Année politique Suisse 1971 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
Arbeitszeit
In diesem einer Inflationsbekämpfung nicht gerade förderlichen Prozess hatte der Vorschlag des Präsidenten des Vororts, E. Junod, der einen Lohnstop sowie eine Verlängerung der Arbeitszeit als Bremsen forderte, keine reellen Aussichten auf Zustimmung
[42]. Auch eine dringliche Kleine Anfrage Albrecht (cvp, NW) postulierte. eine allgemeine Arbeitszeitverlängerung als Mittel im Kampf gegen die Teuerung. Der Bundesrat lehnte eine solche jedoch ab; er hielt indessen eine Verlängerung der innerhalb des gesetzlichen Rahmens bestehenden Arbeitszeitreserven für möglich und wünschenswert
[43]. Diesen Vorstössen diametral entgegengesetzt war die im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen von den «Progressiven Organisationen» der Schweiz (POCH) lancierte Initiative, welche die maximale Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche beschränken wollte
[44]. Arbeitgeberkreise lehnten diesen « Frontalangriff auf die Wirtschaft » entschlossen ab
[45]. Aber auch von gewerkschaftlicher Seite wurden Vorbehalte angemeldet
[46]. — Inzwischen hatte der Bundesrat die Revision des Arbeitszeitgesetges für Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs verabschiedet
[47], die seit 1957 hängig und im Vorjahr den Wirtschaftsorganisationen zur Vernehmlassung unterbreitet worden war
[48]. Die Vorlage fand in beiden Kammern Annahme
[49]. Das neue Arbeitszeitgesetz, welches jenes aus dem Jahre 1920 ersetzte, brachte als gewichtigsten Fortschritt den Übergang von der (durchschnittlich gerechneten) 48- zur 44-Stunden-Woche in drei Etappen. Für alle Arbeitnehmer der betreffenden Dienste wurde die Feriendauer auf drei Wochen ausgedehnt und vom 55. Altersjahr an eine fünfte Ferienwoche gewährt
[50]. In verschiedenen Kantonen wurden die gesetzlichen Ferienminima verlängert oder entsprechende Initiativen lanciert
[51]. Nachdem in der Privatwirtschaft schon seit einigen Jahren die gleitende Arbeitszeit mit günstigen Resultaten eingeführt worden war
[52], unterbreitete der Föderativverband dem Bundesrat einen entsprechenden Antrag, der jedoch verworfen wurde
[53]. Darauf duplizierte der Föderativverband, ohne aber sein Ziel bis Jahresende zu erreichen
[54].
[42] Vgl. oben, S. 70 f., sowie unten, S. 184.
[43] TA, 151, 2.7.71; NZZ (sda), 303, 3.7.71. Vgl. auch Bund, 240, 14.10.71.
[44] NZ, 475, 15.10.71; NZN, 241, 15.10.71; Ww, 42, 22.10.71; Zeitdienst, 47, 3.12.71; Focus, 25, Dez. 71.
[45] wf, Dokumentations- und Pressedienst, 42, 18.10.71; Schweizerische Arbeitgeber-Zeitung, 66/1971. S. 801 f.; Schweizerische Handelszeitung, 43, 28.10.71:
[46] gk, 38, 28.10.71; NZZ (upi), 510, 2.11.71.
[47] BBI, 1971, I, S. 440 ff., u. 11, S. 935 ff.; St. Galler Tagblatt, 40, 18.2.71; TdG. 40, 18.2.71; GdL. 40, 18.2.71; NZZ. 100, 2.3.71; Vat., 50, 2.3.71.
[48] Schweizerischer Eisenbahner-Verband: gk, 14, 15.4.70; Föderativverband: NZZ (sda), 192, 7.4.70. Ferner: NZZ, 533, 16.11.70. Vgl. auch SPJ, 1966, S. 108 ff., u. 1967, S. 108 f.
[49] Sten. Bull. NR, 1971, S. 862 ff., 906 ff., 1181 ff., 1395; Sten. Bull. StR, 1971, 489 ff., 598 u. 663; NZZ, 289, 25.6.71; 440, 22.9.71; 456, 1.10.71; BN, 259, 25.6.71; 397, 22.9.71; AZ, 143, 23.6.71; 145, 25.6.71; 221, 22.9.71; VO, 227, 2.10.71.
[50] AS. 1972, S. 604 ff.
[51] Vgl. unten, S. 169, sowie S. 182.
[52] Vgl. SPJ, 1970, S. 137; NBZ, 12, 16./17.1.71; Lb, 31, 6.2.71; Emmenthaler Blatt, 30, 6.2.71; Bund, 30, 7.2.71; NZZ, 65, 9.2.71; Vat., 32, 9.2.71; NZ, 334, 25.7.71.
[53] Bund. 130, 8.6.71. Vgl. auch NZZ (sda), 532, 15.11.71 (Arbeitskommission BIGA).
[54] NZZ (sda), 273, 16.6.71; 388, 22.8.71.
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