Année politique Suisse 1970 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Bürgerrecht
Eine weitere von den politischen Rechten ausgeschlossene Bevölkerungsgruppe bilden die Ausländer; für sie führt normalerweise der Weg zur Gleichberechtigung über den Erwerb des Bürgerrechts. Im Grossen Rat von Baselstadt kam es freilich zu einem Vorstoss für ein politisches Mitbestimmungsrecht der Ausländer im lokalen Bereich, wie es im Kanton Neuenburg schon besteht, aber ohne Erfolg [28]. Das EJPD hatte schon 1965 und 1968 den Kantonsregierungen vorgeschlagen, die Einbürgerung ausländischer Kinder, die in der Schweiz aufgewachsen sind, den Bundesbehörden zu übertragen; die Reaktion war jedoch beidemale mehrheitlich negativ ausgefallen [29]. Im März 1970 unternahm es eine neue Initiative, nach welcher der Vollzug der Einbürgerung den Kantonen verbleiben, diese aber bundesgesetzlich verpflichtet werden sollten, in der Schweiz geborene Ausländer unentgeltlich einzubürgern, wenn sie 5 Jahre lang schweizerische Schulen besucht, 5 Jahre in einer bestimmten Gemeinde gelebt und ihr Gesuch im Alter von 18 bis 22 Jahren gestellt hätten und wenn nichts Schwerwiegendes gegen sie vorläge [30]. Diesmal waren die Antworten der Kantone überwiegend positiv; ein von Prof. J. Fr. Aubert erstelltes Gutachten stellte allerdings fest, dass eine solche Lösung nicht ohne Verfassungsänderung möglich wäre [31]. Die Beschränkung der Frist für die Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs sollte verhindern, dass die Neubürger ihre Militärdienstpflicht in der Schweiz umgehen könnten. Die Tatsache, dass eingebürgerte Italiener nach italienischem Recht in ihrem Geburtsland militärpflichtig bleiben, bot Nationalrat Ketterer (LdU, ZH) Anlass, den Bundesrat aufzufordern, er möge vor dem Abschluss neuer Sozialabkommen mit Italien auf eine Aufhebung dieses Anspruchs dringen. Der Chef des EJPD gab jedoch keine entsprechende Zusicherung und machte geltend, dass die italienischen Behörden in der Praxis grosszügig seien [32]. Gegen Erleichterungen für die Einbürgerung von Ausländern trat die. Nationale Aktion gegen die Überfremdung auf den Plan. In Zürich ergriff sie das Referendum gegen eine neue städtische Bürgerrechtsverordnung, die namentlich für junge ausländische Bewerber weniger strenge Vorschriften enthielt [33].
 
[28] BN, 479, 13.11.70; Volk+Heimat, 4/1970, Nr. 12.
[29] Gesch.ber., 1965, S. 151 f.; 1966, S. 148 f.; 1968, S. 150. Vgl. auch SPJ, 1966, S. 105; 1968, S. 24 f.
[30] NZZ (sda), 143, 27.3.70; Gesch.ber., 1969, S. 95.
[31] Mitteilung des EJPD; vgl. Gesch.ber., 1970, S. 97.
[32] Interpellation Ketterer (NZZ, 262, 10.6.70). Zu den Verhandlungen mit Italien vgl. unten, S. 135 f.
[33] NZZ, 394, 26.8.70; 528, 12.11.70; 578, 11.12.70; AZ, 280, 2.12.70.