Année politique Suisse 1972 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik / Aussenwirtschaftspolitik
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Bilaterale Aussenwirtschaftsbeziehungen
Im Bereiche der bilateralen Aussenwirtschaftsbeziehungen wurden 1972 die schweizerischen Bemühungen zur Revision und zur Modernisierung der auf die Nachkriegszeit zurückgehenden Waren und Zahlungsabkommen mit den osteuropäischen Staatshandelsländern fortgesetzt. So konnten mit Rumänien und Bulgarien neue Wirtschaftsabkommen unterzeichnet werden. In beiden Fällen kam es dabei zur Abschaffung des gebundenen Zahlungsverkehrs. Gegenüber Rumänien, das dem GATT angehört, konnten die Handelsbeziehungen generell auf die Regeln des GATT samt den darin enthaltenen Meistbegünstigungsklauseln abgestützt werden. Im Falle Bulgariens musste dagegen die übliche Meistbegünstigung separat formuliert werden [80]. Daneben verhandelte die Schweiz aber auch mit Ungarn und Polen, wobei ähnliche Abkommen zur Diskussion standen [81]. Ferner wurden die schon 1971 aufgenommenen Gespräche zur Verbesserung der sowjetisch-schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen intensiv fortgesetzt. In diesem Zusammenhang stand vor allem die Schaffung und Bestellung einer aus Delegierten der USER und der Schweiz zusammengesetzten Gemischten Kommission im Mittelpunkt der Verhandlungen. Der für ein Staatshandelsland etwas ungewohnte Beizug von Vertretern der Privatindustrie in das zu schaffende Gremium bedurfte indessen in Moskau noch einiger Abklärungen [82]. Nach vorausgegangenen Erkundungsgesprächen wurde im Juli eine Vereinbarung über den Austausch von staatlichen Handelsmissionen zwischen der DDR und der Schweiz getroffen. Sowohl die schweizerische Handelsmission in Berlin, als auch die DDR-Handelsmission in Zürich nahmen in der Folge im November ihre Tätigkeit auf [83]. Schliesslich dehnten sich die schweizerischen Bemühungen um eine Verbesserung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auch auf den afrikanischen Kontinent aus, wo separate Handelsabkommen mit Gabun, Uganda und Zaire abgeschlossen wurden [84].
Die langwierigen Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland über die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens konnten 1972 endlich abgeschlossen werden. Dabei beanspruchten die parlamentarischen Beratungen in der Schweiz einen breiten Raum. Während der Ständerat das Abkommen bereits in seiner ausserordentlichen Frühjahrssession genehmigte, erteilte der Nationalrat erst im November seine Zustimmung. Zu ausgedehnten Diskussionen gab vor allem die Besteuerung schweizerischer Liegenschaften von Deutschlandschweizern Anlass [85]. Beide Räte überwiesen denn auch ein gleichlautendes Postulat, welches den Forderungen der Deutschlandschweizer Rechnung trägt [86]. Der Austausch der Ratifikationsurkunden konnte indessen gerade noch zum Jahresende durchgeführt werden, womit das revidierte Abkommen rückwirkend auf den 1. Januar 1972 in Kraft trat [87].
Der auf Ende 1972 auslaufende Bundesbeschluss über aussenwirtschaftliche Massnahmen wurde durch die eidgenössischen Räte um weitere zehn Jahre verlängert [88]. Durch Änderung der Vollziehungsverordnung zum Zollgesetz beschloss der Bundesrat diverse Erleichterungen für den Grenzverkehr, wobei insbesondere die Erhöhung der Wertfreigrenze ins Gewicht fiel [89]. In einer Botschaft beantragte die Exekutive zudem eine Anpassung des Zollgesetzes, welche vom Parlament in der Folge gebilligt wurde [90]. Durch ein Postulat des Zürchers Eisenring (cvp) wurde schliesslich eine angemessene Deckung der Währungsrisiken für die Exportindustrie durch eine Währungsrisikoversicherung angeregt [91]. Bundesrat und Parlament beschlossen darauf, das Bundesgesetz über die Exportrisikogarantie entsprechend zu modifizieren [92].
 
[80] JdG (sda), 85, 12.4.72; NZZ (sda), 180, 18.4.72; 545, 21.11.72; Ostschw., 294, 14.12.72. Vgl. SPJ, 1971, S. 82.
[81] NZZ (sda), 237, 24.5.72 ; 489, 19.10.72 ; Vat., 207, 6.9.72 ; 209, 8.9.72.
[82] NZZ (sda), 129, 16.3.72 ; VO, 133, 12.6.72 ; Vat., 141, 20.6.72 ; vgl. auch oben, S. 40.
[83] TA, 185, 11.8.72 ; 188, 15.8.72 ; 252, 28.10.72 ; NZZ (sda), 467, 6.10.72 ; zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen vgl. oben, S. 40 f.
[84] BBI, 1972, II, Nr. 36, S. 269 f., S. 274 und S. 275 f. ; ferner NZZ (sda), 122, 13.3.72.
[85] Amtl. Bull. StR, 1972, S. 228 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1956 ff. Vgl. SPJ, 1971, S. 83.
[86] Postulate der vorberatenden Kommissionen in Amtl. Bull. StR, 1972, S. 241 ff.; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1637 ff.
[87] AS, 1972, Nr. 53, S. 3074 ff. ; vgl. auch NZZ, 609, 31.12.72 ; ferner Ferdinand Zuppinger, „Das neue schweizerisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen„, in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 74/1973, S. 1 ff.
[88] Amtl. Bull. StR, 1972, S. 166 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1095 ff.
[89] GdL, 9, 12.1.72 ; Bund, 9, 12.1.72 ; 10, 13.1.72.
[90] BBl, 1972, II, Nr. 35, S. 228 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 658 f. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1530 f.
[91] Verhandl. B.vers., I/II/1972, S. 31.
[92] BBI, 1972, II, Nr. 42, S. 1020 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 2043 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 217 ff.