Année politique Suisse 1971 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Agglomerationsverkehr
Die
Forderung nach Bundeshilfe für Anlagen des öffentlichen Agglomerationsverkehrs wurde erneut vorgetragen, vor allem von Vertretern der Region Zürich, in der besonders kostspielige Verkehrsbauten geplant sind. Ein Postulat Bieri (fdp, ZH), das Bundesbeiträge in der Grössenordnung der Subventionen für interkantonale Flughäfen (30-35 %) verlangte, wurde von Bundesrat Bonvin zurückhaltend aufgenommen; der Chef des EVED gab zu bedenken, dass eine massive Bundeshilfe für den Agglomerationsverkehr eine Art Finanzausgleich zugunsten wirtschaftlich starker Regionen bedeuten würde
[5]. Als aber Vertreter des Kantons und der Stadt
Zürich darauf im EVED vorsprachen, stellte ihnen der Departementschef ein Subventionierungsgesetz auf 1973 in Aussicht. Einen zürcherischen Vorschlag, dass der Bund und die SBB mindestens die volle Finanzierung der sog. Zürichberglinie, einer Schnellbahnverbindung zwischen dem Stadtzentrum und dem östlich der Stadt gelegenen Raum, übernehmen sollten, nahm der Bundesrat zur Prüfung entgegen
[6]. Die Zürcher Regierung legte ihrerseits einen Verfassungsartikel und ein Gesetz vor, die auf Kantonsebene eine Förderung des öffentlichen Verkehrs einschliesslich der Verpflichtung der Gemeinden zur Beteiligung an regionalen Verkehrsunternehmungen ermöglichen sollen; auf Opposition stiess dabei namentlich die grundsätzliche Feststellung, dass der Betrieb solcher Unternehmungen normalerweise selbsttragend zu sein hätte
[7]. Die Stadtexekutive versuchte den Bau der Untergrundbahn Kloten-Stadtzentrum-Dietikon zu forcieren, indem sie schon vor der Abklärung der Kostenverteilung auf die verschiedenen Träger einen Kredit von 1043 Mio Fr. für das Gesamtprojekt beantragte
[8]. Die klare Zustimmung der städtischen Stimmbürger zur vorzeitigen Erstellung eines kleinen Teilstückes wurde als günstiges Vorzeichen gewertet
[9]. Umstritten war dagegen in der Zürcher Verkehrsplanung die Frage, ob die vorgesehene Einführung der Nationalstrassen ins Stadtzentrum (Expressstrassen-Y) zu verantworten sei
[10].
Entschiedene Förderung erfuhr die Verkehrsplanung auch in der
Region Basel. Auf basellandschaftliche Initiative wurde ein Verkehrsverbund konzipiert, der für alle Verkehrsbetriebe der Region einschliesslich SBB und PTT einen gemeinsamen Tarif, eine koordinierte Linienführung und Fahrplangestaltung sowie eine kostengebundene Verteilung der Einnahmen bringen soll. Als Grundlage für die Durchführung wurde eine vertragliche Verbindung der betroffenen fünf Kantone vorgesehen. Die Regierungsvertreter von Baselstadt und Baselland stimmten dem Projekt zu
[11]. In Baselstadt nahm sodann der Grosse Rat nach langen Kommissionsberatungen zu einem Regierungsantrag von 1968 Stellung, der Kredite, für den weiteren Ausbau einer Ringstrasse um die Innenstadt (Cityring) sowie die unterirdische Führung einiger Strassenbahnstrecken anbegehrt hatte. Er befürwortete grundsätzlich die Freihaltung der City vom privaten Motorfahrzeugverkehr durch den Bau einer Ringstrasse und ebenso die Benützung der zweiten Ebene für den öffentlichen Verkehr, verlangte aber die Prüfung von Varianten
[12]. Die baselstädtischen Behörden befreiten zudem die Basler Verkehrsbetriebe durch eine Revision des Organisationsgesetzes von der Verpflichtung, sich durch kostendeckende Tarife selbst zu erhalten. Das 1969 von progressiven Jugendorganisationen eingereichte Volksbegehren für ein « Gratistram » empfahlen sie jedoch abzulehnen
[13]. Dafür kam in Genf eine aus Umweltschutzkreisen lancierte Gesetzesinitiative zustande, welche die kostenlose Beförderung durch öffentliche Verkehrsmittel anstrebte. Sie erhielt die Unterstützung mehrerer Parteien
[14]; jedoch der Staatsrat, in dessen Kompetenz die Angelegenheiten der Strassenbahngesellschaft liegen, zog ihre Verfassungsmässigkeit in Zweifel und hiess zur Vermeidung eines allzu grossen Defizits eine kräftige Tariferhöhung gut
[15]. Auch in andern Städten äusserte sich ein geschärftes Umweltbewusstsein in Entscheiden der Stimmbürger zu Verkehrsvorlagen
[16].
[5] Sten. Bull. NR, 1971, S. 525 ff. Bundessubventionen befürworteten auch der Verband Schweiz. Transportunternehmungen des öffentlichen Verkehrs (VST) (LITRA, Jahresbericht 1970/71, S. 74 f.; Bund, 262, 9.11.71) und SBB-Generaldirektor K. Wellinger (Bund. 235, 8.10.71). Vgl. SPJ, 1970, S. 104 f.
[6] NZZ, 304, 4.7.71; 498, 26.10.71. Vgl. SPJ, 1970, S. 105.
[8] NZZ, 107, 5.3.71; 111, 8.3.71.
[9] NZN, 61, 15.3.71; NZZ, 123, 15.3.71; vgl. SPJ, 1970, S. 105.
[10] Vgl. unten, S. 103 f.
[11] NZ, 378, 19.8.71; 566, 8.12.71; NZZ, 600, 24.12.71.
[12] NZ, 207, 9.5.71; BN, 380, 10.9.71; 401, 24.9.71. Vgl. SPJ, 1968, S. 92.
[13] BN, 484, 16.11.71; 533, 17.12.71; NZ, 529, 16.11.71. Vgl. SPJ, 1969, S. 97 u. 156.
[14] Text: VO, 125, 4.6.71. Unterstützende. Parteien: SP (JdG, 145, 25.6.71), Landesring und — mit Vorbehalt — CVP (JdG, 148, 29.6.71), PdA (VO, 177, 4.8.71). Einreichung (14 500 Unterschriften): JdG, 198, 26.8.71. Vgl. unten, S. 166.
[15] TdG, 247, 23./24.10.71; JdG, 247, 23./24.10.71.
[16] Ablehnung eines Anschaffungskredits für Autobusse in Bern (Bund, 67, 22.3.71), Bevorzugung einer reduzierten Anschaffungsvariante in Winterthur (Lb, 128, 7.6.71).
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