Année politique Suisse 1972 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Raumplanung und Bodenrecht
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Bodenrecht
Trotz dem Einsatz der Bundesorgane für die Raumplanung drängten verschiedene Parteien darauf, die Probleme des Bodenrechts rascher zu lösen. Die sozialdemokratischen Kantonalparteien von Bern und Solothurn stellten zuhanden der Bundespartei den Antrag auf baldige Lancierung einer neuen Bodenrechtsinitiative, welche vor allem eine Verleihung der Nutzungsrechte durch die öffentliche Hand vorsähe [24]. Auch in der Liberalsozialistischen Partei wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen [25]. Die FDP beauftragte eine parteiinterne Kommission, innert kürzester Frist Vorschläge für eine liberale Bodenrechtsreform auszuarbeiten, die insbesondere den Bodenmarkt transparenter gestalten soll [26],
Der « Ausverkauf der Heimat » an ausländische Bodeninteressenten wies keine abnehmende, sondern eher eine zunehmende Tendenz auf [27]. Aus diesem Grund erliess der Bundesrat im Juni etwas überraschend ein Verbot der Anlage ausländischer Gelder in inländischen Grundstücken, wobei er sich auf den dringlichen Währungsbeschluss von 1971 stützte [28]. Damit war Personen mit Wohnsitz im Ausland der Grundstückerwerb vorübergehend völlig untersagt. Eine scharfe Mitteilungs- und Kontrollpflicht sowie die Androhung strenger Strafen — Bussen bis zu 100 000 Fr. oder Haft — sollten dem Beschluss die nötige Nachachtung verschaffen. Der Bundesrat erwartete von seiner Massnahme auch einen gewissen Druck auf die Baukosten und Bodenpreise. Die Aufnahme in der Öffentlichkeit war mehrheitlich gut [29], doch insbesondere in den Kantonen Wallis, Graubünden und Tessin wurde grosse Unzufriedenheit geäussert. Vertreter dieser Kantone führten auch Unterredungen mit den Bundesbehörden, ohne freilich eine Lockerung der Bestimmungen zu erreichen [30].
Das primär währungspolitisch motivierte Verbot sollte aufgehoben werden, sobald der seit 1961 bestehende Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, die « Lex von Moos », in verschärfter Form rechtskräftig würde. Von parlamentarischen Vorstössen gedrängt [31], legte der Bundesrat im Oktober einen Entwurf vor, der wesentliche Verschärfungen enthielt [32]. So sollten einerseits schärfere Definitionen die Bewilligungsmöglichkeiten einschränken und anderseits eine Anzeigepflicht der Amtspersonen und eine Auskunftspflicht aller Beteiligten die striktere Durchführung des Beschlusses garantieren. Schliesslich wurde eine Verstärkung der Bundesaufsicht vorgesehen, da diese unter dem früheren Beschluss kaum funktioniert hatte. Nach dem Wortlaut der Botschaft hätten die Kantone zwar immer noch das erste Wort, « aber in keinem Fall mehr das letzte » [33]. Der neue Beschluss, der bis 1977 befristet sein soll, wurde noch in der Wintersession vom Nationalrat in einer zweitägigen « Monsterdebatte » behandelt [34] und trotz zahlreichen Abänderungsanträgen ohne nennenswerte Änderungen gutgeheissen. Mit 114 zu 8 Stimmen wurde ein Rückweisungsantrag Eibel (fdp, ZH) verworfen. Mit mehr oder weniger deutlichen Mehrheiten wurden auch Anträge auf Verschärfung oder Milderung der Vorlage abgelehnt. Insbesondere unterlag die Forderung nach einer zusätzlichen Sicherung gegen Umgehungsgeschäfte, nachdem der Bundesrat seinen festen Willen bekundet hatte, auf diesem Gebiet besonders wachsam zu sein. Die vom Bund unterstützte Aktion, die einen Verkauf des Gotthard-Hospizes an Ausländer verhindern sollte, führte zum Erwerb des Gebäudes durch die im Vorjahr errichtete schweizerische Stiftung [35].
Reichlichen Gesprächsstoff lieferte die Landkaufspraxis des Bundes [36]. Im Nationalrat kam es bei der Bewilligung eines Kredites von 2,7 Mio Fr. für den Erwerb von Grundstücken in Chur, die dem Wohnungsbau für Bundesbedienstete dienen sollten, zu einer nicht erwarteten Diskussion [37]. Aus verschiedenen Lagern wurden die hohen Preise sowie die mit Verkäufern aus dem Gewerbe abgeschlossenen Nebenbedingungen kritisiert ; das Geschäft passierte allerdings dennoch mit 86 gegen 32 Stimmen. Eine nach unglücklich getätigten Landkäufen bei Renens und Lutry (VD) vom EFZD in Auftrag gegebene administrative Untersuchung kam zum Schluss, dass Beamte des Liegenschaftsdienstes dieses Departements Preise bezahlt hatten, ohne ihre Angemessenheit genügend zu überprüfen [38]. Der Bericht schlug verwaltungsinterne Reformen vor, die durch parlamentarische Vorstösse gleichfalls gefordert und vom Bundesrat akzeptiert wurden [39]. Keine Opposition meldete sich dagegen in den Räten zu einem Antrag des Bundesrates, Objektkredite bis zu 2 Mio Fr. (bisher 0,8 Mio) ohne begründende Botschaften auf dem Budgetwege bewilligen zu lassen [40].
 
[24] Ldb (sda), 158, 11.7.72 ; AZ, 154, 4.7.72: 175, 28.7.72: Tw, 176. 29.7.72 ; 235, 6.10.72. Ober eine überparteiliche Initiative gegen die Bodenspekulation im Kt. GR, ve!. unten, S. 153.
[25] Evolution, 3/1972-73, p. 45 f. ; vgl. auch ebd., S. 11 ff. u. 21 f.
[26] NZZ, 399, 28.8.72: vgl. auch NZZ, 283, 20.6.72, und Rudolf Stüdeli, „Liberalismus und Bodenrecht“, in Politische Rundschau, 51/1972, S. 38 ff.
[27] TA, 82, 8.4.72 ; 137, 15.6.72 ; AZ, 95, 24.4.72; 112, 15.5.72 ; VO, 187, 14.8.72 ; Ldb, 302. 29.12.72.
[28] AS, 1972, Nr. 25, S. 1062 ff. ; vgl. auch SPJ, 1971, S. 77 f. u. 114 f.. sowie oben, S. 61.
[29] NZZ, 296 u. 297, 28.6.72 ; TLM, 180, 28.6.72 ; TG, 149, 28.6.72 ; Bund, 149, 28.6.72 AZ, 149, 28.6.72 ; Vat., 148, 28.6.72 ; TA, 148, 28.6.72 ; Ldb, 147, 28.6.72.
[30] NZZ, 304, 3.7.72 ; 314, 8.7.72 ; 375. 14.8.72 ; 377, 15.8.72 ; 329, 29.11.72 TLM. 182. 30.6.72 ; 285, 11.10.72 ; 310, 5.11.72 ; 324, 19.11.72 : TA, 160, 12.7.72 ; 161, 13.7.72 ; 165, 18.7.72 190, 17.8.72 ; 192, 19.8.72 ; NBüZ, 240, 25.10.72 ; Cd7', 269. 22.11.72.
[31] Vgl. Motion Schalther (evp, ZH) und Postulat Schaffer (sp, BE) : Amtl. Bull. NR, 1972. S. 661 ff. ; ferner SPJ, 1970, S. 118.
[32] BBl, 1972, II, Nr. 47, S. 1241 ff. ; NZZ, 500, 26.10.72 ; 526, 10.11.72 ; NZ, 401. 26.10.72 468, 10.11.72 ; St. Galler Tagblatt, 252, 26.10.72 ; 253, 10.11.72 ; Tw, 252, 26.10.72 ; TG, 251, 26.10.72 ; 264, 10.11.72 ; TA, 250, 26.10.72 ; 263, 10.11.72 ; Ww, 46, 15.11.72.
[33] BBl, 1972, II, Nr. 47, S. 1261 ; vgl. auch NZZ, 536, 16.11.72. Kritik der Schweiz. Stiftung für Landschaftsschutz : NZ, 362, 22.9.72 ; NZZ, 550, 24.12.72.
[34] Amtl. Bull. NR, 1972, S. 2182 ff.; NZZ, 584-586, 14. u. 15.12.72 ; NZ, 457 u. 458, 14. u. 15.12.72 ; Bund, 294-296, 14.-17.12.72 ; TG, 294, 15.12.72 ; Emmenthaler Blatt, 296, 16.12.72 ; JdG, 296, 18.12.72.
[35] Vgl. SPJ, 1971, S. 115 ; NZZ, 80, 17.2.72 ; 96, 26.2.72 ; 109, 5.3.72 ; Vat., 47, 25.2.72 ; 57, 8.3.72 ; NZ, 132, 20.3.72 ; u. a.
[36] Vgl. TLM, 44, 13.2.72 ; 190, 8.7.72 ; Tat, 118, 20.5.72 ; 157, 8.7.72 ; Ldb, 135, 14.6.72 ; u. a.
[37] Amtl. Bull. NR, 1972, S. 41 ff. ; Bund, 51, 1.3.72 ; 52, 2.3.72 ; AZ, 52, 2.3.72 ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 159 f.
[38] Ldb, 156, 8.7.72 ; TA, 157, 8.7.72 ; TLM, 190, 8.7.72 ; NZZ, 315, 9.7.72.
[39] Motionen der Geschäftsprüfungskommission und NR Martins (fdp, VD) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 712 ff.
[40] BBl, 1971, II, Nr. 47, S. 1259 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 62 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 304 ff. ; NZ, 103, 3.3.72 ; Bund, 53, 3.3.72.