Année politique Suisse 1969 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Presse
Die Lage der Presse, die im Unterschied zu Radio und Fernsehen vom Staat unabhängig, aber um so mehr dem Einfluss wirtschaftlicher Kräfte ausgesetzt ist, wurde durch einen Bericht der Kartellkommission aufgehellt. Dieser kam in der Frage der wirtschaftlichen Konzentration zum Schluss, dass zwar noch kein Anlass zu ernsthafter Besorgnis bestehe, dass jedoch Tendenzen vorhanden seien, die eine beschleunigte Entwicklung voraussehen liessen. Als Gründe wurden die Kostensteigerung im Druckereigewerbe, die Konkurrenzierung der Zeitungen durch Radio und Fernsehen und insbesondere die Beeinträchtigung ihres Annoncengeschäfts (im Mittel 75 % der Verlagseinnahmen) durch die Gratisanzeiger aufgeführt. Die Kartellkommission forderte die offene Darlegung der Besitzverhältnisse bei den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen und als mögliche Massnahmen Erleichterungen auf dem Gebiet der Posttaxen und der Warenumsatzsteuer für die informative und meinungsbildende Presse. Vor allem jedoch sollte die Selbsthilfe durch Kooperation zwischen verschiedenen Zeitungen intensiviert werden [11]. In diesem Sinne begrüsste die Kartellkommission den Zusammenschluss der sozialdemokratischen Tageszeitungen (mit Ausnahme der « Tagwacht » in Bern) zur « AZ » mit gemeinsamer Zentralredaktion in Zürich und Lokalredaktionen an den Erscheinungsorten [12]. Sie kündigte ausserdem eine Sonderuntersuchung über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Gebiet des Annoncenwesens und allfällige Auswirkungen auf die Pressekonzentration an. Dadurch sah sich der Ringier-Verlag veranlasst, auf ein Projekt, die Wochenzeitschrift « L'Illustré » in .einer Auflage von 460 000 Exemplaren an alle Haushaltungen der Welschschweiz zu verteilen, zu verzichten [13]. Um die Verantwortung der Massenmedien als Vermittler von Information und als Meinungsträger gegenüber der Öffentlichkeit klar und unmissverständlich zu fixieren, legte der Verein der Schweizer Presse seinen Mitgliedern einen Entwurf zu einem Ehrenkodex vor. Das Fehlen von präzisen Sanktionsbestimmungen führte jedoch zur Rückweisung an den Vorstand [14]. Eine Minderheit aus Kreisen der kommerzialisierten Presse sprach sich prinzipiell gegen einen Ehrenkodex aus. Verschiedene Wechsel in den Redaktionen und den Erscheinungsformen der Massenblätter erregten grösseres Aufsehen [15].
 
[11] Vgl. SPJ, 1968, S. 133; Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission; 4/1969, S. 171 ff.
[12] Vgl. Tw, 205, 3.9.69.
[13] Vgl. GdL, 117, 22.5.69; ferner Interpellation NR Freymond (rad., VD), die sich auf das Vorhaben des Ringier-Verlags bezog (TLM, 179, 28.6.69; NZZ, 389, 29.6.69; NZ, 508, 5.11.69).
[14] Vr, 256, 1.11.69; BN, 469, 10.11.69; NZZ, 667, 10.11.69; 678, 16.11.69.
[15] Redaktionswechsel bei der « Weltwoche »: Hans O. Staub neuer Chefredaktor (vgl. Weltwoche, 1845, 21.3.69; 1851, 2.5.69; NZZ, 157, 12.3.69; 579, 19.9.69); Redaktions- und Namenswechsel bei der « Zürcher Woche », neu « Sonntags-Journal »: vier Herausgeber und Miteigentümer (R. Bigler, Fr. Dürrenmatt, M. Kutter und J. R. v. Salis; vgl. Zürcher Woche, 13, 28.3.69; NZZ, 142, 5.3.69; NZ, 135, 23.3.69); Neuausgabe des «Sonntags-Blick» (vgl. NZZ, 182, 24.3.69); Eingehen der « Neuen Presse» (NZZ, 123, 25.2.69; Tw, 46, 25.2.69; Vat., 47, 26.2.69).