Année politique Suisse 1972 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Radio und Fernsehen
Für Radio und Fernsehen genehmigte der Bundesrat eine Erhöhung der Konzessionsgebühren auf Neujahr 1973 [16]. Im Vordergrund standen jedoch qualitative und strukturelle Fragen. Scharfe Kritik der SVP an einzelnen Informationssendungen des Deutschschweizer Fernsehens [17] und die Forderung von Vertretern der SVP an .den Bundesrat, bei der Ausarbeitung des Verfassungsartikels für die beiden Massenmedien wirksamere Kontrollinstanzen vorzusehen, führten wie schon im Vorjahr zu einer Fernsehdebatte im Parlament [18], die im wesentlichen dieselben gegensätzlichen Argumentationen brachte wie diejenige von 1971 [19]. Angesichts der kontroversen Stellungnahmen hatte die juristische Expertenkommission, die auf Grund der Vernehmlassungen aus den Jahren 1968 und 1969 einen Artikel ausarbeiten sollte, Mühe, zu einem gemeinsamen Vorschlag zu kommen [20]. Der Bundesrat entschloss sich deshalb, diesen den interessierten Kreisen noch einmal zur Meinungsäusserung zu unterbreiten [21].
Die in der Fernsehdebatte von 1971 angekündigte Strukturreform der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) kam in Gang. Nach Konsultation der Regionaldirektionen und der Personalverbände [22] beschloss der Zentralvorstand, die Generaldirektion auf dem Gebiet des Managements zu verstärken, die einzelnen Sprachregionen zu verselbständigen und in diesen Radio und Fernsehen jeweils unter einer gemeinsamen Regionaldirektion zusammenzufassen [23]. Der neue Generaldirektor vertrat die Ansicht, dass die SRG nach ihrer Reorganisation genügend repräsentativ sei, um eine Kontrolle durch eigene Organe auszuüben [24]. Die fristlose Entlassung von Mitarbeitern des welschen Fernsehens im Vorjahr gab Anlass zu einer Diskussion über die Stellung der Programmschaffenden [25]. Diese wurde in der Folge durch ein Abkommen über die Sicherung des Arbeitsplatzes, das im Fall der Kündigung ein Rekursrecht vorsieht, und durch eine Vertretung des Personals im Zentralvorstand (SRG) zu verbessern versucht [26].
In bezug auf den Ausbau der Programme beschloss die SRG, aus finanziellen Gründen vorerst auf eine zweite Programmkette zu verzichten, und statt dessen das erste Programm vermehrt mit Eigenproduktionen auszustatten ; dieser Entschluss fand den Beifall der interessierten Kreise [27]. Einem Vorstoss, der darauf abzielte, das Fernsehmonopol der SRG durch ad-hoc Konzessionen zur Verbreitung von Lokalprogrammen in gemeindeeigenen geschlossenen Drahtverteilnetzen zu brechen, stimmte nur der Nationalrat zu ; der Ständerat vermied es, dem neuen Verfassungsartikel vorzugreifen [28]. Dem Verlangen nach einer Verselbständigung der Sprachregionen in der Gestaltung der Tagesschau wurde durch Gewährung eines verstärkten Mitspracherechts der Regionaldirektionen zu entsprechen versucht [29]. Das 1971 unterzeichnete INTELSAT-übereinkommen, dessen Hauptzweck die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur für internationale öffentliche Fernmeldedienste ist, wurde vom Parlament gutgeheissen [30].
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R.G.
 
[16] NZZ (sda), 381, 17.8.72 ; NZ, 437, 26.11.72. Vgl. SPJ, 1971, S. 153.
[17] NZZ, 142, 24.3.72 ; 183, 20.4.72 ; NBZ, 75, 29.3.72 ; 85, 12.4.72 ; 88, 15./16.4.72 ; 91, 19.4.72 ; Tw, 93, 21.4.72 ; BN, 168, 22./23.4.72 ; TA, 97, 26.4.72 ; AZ, 98, 27.4.72 ; Ostschw., 112, 15.5.72. Zur umstrittenen Dokumentation der SVP vgl. Ldb, 140, 20.6.72 ; NZ, 257, 21.6.72 ; Bund, 143, 21.6.72 ; SI, 26, 25.6.72 ; NBZ, 149, 28.6.72 ; AZ, 151, 30.6.72 ; BN, 233, 1.7.72 ; Vat., 157, 8.7.72. Zum Bericht der von der SRG eingesetzten Untersuchungskommission vgl. TA, 190, 17.8.72 ; AZ, 203, 30.8.72 ; 275, 22.11.72 ; BN, 317, 7.10.72 ; TdG, 297-299, 19.-21.12.72.
[18] Postulate von NR Akeret (svp, ZH) und StR Krauchthaler (svp, BE) : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1806 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 679 ff. ; vgl. auch TA, 161, 13.7.72 ; BN, 245, 15.7.72 ; Ldb, 162, 15.7.72 ; 294, 18.12.72.
[19] Vgl. SPJ, 1971, S. 152.
[20] Vgl. SPJ, 1968, S. 130 f. ; 1969, S. 142.
[21] Amtl. Bull. StR, 1972, S. 682.
[22] Vgl. Vat., 116, 19.5.72 ; GdL, 116, 19.5.72 ; Bund, 116, 19.5.72 ; Ostschw., 117, 20.5.72 ; BN, 200, 24.5.72 ; Ww, 21, 24.5.72 ; Ldb, 117, 24.5.72 ; NZZ, 261, 7.6.72.
[23] TLM, 163, 11.6.72 ; TA, 150, 30.6.72 ; Bund, 152, 2.7.72 ; NZZ (sda), 306, 4.7.72 ; Tw, 191, 16.8.72.
[24] NZZ, 554, 27.11.72 ; Lib., 48, 27.11.72 ; VO, 276, 27.11.72 ; NBZ, 278, 27.11.72.
[25] Zu den zahlreichen parlamentarischen Vorstössen vgl. Amtl. Bull. NR, 1972, S. 462, 1365, 1370, 1857, 1873, 2098 ff., 2111 f. Vgl. SPJ, 1971, S. 152, Anm. 134.
[26] NZZ (sda), 41, 25.1.72 ; NZZ, 554, 27.11.72.
[27] NZ, 437, 26.11.72 ; NZZ, 576, 9.12.72. Vgl. SPJ, 1970, S. 160 ; 1971, S. 152 f.
[28] Motion Teuscher (svp, VD), vom NR überwiesen, vom StR abgelehnt : Amtl. Bull. NR, 1972, S. 1327 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 903 ff.
[29] NZZ, 115, 8.3.72. Vgl. SPJ, 1969, S. 144.
[30] BBI, 1972, I. Nr. 6, S. 281 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1972, S. 353 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1972, S. 494 ; vgl. SPJ, 1971, S. 153.