Année politique Suisse 1973 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik
Aussenwirtschaftspolitik
Das 1972 abgeschlossene
Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den Europäischen Gemeinschaften trat am 1. Januar 1973 in Kraft
[62]. In Brüssel fand kurz darauf die konstituierende erste Sitzung des mit der Anwendung und Durchführung des Abkommens betrauten Gemischten Ausschusses beider Vertragsparteien statt. Dabei wurden Ausführungsbestimmungen auf dem Gebiet der Ursprungsregeln erlassen und die Bildung eines Zollausschusses vereinbart
[63]. Im April erlangte sodann wie vorgesehen die erste der fünf Zollabbaustufen von je 20 % Rechtsgültigkeit. Angesichts der währungspolitischen Unruhe konnten jedoch die Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die beidseitigen Handelsströme 1973 noch nicht schlüssig beurteilt werden
[64]. Die in der EFTA verbliebenen Staaten setzten an zwei Ministerratstagungen ihre Bemühungen um die Aufrechterhaltung und Konsolidierung des Freihandels innerhalb ihrer Assoziation fort
[65]. Die 1972 im Rahmen des GATT angekündigte neue Welthandelsrunde, die neben dem Zollabbau auch die Beseitigung der nichttarifarischen Handelshindernisse herbeiführen soll, konnte im September durch eine Ministerkonferenz in Tokio eröffnet werden
[66]. Die an der Konferenz vertretenen Staaten, darunter die Schweiz, bekundeten den gemeinsamen Willen, durch einen schrittweisen Abbau der Handelsschranken ein besseres weltwirtschaftliches Gleichgewicht zu schaffen. Die unsichere internationale Währungslage sowie noch ausstehende Vorarbeiten und Verhandlungsvollmachten verhinderten in der Folge eine Fortsetzung der Gespräche zur Liberalisierung des Welthandels, so dass noch keine konkreten Ergebnisse erzielt werden konnten
[67].
Auch die
OECD befasste sich 1973 vorwiegend mit Fragen der Überwindung des Ungleichgewichts in den Weltwirtschaftsbeziehungen. Bundesrat Brugger schlug zu diesem Zwecke im Ministerrat die Schaffung einer Gesamtkonzeption zur Koordination aller staatlichen Massnahmen vor
[68]. Die Minister erklärten sich ferner bereit, ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Inflationsbekämpfung verstärkt voranzutreiben. Die Diskussionen zeigten jedoch, dass hinsichtlich der Wünschbarkeit und der Möglichkeit einer koordinierten Antiinflationspolitik grosse Meinungsunterscheide bestanden. Die wachsende Abhängigkeit der Mitgliedstaaten der OECD von den arabischen Erdölländern bewog die Organisation ausserdem, der Frage einer gemeinsamen langfristigen Energiepolitik besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Als erstes Ergebnis dieser Bemühungen konnte eine Studie über die energiepolitische Situation der OECD-Länder veröffentlicht werden
[69]. Der 1971 zum Studium besonderer Wirtschaftsfragen eingesetzte Sonderausschuss hoher Beamter („Exekutivkomitee in Sondersession“), der 1973 von Botschafter Jolles präsidiert wurde, befasste sich hauptsächlich mit der Problematik der internationalen Investitionen und der Tätigkeit der multinationalen Gesellschaften
[70].
Die
UNCTAD setzte ihre Anstrengungen zugunsten der Entwicklungsländer fort. So lud ihr Rat die Vertragsparteien des GATT ein, während der Vorbereitungsarbeiten zur multilateralen Welthandelsrunde besonders den Interessen der Entwicklungsländer Rechnung zu tragen. Daneben beschloss der Rat die Wiederaufnahme der Ausschussarbeiten über die nichttarifarischen Handelsschranken, welche die Exporte der Entwicklungsländer behindern
[71]. Im Rohstoffbereich konnte die vom Generalsekretär der UNCTAD einberufene internationale Zuckerkonferenz in Genf eröffnet werden. Trotz mehrwöchiger Verhandlungen kam indessen keine Einigung über die wirtschaftlichen Bestimmungen. eines neuen internationalen Zuckerübereinkommens zustande
[72]. Eine multilaterale Verständigung konnte hingegen in der Form eines neuen internationalen Kakaoabkommens erzielt werden. Durch die Stabilisierung der Preise auf einem für Produzenten und Konsumenten angemessenen Niveau sollen einerseits wirtschaftliche Schwierigkeiten in den Kakao produzierenden Entwicklungslindem gemildert und anderseits die Absatzmöglichkeiten für Kakaoerzeugnisse verbessert werden. Bundesrat und Parlament stimmten in der Folge dem Abkommen zu, und ynser Land hinterlegte seine Ratifikationsurkunde am Sitz der UNO in New York
[73]. Die Ausarbeitung eines analogen Kaffeeabkommens verzögerte sich, sp dass der zuständige internationale Kaffeerat schliesslich beschloss, das bestehende Abkommen vorerst bis 1975 zu verlängern
[74].
Auf dem Gebiete der bilateralen Aussenwirtschaftsbeziehungen konnten 1973 die schweizerischen Bemühungen zur Einführung zeitgemässer Vertragsinstrumente für den wirtschaftlichen Verkehr mit den
osteuropäischen Staatshandelsländern weitgehend abgeschlossen werden. Die 1972 mit Polen aufgenommenen Verhandlungen führten zur Unterzeichnung eines Abkommens über den Wirtschaftsverkehr und zu einer gesonderten Vereinbarung über den Zahlungsverkehr. Gründe der internen Zuständigkeit auf polnischer Seite hatten es notwendig gemacht, die Materie, die in ähnlichen Abkommen mit andern Staatshandelsländem in einem einzigen Vertragswerk hatte geregelt werden können, auf zwei Verträge aufzuteilen
[75]. Mit Ungarn wurde ein analoges Abkommen über den Wirtschaftsverkehr abgeschlossen. Die Unterzeichnung musste vorerst allerdings aufgeschoben werden, bis Ungarn dem GATT beigetreten war
[76]. Die Abkommen mit Polen und Ungarn bewirkten einen weiteren Abbau des gebundenen Zahlungsverkehrs, der von der Schweiz im Verhältnis zu osteuropäischen Staatshandelsländern nur noch mit der DDR aufrechterhalten wird
[77]. Im Bereiche der sowjetisch-schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen konnten 1973 durch die Bestellung einer aus Delegierten beider Staaten zusammengesetzten Gemischten Kommission entscheidende Fortschritte erzielt werden. Die Kommission tagte in der Folge in Moskau und in der Schweiz, wobei hauptsächlich Kontakte angeknüpft und künftige Verhandlungsziele abgesteckt wurden
[78]. Ferner schloss die Schweiz ein Abkommen über den Handelsverkehr und den Investitionsschutz mit der Zentralafrikanischen Republik
[79]. In einem Vertrag vereinbarte unser Land zudem mit Aegypten die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen. Bei diesem Abkommen handelt es sich um das erste dieser Art, das die arabische Republik mit einem andern Staat abgeschlossen hat
[80]. Nach vorausgegangenen Erkundungsgesprächen trat schliesslich im August eine Vereinbarung zwischen Nordkorea und der Schweiz über den Austausch von Handelsmissionen in Kraft. Die Interessen unseres Landes werden vorderhand durch die schweizerische Botschaft in Peking wahrgenommen
[81].
Im Sinne einer Erleichterung und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Steuerwesens konnte die Schweiz 1973
Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark sowie mit Trinidad und Tobago unterzeichnen. Analoge Abkommen wurden daneben mit Österreich und Portugal paraphiert
[82]. Die langwierigen Verhandlungen mit den USA über ein Rechtshilfeabkommen fanden wie erwähnt endlich ihren Abschluss
[83]. Die ständig wachsende weltwirtschaftliche Verflechtung und die immer intensiveren multi- und bilateralen Beziehungen liessen der Schweiz 1973 für selbständige aussenwirtschaftliche Massnahmen nur einen kleinen Raum. Im Juli erlies der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen zur modifizierten Exportrisikogarantie, die dem Exporteur angesichts des stark gestiegenen Währungsrisikos mehr Sicherheit gewähren soll ; die Gebühren für die Deckung des Währungsrisikos wurden in der Folge dementsprechend um 100 % erhöht
[84]. Auf die Erhebung des im Rahmen des Konjunkturdämpfungsprogramms vorgesehenen Exportdepots wurde im Hinblick auf die durch die Wechselkursfreigabe entstandene Situation vorläufig verzichtet
[85]. Unbedeutende Änderungen erfuhr schliesslich der schweizerische Gebrauchszolltarif
[86].
[62] Vgl. SPJ, 1972, S. 70 f.
[63] AS, 1973, Nr. 52, S. 2009 ff. ; BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 178 ff. ; 1974, I, Nr. 8, S. 354 ff.
[64] NZ, 17, 16.1.74 ; 63, 25.2.74.
[65] BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 183 ff. ; 1974, I. Nr. 8, S. 358 f.
[66] Vgl. SPJ, 1972, S. 71 f.
[67] NZZ, 409, 4.9.73 ; 417, 9.9.73 ; 423, 12.9.73 ; 424, 13.9.73 ; 425, 13.9.73 ; 426, 14.9.73 ; 428, 15.9.73 ; 429, 16.9.73 ; 436, 20.9.73.
[68] TG, 132, 8.6.73 ; 133, 9.6.73.
[69] BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 167 ff. ; 1974, I. Nr. 8, S. 344 ff.
[70] Ebd. ; vgl. ferner Referat von Botschafter Jolles vor der Delegiertenversammlung des Schweizerischen Technischen Verbandes (Documenta, 1973, Nr. 5, S. 7 ff.).
[71] BBl, 1973, II, Nr. 35, S. 185 ff. ; 1974, I, Nr. 8, S. 359 ff.
[72] Ebd. ; ferner NZZ, 209, 8.5.73 ; GdL (ats), 106, 8.5.73.
[73] Vgl. SPJ, 1972, S. 43 ; BBI, 1973, I, Nr. 14, S. 805 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 419 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 303 ff.
[74] Vat., 212, 13.9.73. Der Bundesrat stimmte in der Folge der Verlängerung des Kaffeeabkommens auch seitens der Schweiz zu (NZZ, 369, 12.8.73).
[75] Vgl. SPJ, 1972, S. 72 f. ; NZZ (sda), 290, 26.6.73 ; BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 193 ff. Vgl. auch oben, S. 36.
[76] Vat., 18, 23.1.73 ; NZZ (sda), 506, 31.10.73 ; BBl, 1974, I, Nr. 8, S. 366. Vgl. auch oben, S. 36.
[77] BBI, 1974, I, Nr. 8, S. 366. Vgl. auch oben, S. 36.
[78] Vat., 33, 9.2.73 ; TA, 64, 17.3.73 ; NZZ (sda), 136, 22.3.73 ; 265, 12.6.73 ; 544, 22.11.73 ; TG, 72, 28.3.73 ; JdG (ats), 73, 28.3.73 ; NZZ, 164, 8.4.73 ; 276, 18.6.73 ; 284, 22.6.73. Vgl. auch oben, S. 36.
[79] BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 197.
[80] Bund, 172, 26.7.73 ; NZZ (sda), 341, 26.7.73 ; Vat., 188, 16.8.73 ; NZZ, 387, 22.8.73.
[81] NZZ, 385, 21.8.73 ; 386, 22.8.73 ; TG, 195, 22.8.73.
[82] NZZ (sda), 56, 4.2.73 (Österreich) ; Vat., 35, 12.2.73 (Trinidad und Tobago) ; NZZ (sda), 262, 8.6.73 (Portugal) und NZZ (sda), 551, 27.11.73 (Dänemark). Vgl. auch unten, S. 73 und oben, S. 36.
[84] BBI, 1973, I, Nr. 13, S. 783 f. ; Schweizerische Bankgesellschaft, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1973, Zürich 1973, S. 11. Vgl. auch SPJ, 1972, S. 73.
[85] Vgl. dazu oben, S. 57.
[86] Vgl. dazu BBI, 1973, II, Nr. 35, S. 228 ff. ; 1974, I, Nr. 8, S. 379 ff.
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