Année politique Suisse 1972 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
 
Kulturpolitik
Der Bund verstärkte auch im abgelaufenen Jahr seine kulturpolitischen Bestrebungen. Die 1969 eingesetzte Expertenkommission schloss Vorarbeiten, die dem Bund als Grundlage für eine Kulturförderung dienen sollen, im wesentlichen ab [1]. In entgegengesetzter Richtung zielte ein freisinniger Antrag im Nationalrat, das Budget für Kulturelles, das nur ca. 1/4 % der gesamten Budgetsumme ausmacht, zu kürzen. Ausgelöst wurde dieser knapp abgelehnte Vorstoss durch die Filmförderung des Bundes, der bürgerliche Kreise zur Last legten, dass sie politischen Agitationsfilmen zugute komme [2]. Filme und Pornographie gaben weiterhin zu Beschwerden Anlass : der Bundesanwalt erhob gegen einen fragwürdigen Streifen Amtsklage wegen unzüchtiger Veröffentlichung [3] ; Bundesrat Furgler verwies anderseits einen Interpellanten, der sich darüber aufhielt, dass trotz der bestehenden Gesetze pornographische Erzeugnisse eingeführt und verbreitet würden, auf die laufende Revision des Strafgesetzbuches [4].
Dem Begehren der Stiftung Pro Helvetia um Entlastung von Aufgaben in der Erwachsenenbildung versuchte der Bundesrat zu entsprechen [5]. Im Hinblick auf die vom Parlament gutgeheissenen Bildungsartikel, die auch eine verfassungsmässige Grundlage für die Förderung der Erwachsenenbildung durch den Bund enthielten, erklärte er sich bereit, eine Motion Müller (cvp, LU) entgegenzunehmen, die eine wirksame Erhöhung des entsprechenden Budgetpostens forderte [6]. Ihrer Aufgabe, für die kulturelle Schweiz im Ausland zu werben, kam Pro Helvetia mit drei Ausstellungen nach : in Paris und Tel-Aviv wurde zeitgenössische Malerei gezeigt, in Amerika eine repräsentative Schau von Werken Ferdinand Hodlers [7]. Es lag in der Linie einer vermehrten kulturpolitischen Tätigkeit des Bundes, wenn der Bundesrat auf ein Begehren der Stadt Zürich die Übernahme des Landesmuseums beantragte. Er legte eine mit dem Stadtrat von Zürich getroffene Vereinbarung, die eine Abgeltung von 6 Mio Franken durch die Stadt vorsah, dem Parlament zur Genehmigung vor [8] ; diese wurde ohne nennenswerte Opposition erteilt [9].
 
[1] Gesch.ber., 1972, S. 45 ; BBI, 1972, I, Nr. 15, S. 1048. Vgl. SPJ, 1969, S. 141 ; 1970, S. 158 , 1971, S. 150.
[2] Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1943 ff. ; vgl. auch BN, 265, 8.8.72 ; Ww, 46, 15.11.72: NZZ, 583, 13.12.72.
[3] TA, 20, 25.1.72 ; NZZ, 42, 26.1.72 ; vgl. auch Verbot eines Films in Luzern (Vat., 24, 29.1.72 ; NZ, 48, 30.1.72 ; Tat, 30, 4.2.72). Zur Revision von Filmgesetzen in den Kantonen TI und ZG vgl. NZZ (sda), 541, 19.11.72 und unten, S. 161.
[4] Interpellation Ketterer (ldu, ZH) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 2082 ff. ; vgl. auch SJ, 20, 13./14.5.72 ; Tat, 296, 18.12.72.
[5] Vgl. SPJ, 1971, S. 150.
[6] Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1426 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 666 ff. ; vgl. auch NZN, 213, 12.9.72 ; TA-Magazin, 240, 14.10.72.
[7] Gesch.ber., 1972, S. 48.
[8] BBI, 1972, I, Nr. 26, S. 1605 ff.
[9] Amtl. Bull. StR, 1972, S. 620 ff., 927 ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1993 ff., 2351.