Année politique Suisse 1972 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt / Natur- und Heimatschutz
Im Herbst legte die Landesregierung den eidgenössischen Räten den Entwurf zu einem neuen Verfassungsartikel vor, der den
Tierschutz zur Bundessache erklären soll. Bis dahin sind auf diesem Gebiet vorwiegend die Kantone zuständig ; moderne Tierschutzgesetze besitzen aber nur deren vier. Der Vollzug der Tierschutzgesetzgebung wird im Entwurf primär den Kantonen überlassen, wobei sich immerhin der Bund — analog zum Wasserwirtschaftsartikel — eine eigene Vollziehungskompetenz vorbehält. Wie in anderem Zusammenhang gezeigt worden ist, soll der neue Artikel das Schächtverbot der Bundesverfassung ersetzen. Das Vernehmlassungsverfahren zeitigte keine grundsätzliche Gegnerschaft ; allerdings wandte sich der Israelitische Gemeindebund gegen eine provisorische Beibehaltung der Schächtklausel in einer Übergangsbestimmung, und die CVP wünschte die gleichzeitige Unterbreitung des Ausführungsgesetzes
[27]. Eine Spannung zwischen Tier- und Naturschutzanliegen ergab sich dadurch, dass im Nationalpark die Hirschbestände so sehr überhand nahmen, dass sie innerhalb und ausserhalb des Schutzgebietes grosse Schäden anrichteten. Eine vom EDI genehmigte Vereinbarung der Bündner Regierung mit der Nationalparkkommission, während mehreren Jahren eine grössere Anzahl Tiere abschiessen zu lassen, wurde sowohl in Jäger- wie in Tierschutzkreisen missbilligt
[28].
[27] BBl, 1972, II, Nr. 50, S. 1478 ff. Moderne Gesetze besitzen FR, GE, VD und ZH. Zum Schächtverbot vgl. oben, S. 16. Vgl. auch SPJ, 1970, S. 97 ; 1971, S. 95.
[28] TA, 189, 16.8.72 ; 241, 16.10.72 ; NZZ (sda), 394, 24.8.72 ; 495, 23.10.72 ; NBüZ, 309, 2.10.72.
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