Année politique Suisse 1971 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
PTT
Bei den PTT-Betrieben ging der Reingewinn 1970 auf 15,8 Mio Fr. zurück [60]. Da namentlich eine weitere Zunahme der Personalkosten zu erwarten war, wurden verschiedene Tariferhöhungen vorgenommen oder in die Wege geleitet. In eigener Kompetenz setzte der Bundesrat auf Neujahr 1972 die Telefonabonnements- und Telegrammtaxen herauf [61]. Parallel mit den Tarifen der Bahnen erfuhren auch diejenigen der Reise- und Güterpost eine Steigerung [62]. Für die Posttaxen, zu deren Festsetzung die eidgenössischen Räte zuständig sind, schlugen die PTT-Organe allgemein eine Erhöhung, insbesondere aber die Vereinheitlichung von Brief- und Kartentarif sowie die Einführung einer Tarifierung der Briefe, Drucksachen und Warenmuster nach Format vor [63]. Da die Posttaxenrevision, von der die PTT 200 Mio Fr. Mehreinnahmen erwarteten, sich nicht vor 1973 auswirken kann, rechnete das Budget für 1972 mit einem Reinverlust von 87,5 Mio Fr. Als Ausweg ans einem allfälligen Notstand wurde bereits eine Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch den Bund genannt [64]. Anderseits versuchten die PTT, ihren Schwierigkeiten auch durch Reorganisationsmässnahmen beizukommen [65]. Schon 1970 hatte der Präsident der Generaldirektion, M. Redli, die Frage einer Verselbständigung der Besoldungsordnung von PTT und SBB aufgeworfen. Eine Motion von Ständerat Honegger (fdp, ZH) zielte vorerst auf erweiterte Kompetenzen des PTT-Verwaltungsrates ab, um eine elastischere Personalrekrutierung zu ermöglichen; sie erregte jedoch in gewerkschaftlichen Kreisen Opposition [66]. In Zürich gerieten die PTT beim Ausbau ihrer Anlagen in einen Konflikt mit der betroffenen Bevölkerung und der Stadt, die sich der Enteignung von Wohnhäusern für die Errichtung eines Fernbetriebszentrums der Kreistelefondirektion widersetzten. Der Bundesrat, der das Enteignungsrecht bereits zugestanden hatte, zögerte angesichts des Widerstandes, die Enteignung auszusprechen [67].
Aufgrund von neuen Vereinbarungen des Weltpostkongresses von 1969 in Tokio, welche die eidgenössischen Räte genehmigten, revidierte der Bundesrat die Auslandposttaxen, wobei er die Erhöhung für leichte Briefe durch, die Einführung eines ermässigten Europatarifs kompensierte [68]. Obwohl Bern Gründungsort und Sitz des Weltpostvereins ist, sprach die Landesregierung auf Vorschlag der PTT die Durchführung des Jubiläumskongresses von 1974 der Stadt Lausanne zu; die Begründung, dass Bern noch kein genügendes Kongresszentrum besitze und die Errichtung eines solchen durch den Baubeschluss in Frage gestellt sei, wurde in bernischen Kreisen unter Protest zurückgewiesen [69].
 
[60] BB1, 1971, I, S. 1495. Budgetiert waren 60,1 Mio Fr. (Voranschl. Eidg., 1970, S. 89 ff.). 1969 betrug der Reingewinn noch 51,2 Mio Fr. (SPJ, 1970, S. 111).
[61] AS, 1971, S. 1401 f.
[62] NZZ (sda), 502, 28.10.71; vgl. oben, S. 107.
[63] NZZ (sda), 470, 9.10.71; vgl. BBI, 1972, I, S. 445.
[64] BBl, 1971, II, S. 2010 f. Vgl. Erklärungen des Präsidenten M. Redli am Jahresschlussrapport der PTT (NZZ, sda, 580, 13.12.71).
[65] NZZ, 14, 11.1.71; 94, 26.2.71.
[66] Erklärung M. Redlis: NZN, 274, 23.11.70. Motion Honegger: Sten. Bull. StR, 1971, S. 695 ff. Zur Opposition vgl. Schweiz. Beamten-Zeitung, 1, 13.1.72.
[67] TA, 179, 4.8.71; 270, 18.11.71 (Motion des Zürcher Gemeinderates); 278, 27.11.71; 306, 31.12.71; AZ, 272, 20.11.71; NZZ, 129, 16.3.72. Vgl. Motion Schütz (sp, ZH): Verhandl. B.vers., 1971, V, S. 39.
[68] Vereinbarungen des Weltpostkongresses: BBI, 1970, II, S. 765 ff.; NZZ, 584, 15.12.70 (NR); Sten. Bull. StR, 1971, S. 31 ff. — Taxrevision: AS, 1971, S. 690 ff.
[69] NZZ (sda), 140, 25.3.71; Bund, 157, 9.7.71; 158, 11.7.71. Vgl. oben, S. 69 f.