiet 35 Franken pro Kind betragen. Umstritten war die Einkommensgrenze, bis zu der die Kleinbauern zulageberechtigt erklärt werden sollten. Während der Bundesrat diese bei einem « reinen Einkommen » von 10 000 Franken festlegen wollte, wurde sie vom Parlament mit knappen Mehrheiten auf 12 000 Franken hinaufgeschoben [25], was den Vorwurf laut werden liess, man betreibe mit dieser Sozialmassnahme Strukturerhaltungspolitik in der Landwirtschaft und schaffe z. B. gegenüber Gewerbetreibenden Ungerechtigkeiten [26]. Die vor allem aus gewerkschaftlichen Kreisen erhobene Forderung nach einer bundesrechtlichen Ordnung der Familienzulagen erhielt auch vom Verband « Pro Familia » Unterstützung [27]. In diesen Kreisen prüfte man die Möglichkeit einer Verfassungsinitiative.
In der seit langer Zeit vorbereiteten Revision des Familienrechts im Zivilgesetzbuch [28] wurde ein neuer Anlauf genommen. Ende 1968 hatte das EJPD die 1957 eingesetzte Studienkommission zu einer repräsentativen Expertenkommission umgebildet. Diese erhielt den Auftrag, den von der früheren Kommission geschaffenen Vorentwurf, über den 1966/67 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt worden war, etappenweise zu überarbeiten und damit dem Bundesrat die Grundlagen zu einzelnen Teilvorlagen zu liefern. Zuerst soll sie sich mit dem Adoptivrecht und dem Recht des ehelichen Kindes befassen. In einer zweiten Etappe wird das Recht des ausserehelichen Kindes zur Überprüfung gelangen, an dritter Stelle wird das Ehegüter- und übrige Eherecht folgen und zum Schluss das Vormundschaftsrecht.
 
[25] BBI, 1969, I, S. 1073; NZZ, 311, 23.5.69. Der StR stimmte am 23.9. mit 22: 18 Stimmen zu (Sten. Bull. StR, 1969, S. 175 ff.; NZZ, 584, 22.9.69), der NR folgte am 25.9. mit 60: 57 Stimmen (Sten. Bull. NR, 1969, S. 567 ff.; NZZ, 590, 25.9.69). Vgl. auch SPJ, 1965, in SJPW, 6/1966, S. 168 f.
[26] Vgl. das Votum von NR Stich (soz., SO) (Sten. Bull. NR, 1969, S. 578).
[27] Diese Forderung wurde namentlich erhoben durch das Bundeskomitee des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes (NZN, 17, 22.1.69), den Ausschuss des Schweiz. Gewerkschaftsbundes (Tw, 148, 28./29.6.69) und « Pro Familia » (Vat., 270, 21.11.69; NZ, 537, 21.11.69). Vgl. auch SPJ, 1968, S. 118.
[28] Vgl. SPJ, 1967, S. 116, u. 1968, S. 118, ferner Gesch. ber., 1968, S. 141, NZZ, 38, 20.1.69, sowie die Antworten des Bundesrates auf eine Kleine Anfrage von NR Haller (BGB, BE) (NZZ, 127, 27.2.69) und auf ein vom NR überwiesenes Postulat Muheim (soz., LU) (Verhandl. B.vers., 1969, I, S. 31; NZZ, 161, 13.3.69).