Année politique Suisse 1971 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Luftverkehr
Die Entwicklung des Luftverkehrs stand im Zeichen der Inbetriebnahme erster Grossflugzeuge vom Typ Boeing-747 (Jumbo-Jet) durch die Swissair. Die nationale Luftfahrtgesellschaft vermochte mit diesem Schritt ihren Reingewinn trotz Aufwertungsverlusten weiter zu steigern, ein Ergebnis, zu dem allerdings auch Rationalisierungsmassnahmen (Personalreduktion, Aufhebung unrentabler Strecken wie zum Beispiel die Bedienung Berns) beitrugen. Wiederum nahm sie eine Kapitalerhöhung vor, ,die grösste in ihrer 40jährigen Geschichte
[75]. Die angestrebte Betriebsgemeinschaft mit den defizitären Austrian Airlines (AUA) scheiterte, da Österreich aufgrund seiner Gesetzgebung in der gemeinsamen Organisation ein verbindliches Mitspracherecht beanspruchte, die Swissair aber mit Rücksicht auf ihre finanzielle Verantwortung ein solches ablehnte. Somit blieb es bei einer technischen Zusammenarbeit
[76].
Die Schweiz, die 1969 und 1970 von Anschlägen gegen die Sicherheit der Luftfahrt betroffen worden war, beteiligte sich an internationalen Bestrebungen, wirksamere Rechtsgrundlagen für die Bekämpfung der Luftpiraterie zu schaffen. Bereits 1970 hatten die eidgenössischen Räte ein Abkommen aus dem Jahre 1963 gutgeheissen, das die gerichtliche Zuständigkeit regelte und den Kommandanten eines bedrohten Flugzeuges zu Sicherheitsvorkehrungen ermächtigte
[77]. 1971 genehmigten sie eine weitere Übereinkunft aus dem Jahre 1970, welche die Vertragspartner zu gegenseitiger Rechtshilfe, zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes und in Fällen, da sie einen Luftpiraten nicht ausliefern wollen, zu eigenen strafrechtlichen Massnahmen verpflichtet
[78]. Ein Vorschlag, die Schweiz solle sich für die Errichtung eines internationalen Gerichtshofes für Luftfahrtsdelikte einsetzen, stiess beim Bundesrat dagegen auf Skepsis
[79]. Angesichts des Rückgangs der Flugzeugentführungen wurde im September die militärische Bewachung der Flughäfen Kloten und Cointrin von weniger auffälligen Sicherheitsmassnahmen abgelöst
[80].
Für die 1970 angekündigte
Revision des Luftfahrtgesetzes legte der Bundesrat im Februar einen Entwurf vor. Dieser enthielt namentlich ein Verbot des Fliegens mit Überschallgeschwindigkeit in der Zivilluftfahrt, eine Ermächtigung des Bundesrates zum Erlass von Bau- und Nutzungsbeschränkungen im Umkreis von Flugplätzen (Lärmzonen) sowie eine Rechtsgrundlage für Massnahmen der kantonalen Polizei zur Verhinderung von Anschlägen. Die Schaffung von Lärmzonen sollte an die Kantone delegiert werden können. An der Freiheit des inländischen Bedarfsluftverkehrs hielt der Entwurf fest
[81]. Beide Räte stimmten diesen Neuerungen zu, wobei auf Verlangen des Nationalrats noch eine Ausscheidung von Ruhezonen im Gebirge, die nicht überflogen werden dürfen, vorgesehen wurde. Die Aufnahme eines Nachtflugverbotes drang dagegen nicht. durch
[82]. Die 1969 lancierte Verfassungsinitiative gegen den Überschallknall konnte im März eingereicht werden; ihre Urheber sagten jedoch zu, dass sie das Volksbegehren nach Ablauf der Referendumsfrist für die Revision des Luftfahrtgesetzes zurückziehen würden
[83].
Um den Aus- bzw. Neubau von
Grossflugplätzen fanden weitere Auseinandersetzungen statt. Das Referendum gegen einen Kredit für den Flughafen Cointrin, das Ende 1970 im Kanton Genf lanciert worden war, blieb zwar erfolglos, doch erhielt die Vorlage bloss ein Zufallsmehr, was nicht zu weiteren Ausbauplänen ermutigte
[84]. Da der nächtliche Fluglärm eine Hauptursache der starken Opposition gewesen war, einigte man sich im Genfer Grossen Rat bereits im Sommer auf ein gesetzliches Nachtflugverbot, zu dessen Erlass freilich der Kanton Genf die Befugnis so wenig besass wie der Kanton Zürich
[85]. Das Eidg. Luftamt, das schon 1968 durch eine Verordnung des Bundesrates verpflichtet worden war, in seiner Genehmigungspraxis auf eine Verminderung der An- und Abflüge zwischen 22 und 6 Uhr hinzuwirken, fasste nun die Einführung einer Nachtflugsperre für Kloten und Cointrin ins Auge
[86]. Das Projekt eines Pistenausbaus auf dem Flughafen Basel-Mülhausen, für das der Grosse Rat von Baselstadt einen Kredit von 26 Mio Fr. bewilligte, scheiterte in der Volksabstimmung; von verschiedener Seite, u. a. von der PdA, wurde dagegen das Referendum ergriffen, und Verfechter des Umweltschutzes bekämpften die Vorlage wegen des Fehlens eines Nachtflugverbots
[87]. Flughafenfreundliche Kreise forderten deshalb nach der Abstimmung die Kantonsregierung auf, für ein solches Verbot einzutreten, zu welchem freilich nicht nur eidgenössische, sondern auch französische Instanzen ihre Zustimmung geben müssten
[88]. Die Frage eines Grossflugplatzes im Kanton Bern blieb in der Schwebe, da der Bundesrat im Juni die bemische Regierung ersuchte, vor weiteren Schritten den Bericht über seine neue Flughafenkonzeption abzuwarten
[89]. Inzwischen stellte die Swissair den Linienverkehr mit Bern ein und eröffnete für die Bundesstadt gemeinsam mit PTT und SBB einen Buszubringerdienst nach Kloten
[90].
[75] NZ, 124, 17.3.71; BN, 129, 27./28.3.71; Tat, 202, 28.8.71; NZZ, 400, 29.8.71; 118, 10.3.72. Zur Aufwertung vgl. oben, S. 74 ff. Vgl. auch SPJ, 1970, S. 113.
[76] Tat, 169, 21.7.71; TA, 200, 28.8.71; NZZ, 400, 29.8.71. Vgl. SPJ, 1970, S. 113.
[77] BBl, 1970, I, S. 33 ff.; NZZ, 274, 17.6.70 (StR); 471, 10.10.70 (NR). Vgl. SPJ, 1969, S. 44 f.; 1970, S. 42 f.
[78] BBl, 1971, I, S. 302 ff.; Sten. Bull. NR, 1971, S. 394 f.; Sten. Bull. StR, 1971, S. 274.
[79] Postulat Arnold (sp, ZH): Sten. Bull. NR, 1971, S. 395 ff.
[80] TA, 203, 1.9.71; TdG, 203, 1.9.71; NZZ, 407, 2.9.71; vgl. SPJ, 1970, S. 52.
[81] BBI, 1971, I, S. 266 f. Vgl. SPJ, 1970, S. 113 f.
[82] Sten. Bull. NR, 1971, S. 630 ff., 1419 ff.; Sten. Bull. StR, 1971, S. 578 ff., 858 f. Definitiver Text: BBl, 1971, II, S. 1988 ff.
[83] BBI, 1971,I , S. 653 f.; Sten. Bull. NR, 1971, S. 641. Vgl. SPJ, 1969, S. 105. Die Initiative erhielt 64 929 Unterschriften.
[84] Die Abstimmung vom 7.2. ergab 34 583 Ja und 34 259 Nein (TdG, 31, 8.2.71; 32, 9.2.71; 34, 11.2.71). Vgl. unten, S. 166, u. SPJ, 1970, S. 114 f.
[85] Vgl. unten, S. 166, u. SPJ, 1970, S. 114.
[86] NZZ, 462, 5.10.71; Gesch.ber., 1971, S. 241.
[87] Die Abstimmung vom 26.9. ergab 21 329 Ja und 25 547 Nein. Vgl. unten, S. 165.
[89] TdG, 147, 28.6.71; NZZ, 412, 5.9.71; Bund, 265, 12.11.71. Vgl. SPJ, 1970, S. 115.
[90] Bund, 155, 7.7.71; 250, 26.10.71.
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