Année politique Suisse 1971 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Schiffahrt
Die Frage der
Binnenschiffahrt trat insofern in eine neue Phase, als der Bundesrat nun den Ergänzungsbericht vorlegte, der von der Ständeratskommission, die den Schiffahrtsbericht von 1965 vorzuberaten hatte, seinerzeit verlangt worden war. Dieser Ergänzungsbericht enthielt im wesentlichen eine Beantwortung von 60 Fragen der Ständeratskommission, einen auf Wunsch dieser Kommission ausgearbeiteten Bericht von drei neutralen Experten, die Stellungnahmen sämtlicher Kantone zu den verschiedenen Berichten und speziell zur Frage der Freihaltung von Hochrhein und Aare sowie ein vom Battelle-Institut im Auftrag der Schifffahrtsfreunde erstelltes Gutachten. Einen konkreten Antrag an das Parlament stellte der Bundesrat jedoch nicht. Er erklärte sich bloss bereit, die Probleme der Schiffahrt im Rhein—Rhone-Bereich weiter abzuklären und insbesondere zur Freihaltungsfrage eine materielle Stellungnahme auszuarbeiten; ausserdem kündigte er eine Vorlage über den Bau einer zweiten Rheinschleuse bei Birsfelden (BL) an
[70]. Der neue Bericht wurde von Befürwortern der Binnenschiffahrt als kleiner Fortschritt, von den Gegnern als verhüllte Absage oder auch als Ausdruck mangelnder Entschlussfähigkeit bewertet
[71]. Der Ständerat nahm im Oktober von ihm Kenntnis und überwies mit knappem Mehr eine Motion der vorberatenden Kommission, die vor allem verlangte, dass der Bundesrat innert zweier Jahre ein Freihaltungsgesetz für Hochrhein und Aare vorlege
[72]. Die zuständige Nationalratskommission kam mit der Vorberatung vor Jahresende noch zu keinem Abschluss
[73]. In der Ostschweiz äusserte sich eine verbreitete Abneigung gegen den Ausbau der Binnenschiffahrt in einer verschärften Opposition gegen eine Regulierung des Bodensees, über welche die Schweiz mit Deutschland und Österreich Besprechungen aufgenommen hatte. Das mit Hoch- und Niederwasserschäden begründete Regulierungsprojekt wurde als Vorstufe zu einer Schiff barmachung des Hochrheins interpretiert. Im Thurgau kam eine Verfassungsinitiative zustande, die den Kanton zur Erhaltung des natürlichen Seeabflusses verpflichten will
[74].
[70] BBI, 1971, II, S. 1 ff. Vgl. SPJ, 1965, in SJPW, 6/1966, S. 185 f.; SPJ, 1967, S. 91; 1968, S. 93 f.; 1969, S. 103; 1970, S. 112 f.
[71] Befürworter: GdL, 181, 6.8.71; TLM, 220, 8.8.71. Gegner: NZ, 355, 6.8.71; Bund. 193, 20.8.71.
[72] Sten. Bull. StR, 1971, S. 639 ff. Die Motion erhielt ein Mehr von 17:13.
[73] NZZ (sda), 549, 24.11.71.
[74] NZZ. 18, 13.1.71; NZZ (sda), 157, 4.4.71; 595, 21.12.71; Lb, 112, 17.5.71; 267, 16.11.71; Gesch.ber., 1971, S. 244.
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