Année politique Suisse 1971 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld und Währung
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Währung
Verschiedene schwere Krisen erschütterten 1971 die internationale Währungsordnung. Im Mai ergoss sich infolge der zunehmenden Zahlungsbilanzschwierigkeiten der USA und des Vertrauensschwundes gegenüber dem Dollar eine wahre Dollarflut auf Westeuropa und Japan. Eine von deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten veröffentlichte Konjunkturdiagnose, die in einer Empfehlung zur Freigabe des Wechselkurses der Mark gipfelte, hatte die internationale Spekulationswelle unmittelbar ausgelöst [1]. Eine Reihe von Notenbanken — allen voran die Deutsche Bundesbank, dann aber auch die Schweizerische Nationalbank — sahen sich gezwungen, die Dollarkäufe einzustellen. Im Anschluss an die Schliessung der Devisenmärkte beschloss die Bundesrepublik Deutschland, den Kurs der Mark schwanken zu lassen. Holland folgte diesem Entscheid. Frankreich antwortete mit administrativen Massnahmen. Die EWG konnte sich somit nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.
Nachdem diese Entscheide gefallen waren, beschloss der Bundesrat eine Aufwertung des Schweizer Frankens um 7 % [2]. Aufgrund des neuen Münzgesetzes hatte der Bundesrat die Kompetenz zu diesem Entscheid [3]. Dieser erste Paritätswechsel nach 35 Jahren löste eine Woge von Kommentaren aus. Es wurde zunächst weitgehend anerkannt, der Bundesrat habe sich in einer schwierigen Lage befunden und sei zum Handeln gezwungen gewesen. Aufwertungsbefürworter sprachen von einer «mutigen Tat» des Bundesrates, fürchteten aber, der Aufwertungssatz sei zu gering, als dass von der Massnahme eine konjunkturdämpfende Wirkung ausgehen könne [4]. Die Gegner einer Aufwertung sahen mit der bundesrätlichen Massnahme das Vertrauen in die Stabilität unserer Währung verscherzt, bestritten grundsätzlich die antiinflatorische Wirkung der Aufwertung und sprachen vor allem von langfristigen Nachteilen. Den Währungsbehörden wurde vorgeworfen, sie hätten den Spekulanten geradezu in die Hand gespielt [5]. Bankenvertreter, gewisse Exportindustrien sowie die Fremdenverkehrswirtschaft beklagten sich über die Schwächung ihrer Wettbewerbssituation. Immerhin hielten gemäss einer Umfrage der «Handelszeitung» 90 von 100 befragten Banken die Aufwertung für richtig [6]. Die Konsumentenorganisationen ihrerseits kritisierten, dass die Aufwertung nicht die erwarteten Preissenkungen bei den Importgütern gebracht habe. Sie warfen zudem der Nationalbank vor, sie nütze den Aufwertungsspielraum nicht voll aus und mindere so den Konjunkturdämpfungseffekt [7]. Auf der äussersten Linken schliesslich wies man nicht ohne Schadenfreude auf die « grundlegende Krise des kapitalistischen Systems» hin [8].
Der Bundesrat selbst begründete seinen Beschluss in einem Bericht an das Parlament, indem er darauf hinwies, kurzfristig schütze die Aufwertung die Schweiz vor unerwünschten spekulativen Zuflüssen ausländischen Kapitals und mittelfristig wirke sie der importierten Inflation entgegen [9]. Er beantragte zudem als Teil der sogenannten flankierenden Massnahmen zur Aufwertung [10], in einem dringlichen Bundesbeschluss der Nationalbank die Kompetenz zum Abschluss von Devisentermingeschäften bis zu drei Monaten Laufzeit auf eigene Rechnung einzuräumen. Diese dienen der Kurssicherung von Forderungen und Verpflichtungen in ausländischer Währung [11]. Die eidgenössischen Räte nahmen den Bericht zur Aufwertung zur Kenntnis [12]. Die Kompetenz zu Devisentermingeschäften wurde der Nationalbank' vom Parlament gegen den Widerstand der Landesring-Vertreter erteilt [13].
In der Dezembersession hatten sich die eidgenössischen Räte noch mit der Frage des Aufwertungsverlustes der Nationalbank zu befassen. Dieser betrug 1243 Mio Fr. Die Hälfte davon war auf den Goldbeständen entstanden. Kritisiert wurde aber vor allem, dass auch auf den ausländischen Schatzanweisungen in Schweizer Franken, den sog. Roosa-Bonds, Kursverluste entstanden [14]. Der Bundesrat beantragte, den Verlust durch eine befristete Schuldverpflichtung des Bundes zu decken [15]. Nationalrat Biel (ldu, ZH) bekämpfte diesen Vorschlag mit dem Argument, die Lösung des Bilanzierungsproblems werde lediglich von der Nationalbank auf den Bund verschoben. Er empfahl eine Lösung in der Form einer Wertberichtigungsreserve im Rahmen der Nationalbank selbst. Sein Nichteintretensantrag wurde indessen mit 97 zu 32 Stimmen zurückgewiesen. Im Ständerat passierte die Vorlage oppositionslos [16]. Um das effektive Ausmass eines allfälligen volkswirtschaftlichen Verlustes, der aus der Aufwertung entstehen könnte, entwickelte sich eine wissenschaftliche Diskussion, die sich über ein halbes Jahr erstreckte. Langfristig dürften der schweizerischen Volkswirtschaft, nach diesen Beiträgen zu schliessen, keine Nachteile entstehen [17].
Zu einer weiteren Währungskrise kam es im August. Zunächst erlitt der Dollar einen neuen Schwächeanfall, als der Unterausschuss für Währungsfragen des amerikanischen Kongresses vorschlug, den Dollar abzuwerten [18]. Ausgelöst wurde die Krise durch das von Präsident Nixon angekündigte Sanierungsprogramm für die amerikanische Wirtschaft. Dieses sah insbesondere eine zehnprozentige Importsteuer vor. Gleichzeitig wurde die Einlösungspflicht von Dollars in Gold suspendiert. Diese Massnahme hatte eine Schliessung der internationalen Devisen- und Goldmärkte zur Folge. Die EWG-Länder konnten sich wiederum nicht auf gemeinsame Gegenmassnahmen einigen. Die Schweizerische Nationalbank ihrerseits stellte vorübergehend die Dollarankäufe ein, was einer inoffiziellen Freigabe des Dollarkurses gleichkam. Die Banken beschränkten freiwillig den Devisenhandel; dieser kam aber nicht ganz zum Erliegen. Den dollarwechselnden Touristen wurden einige Erleichterungen eingeräumt. Die Krise zeigte erneut, in welch starkem Ausmass die währungspolitische Handlungsfreiheit durch die internationale Entwicklung beeinträchtigt wird [19].
Eine Lösung der internationalen Währungsprobleme zeichnete sich erst gegen Ende des Jahres ab. Zunächst konnten sich die Finanzminister der EWG auf eine gemeinsame Haltung einigen. Sie befürworteten das Prinzip fester Wechselkurse und eine Ausweitung der Bandbreiten, betrachteten aber eine Neuausrichtung der Paritäten einschliesslich des Dollars als eine Voraussetzung für eine Lösung [20]. Verschiedene Konferenzen der Finanzminister des Zehnerklubs und auch die Jahrestagung der Bretton-Woods-Institute brachten noch keine Annäherung der Standpunkte zwischen den USA und ihren wichtigsten Handelspartnern [21]. Erst die von Nixon im Gespräch mit Pompidou auf den Azoren abgegebene Erklärung, der Dollar werde formell abgewertet, verbesserte die Aussichten auf eine Einigung [22]. Im Dezember kam es schliesslich zum kaum mehr erwarteten Realignment der Währungen, mit dem allerdings nur die unmittelbaren Probleme gelöst, nicht aber ein neues Währungssystem geschaffen wurde. Im Vordergrund stand die Erhöhung des Goldpreises von bisher 35 Dollar auf 38 Dollar pro Feinunze, was einer Abwertung des Dollars. um 7,89 Prozent gleichkam. Die USA erklärten sich zudem bereit, die zehnprozentige Importabgabe fallen zu lassen. Die Bandbreiten wurden von bisher 1 auf 2,25 Prozent erweitert. Die Mark wurde um 4,61 Prozent, der japanische Yen um 7,66 Prozent aufgewertet, die Währungen Frankreichs und Grossbritanniens blieben unverändert, Schweden und Italien werteten um je 1 Prozent ab. Trotz einer anders zu verstehenden Ankündigung des westdeutschen Finanzministers Schiller beliess die Schweiz die Goldparität unverändert. Diese spielte aber, nachdem der Dollar nicht mehr konvertierbar war, eine untergeordnete Rolle. Wesentlich war der neue Mittelkurs für den Dollar, der auf Fr. 3.84 festgesetzt wurde. Der Kurs, der aus der künftigen Goldparität des Dollars resultiert hätte, lag mit Fr. 3.76 noch innerhalb der Bandbreite. Diese vorsichtige Festsetzung des neuen Mittelkurses führte indirekt zu einer Abwertung gegenüber der Mark und dem Yen. Sie verringerte auch den Aufwertungssatz gegenüber dem Dollar [23]. Der Bundesrat erklärte dieses Vorgehen damit, dass die Schweiz in einer Spätphase der Konjunktur stehe. Kritiker interpretierten den Beschluss dahin, der Bundesrat habe zugunsten der Exportindustrie die Wirkung der Aufwertung vom Mai mindern wollen [24].
Zur Eindämmung der durch die Währungsunruhen verursachten Geldzuflüsse aus dem Ausland wurde in der Schweiz ein immer differenzierteres währungspolitisches Instrumentarium bereitgestellt. Zunächst wurde die aufgrund des freiwilligen Rahmenabkommens zwischen der Nationalbank und der Bankiervereinigung in Kraft befindliche Kreditzuwachsbegrenzung der Banken um ein weiteres Jahr bis zum 31. Juli 1972 verlängert. Die besonderen Probleme des Wohnungsbaus und der Infrastruktur wurden insofern berücksichtigt, als die Kreditzuwachsquoten im Hinblick auf diese beiden Bedürfnisse leicht erhöht wurden. Im übrigen entsprach die für das dritte Jahr massgebende Zuwachsquote der bisherigen Jahresquote [25]. Im Anschluss an dieses Abkommen traten die im Auslandgeschäft tätigen Banken einer Vareinbarung bei, die es dem Direktorium der Nationalbank erlaubt, auf dem Zuwachs ausländischer Gelder ausserordentliche Mindestguthaben bis zu 100 Prozent zu erheben und die Verzinsung solcher Gelder zu beschränken oder zu verbieten. Diese Zusatzvereinbarung trat wegen der Währungswirren vorzeitig in Kraft, wobei sofort die maximalen Beschränkungen zur Anwendung gelangten [26]. Schon unmittelbar vorher hatte die Nationalbank eine mit den am Devisenmarkt massgeblich beteiligten Banken vereinbarte Verfügung in Kraft gesetzt, wodurch der Gegenwert von Devisen für die Dauer von zehn Tagen bei der Nationalbank sterilisiert wurde [27]. Zudem vereinbarten die schweizerischen Grossbanken im Einvernehmen mit der Nationalbank, bei einem unter Fr. 3.95 liegenden Dollarkurs spekulationsverdächtige Dollarbeträge nur noch bis zum Gegenwert von 1 Mio Fr. in Schweizer Franken umzutauschen. Diese Annahmebegrenzung konnte im Dezember nur für einige Tage aufgehoben werden [28]. Um in Zukunft noch rascher und wirksamer dem Devisenzustrom begegnen zu können, beantragte der Bundesrat den eidgenössischen Räten den Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses « zum Schutze der Währung ». Dieser ermächtigte den Bundesrat, für die Dauer der gegenwärtigen Währungsunsicherheit in Verbindung mit dem Direktorium der Nationalbank zeitlich begrenzte ausserordentliche Massnahmen, die im Entwurf nicht konkretisiert werden konnten, zu treffen. Es sollte die Rechtsgrundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung von Vereinbarungen zwischen der Nationalbank und einer Mehrheit von Banken geschaffen werden [29]. Die Erteilung dieser Blankovollmacht an den Bundesrat wurde in der öffentlichen Meinung zumeist als notwendig und dringlich akzeptiert [30]. Im Nationalrat freilich kritisierte Furgler (cvp, SG), die Kompetenzdelegation an den Bundesrat gehe weiter als das Vollmachtenregime des Zweiten Weltkrieges. Dem wurde entgegengehalten, es handle sich nur um einen auf die Währungspolitik begrenzten Spielraum. Der Nationalrat beschränkte die Gültigkeitsdauer des Beschlusses definitiv auf drei Jahre und schloss Massnahmen kredit-, produktions-, preis- und lohnpolitischer Art ausdrücklich von der Kompetenzdelegation aus. Anträge, die dem Parlament das Recht der Mitsprache oder gar der nachträglichen Genehmigung der bundesrätlichen Beschlüsse hätten einräumen wollen, lehnten beide Kammern dagegen ab [31].
 
[1] Die Schweizerische Nationalbank hatte in 6 Wochen 1,3 Mia, am Morgen vor der Einstellung des Ankaufs 600 Mio Dollar entgegenzunehmen. Vat., 104, 6.5.71; Ostschw., 104, 6.5.71; NZZ, 207, 6.5.71.
[2] Österreich wertete gleichzeitig um 5,05 % auf. TdG, 105, 7.5.71; 106, 8./9.5.71; JdG, 107, 10.5.71; NZZ, 213, 10.5.71.
[3] HUGO SIEBER, « Die währungspolitischen Möglichkeiten auf Grund des neuen schweizerischen Münzgesetzes », in Wirtschaft und Recht, 23/1971, S. 220 ff.
[4] Bund, 107, 10.5.71; BN, 191, 10.5.71; 195, 12.5.71; Tat, 109, 11.5.71; gk, 19, 13.5.71.
[5] TdG, 107, 10.5.71; NZZ, 241, 27.5.71; Bund, 120, 26.5.71; NZZ, 282, 21.6.71 (Kritik von M. Schmidheiny); NZZ, 304, 4.7.71 (Entgegnung aus Exportindustriekreisen).
[6] GdL, 108, 10.5.71; TA W, 20, 18.5.71; TdG, 108, 11.5.71; AZ, 108, 11.5.71; Umfrage durch Schweizerische Handelszeitung, 38a, 28.9.71.
[7] Bund, 109, 12.5.71; 149, 30.6.71; NZZ (upi), 225, 17.5.71; Lb, 114, 19.5.71; 143, 24.6.71; 153, 6.7.71; AZ, 223, 24.9.71.
[8] VO, 105, 10.5.71; 107, 12.5.71; 114, 21.5.71.
[9] BBI, 1971, I, S. 1272 ff.
[10] Vgl. oben, S. 69 f.
[11] BBl, 1971, I, S. 1287 ff.
[12] Sten. Bull. StR, 1971, S. 308 ff.; Sten. Bull. NR, 1971, S. 750 ff.
[13] Sten. Bull. StR, 1971, S. 320 ff., 450, 474; Sten. Bull. NR, 1971, S. 750 ff., 902, 961.
[14] NZZ, 304, 4.7.71; 326, 16.7.71.
[15] BBl, 1971, II, S. 1480 ff.
[16] Sten. Bull. NR, 1971, S. 1481 ff.; Sten. Bull. StR, 1971, S. 864 ff.
[17] Bund, 140, 20.6.71; JdG, 203, 1.9.71; NBüZ, 226, 2.8.71; NZZ, 328, 18.7.71; 370, 11.8.71, 398, 27.8.71; 405, 1.9.71; 443, 23.9.71; Schweiz. Handelszeitung, 31, 5.8.71.
[18] NZZ, 368, 10.8.71.
[19] NZZ, 379, 17.8.71; 382, 18.8.71; 388, 22.8.71; 391, 24.8.71; 392, 24.8.71, 393, 25.8.71; JdG, 194, 21./22.8.71; NZ, 382, 22.8.71; 386, 24.8.71.
[20] NZZ, 428, 14.9.71; JdG, 214, 15.9.71.
[21] London : NZZ, 431, 16.9.71; 433, 17.9.71; 434, 17.9.71; 436,19.9.71; Washington: NZZ, 449, 27.9.71; 450, 28.9.71; 453, 29.9.71; 460, 4.10.71; Rom: NZZ, 563, 2.12.71.
[22] JdG, 292, 15.12.71; 293, 16.12.71.
[23] NZZ, 592, 20.12.71; 593, 20.12.71; 594, 21.12.71; 600, 24.12.71; JdG, 296, 20.12.71; GdL, 297, 21.12.71; Vat., 296, 21.12.71.
[24] Tat, 300, 22.12.71; AZ, 298, 21.12.71; TA 298, 21.12.71; NZ, 590, 22.12.71; BN, 553, 31.12.71.
[25] NZZ, 90, 24.2.71; 158, 5.4.71; Gegen diese Politik wehrte sich die Schweizerische Gewerbe-Zeitung (13, 26.3.71).
[26] NZZ, 352, 1.8.71; 353, 2.8.71; 357, 4.8.71; 376, 15.8.71; 400, 29.8.71; BN, 345, 19.8.71; Vat., 192, 20.8.71.
[27] NZZ, 367, 10.8.71.
[28] NZZ, 397, 27.8.71; 567, 5.12.71; 572, 8.12.71.
[29] BBI, 1971, I, S. 837 ff.; NZ, 414, 9.9.71.
[30] Lb, 209, 9.9.71; JdG, 211, 11./12.9.71; BN, 382, 11./12.9.71.
[31] Der NR nahm die Vorlage mit 125 Stimmen gegen die Stimme von J. Schwarzenbach (Sten. Bull. NR, 1971, S. 1036 ff., 1190 ff., 1395); der StR mit 38 zu 0 Stimmen an (Sten. Bull. StR, 1971, S. 557 ff., 597, 632, 663).