Année politique Suisse 1973 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage präsentierte sich 1973 recht uneinheitlich und schwer überblickbar
[17]. Obwohl der Produktionsapparat zum Teil sehr stark angespannt war, zeichnete sich vor allem in der zweiten Jahreshälfte eine leichte Abschwächung des Wachstums der schweizerischen Wirtschaft ab. Die wirtschaftliche Entwicklung vollzog sich im Vergleich zum Vorjahr unter wesentlich veränderten Bedingungen. Eine im Januar ausgebrochene Währungskrise zwang die Nationalbank zur Freigabe des Wechselkurses, was faktisch einer Aufwertung des Schweizerfrankens gleichkam
[18]. Trotz der erheblichen Verteuerung der Exportgüter durch diese Währungsmassnahme schnitt der Aussenhandel wesentlich besser als erwartet ab
[19]. Im Bereiche der Binnenkonjunktur trat infolge der 1972 erlassenen Konjunkturdämpfungsmassnahmen eine spürbare Beruhigung ein, was sich vor allem in einer, zunehmend aussenwirtschaftlichen Orientierung der Gesamtnachfrage zeigte
[20]. Die industrielle Produktion hatte eine unerwartet hohe Zuwachsrate zu verzeichnen, was angesichts des nach wie vor ausgetrockneten Arbeitsmarktes auf rationellere Produktionsmethoden und ausserdem auf einen Ausbau des Exportgeschäftes schliessen liess
[21]. Auch 1973 erfüllten sich die Hoffnungen auf ein Abflauen der Teuerung nicht. Der durch die Inflation bedingte Preisauftrieb strebte im Gegenteil neuen Rekordhöhen entgegen. Am Ende des Jahres erreichte der Landesindex der Konsumentenpreise einen Stand von 148,3 und lag damit um 11,9 % höher als im Dezember 1972. Als wichtigster Teuerungsfaktor fielen vor allem die im Zuge der Energiekrise sprunghaft angestiegenen Heizöl- und Benzinpreise ins Gewicht. Daneben waren auch in den Bedarfsgruppen Nahrungsmittel, Bekleidung und Verkehr erhebliche Preiserhöhungen zu verzeichnen
[22]. Die hektische und explosionsartige Preisentwicklung bei den flüssigen Brenn- und Treibstoffen, die sich im Index kräftig auswirkte, bewog den Bundesrat gegen Jahresende nach einigem Zögern, neben dem bisherigen Index der Konsumentenpreise auch eine kriegswirtschaftlich induzierte Zahlenreihe ohne Heizöl und Benzin zu veröffentlichen
[23]. Die bisher nicht übliche Indexspaltung stiess vor allem in Arbeitnehmerkreisen auf heftige Kritik
[24]. Daneben beschloss die Sozialstatistische Kommission im Einvernehmen mit dem Bundesrat, eine Totalrevision des seit 1966 unverändert gebliebenen Index der Konsumentenpreise einzuleiten
[25]. Die Preissteigerungen beim Import und bei inländischen Grosshandelswaren gingen noch weit über das Ausmass der im Index der Konsumentenpreise in Erscheinung tretenden Teuerung hinaus
[26]. Angesichts der massiven Teuerung war es weiter nicht überraschend, dass das Bruttosozialprodukt real etwas weniger zunahm als 1972. Die nach wie vor auf Schätzungen des Eidg. Statistischen Amtes beruhenden Ermittlungen ergaben rund 131 Mia Fr., was eine Steigerung von 4,3 % (1972 : 4,7 %) gegenüber dem Vorjahr bedeutete
[27]. Das Fehlen einer für die Konjunkturpolitik dringend benötigten ausführlichen Wirtschaftsstatistik wurde auch 1973 verschiedentlich beanstandet
[28].
[17] Für Überblicke vgl. Mitteilung Nr. 224 der Kommission für Konjunkturfragen, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 47/1974, Heft 1 ; Schweizerische Bankgesellschaft, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1973, Zürich 1973 ; Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 79/1973, Dezember ; ferner NZZ, 604, 30.12.73 ; 12, 9.1.74 ; SAZ, 68/1973, S. 910 ff. ; Gesch.ber., 1973, S. 211 ff.
[18] Vgl. unten, S. 61 ff.
[19] Vgl. unten, S. 65 ff.
[20] Vgl. SPJ, 19'72, S. 63 f. ; ferner NZZ, 23, 15.1.74.
[21] Der provisorische Index der industriellen Produktion wurde für 1973 mit 157 Punkten (1963 = 100) berechnet, was gegenüber 1972 eine Zuwachsrate von 5 % ergibt ; vgl. Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 140 ff.
[22] Die Heizölpreise überschritten den Vorjahresstand um 189 %. Im Jahresdurchschnitt erreichte der Landesindex der Konsumentenpreise einen Stand von 139,3, was gegenüber dem Jahresmittel 1972 eine Steigerung um 8,7 % ausmachte. Vgl. Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 1; wf, Dokumentation- und Pressedienst, 9, 4.3.74 ;10, 11.3.74 ; 11, 18.3.74.
[23] BN, 293, 13.12.73 ; TA, 290, 13.12.73 ; IdG, 291, 13.12.73 ; Bund, 292, 43.12.73 ; NZ, 389, 13.12.73. Die korrigierte Jahresteuerung liegt in der Grössenordnung von 8 %.
[24] AZ, 290, 12.12.73 ; NZZ (sda), 577, 12.12.73 ; VO, 290, 14.12.73 ; Benno Hardmeier, „Konsumentenpreisindex und Teuerungsausgleich“, in Gewerkschaftliche Rundschau, 66/1974, S. 77 ff.
[25] TA, 286, 8.12.73 ; NZ, 387, 11.12.73 ; TG, 290, 12.12.73 ; Vat., 288, 12.12.73 ; Ldb, 290, 14.12.73 ; NZZ (sda), 587, 18.12.73 ; 590, 19.12.73 ; 593, 21.12.73 ; 13, 9.1.74 ; 28, 18.1.74 ; NZZ, 43, 27.1.73. Vgl. ferner das Votum von StR Hefti (fdp, GL), Amtl. Bull. StR, 1973, S. 738 ff.
[26] Der Grosshandelspreisindex stieg um 14,8 % (Vorjahr : 3,6 %) : Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 1.
[27] Mitteilung Nr. 224 der Kommission für Konjunkturfragen, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 47/1974, Heft 1, S. 3 ; ferner Prof. J. J. Senglet, „Das Sozialprodukt in der Schweiz“, in Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 79/1973, S. 19 ff. Vgl. auch SPJ, 1972, S. 60.
[28] Vgl. SPJ, 1972, S. 60 ; NBZ, 66, 27.2.73 ; wf, Artikeldienst, 30.7.73 ; Tat, 179, 4.8.73.
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