Année politique Suisse 1971 : Infrastruktur und Lebensraum / Energie / Erdöl und Erdgas
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Erdgas
Entscheidende Schritte wurden zur Versorgung des Landes mit Erdgas getan. Im August konnte der Gasverbund Mittelland damit beginnen, die Bezüger der Region Basel mit Naturgas aus Frankreich zu beliefern [27]. Neue Perspektiven eröffneten sich, da die SNAM, eine Tochtergesellschaft der ENI, die schon den Bau der Erdölleitung Genua-Ingolstadt veranlasst hatte, sich 1970 für die Erstellung einer besonderen Rohrleitung von Oberitalien zu den holländischen Erdgasfeldern entschieden hatte. Die schweizerische Gaswirtschaft hatte sich, von den Bundesbehörden unterstützt, in die Verhandlungen eingeschaltet, und im Februar 1971 konnte ein Vertrag über Bau und Betrieb des schweizerischen Teilstücks abgeschlossen werden, welcher der Schweiz ein festes Transportrecht einräumte. Der Bundesrat erklärte sich bereit, die erforderliche Konzession zu erteilen, als deren Träger nach Rohrleitungsgesetz freilich nur eine Gesellschaft mit schweizerischer Kapitalmehrheit in Betracht kommt [28]. Auf Anregung des EVED schlossen sich darauf die drei bestehenden Gasverbünde (Mittelland, Ostschweiz und Gaznat) mit dem Verband schweizerischer Gaswerke zu einer Aktiengesellschaft für Erdgas zusammen, die bereits im Juni mit der SNAM die Transitgas AG als mehrheitlich schweizerische Trägergesellschaft für das Teilstück zwischen Möhlin (AG) und dem Griespass gründete [29]. Da die ausländischen Interessenten eine Inbetriebnahme der Leitung vor Ende 1973 vorgesehen hatten, wurde mit den Bauvorbereitungen schon vor Erteilung der Konzession begonnen, was insbesondere im Haslital (BE) einige Opposition in der Bevölkerung auslöste [30].
Die Aussicht auf einen infolge günstiger Transportverhältnisse relativ billigen und ausserdem von Umweltschutzauflagen weniger belasteten Energieträger, der zudem die wegen Verzögerung des Atomkraftwerkbaus drohende Versorgungslücke zu überbrücken versprach, liess das Interesse an Gasbezügen sprunghaft ansteigen, so dass die Gaswirtschaft, die eben noch um ihre Existenz gebangt hatte, nun plötzlich bremsen und vor übertriebenen Erwartungen warnen musste [31]. Die Befriedigung der anschwellenden Nachfrage liess beträchtliche Investitionen notwendig erscheinen. So wandte sich die schweizerische Gaswirtschaft an den Bund um Subventionen für die Suche nach geeigneten unterirdischen Lagerstätten für die Gasspeicherung. Ein Vemehmlassungsverfahren zeitigte aber seitens der Verbände überwiegend negative Reaktionen [32].
 
[27] NZZ, 403, 31.8.71.
[28] NZZ, 157, 4.4.71; 160, 6.4.71.
[29] NZZ (sda), 166, 11.4.71; 293, 28.6.71.
[30] Bund, 168, 22.7.71; 204, 2.9.71; TA, 195, 23.8.71; NZ, 397, 31.8.71. Vgl. Konzessionsgesuch in BBI, I, S. 1582 f.
[31] NZZ, 251, 3.6.71; TA, 224, 25.9.71. In der Elektrizitätswirtschaft wurde der Bau von thermischen Kraftwerken mit Erdgasbetrieb erwogen (NZZ, 160, 6.4.71).
[32] Gesch.ber., 1971, S. 250; TA, 160, 13.7.71; Ostschw., 245, 20.10.71.