Année politique Suisse 1973 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Steuern
Auch ausserhalb des Parlamentes wurden 1973 zahlreiche Vorstösse zu einer Neu- oder Umgestaltung des schweizerischen Steuerwesens unternommen. Im Mittelpunkt der vielfältigen Anstrengungen stand die Steuerharmonisierung, deren unverzügliche Realisierung in praktisch allen Reformvorschlägen postuliert wurde. Auf Bundesebene waren es vor allem drei weitgehend detailliert ausgestaltete Alternativen, welche die steuerpolitische Diskussion beherrschten. Zunächst lancierte der Landesring der Unabhängigen ein eidgenössisches
Volksbegehren „für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung der Steuerprivilegien“. Die Initiative bezweckt einheitliche Grundsätze und Tarife zur Besteuerung von Einkommen und Vermögen sowie die Einführung einer allgemeinen, teilweise dem föderativen Finanzausgleich dienenden Bundessteuer. Daneben sollen durch eine einheitliche Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie durch eine Besteuerung der alkoholischen Getränke und des Energieverbrauchs den öffentlichen Haushalten vermehrt Mittel zufliessen
[22].
Ein weiteres Volksbegehren wurde von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegt. Die schon lange angekündigte «
Reichtumssteuerinitiative » sieht auf der Basis der Steuerharmonisierung eine stärkere steuerliche Belastung von Einkommen und Vermögen vor
[23]. Schliesslich trat die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren mit dem Entwurf zu einem Verfassungsartikel zur Steuerharmonisierung an die Öffentlichkeit. Die vorgeschlagene Vereinheitlichung bezieht sich auf die Steuerveranlagung, nicht aber auf die Tarife. Daneben legte die Konferenz auch ein Mustergesetz über die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vor
[24]. Auf kantonaler Ebene wurde ebenfalls für eine Angleichung der verschiedenen Steuersysteme gekämpft. So liessen sich die Regierungen der Kantone Aargau, Solothurn, Schaffhausen und Zürich durch ihre Parlamente verpflichten, Standesinitiativen zur Steuerharmonisierung vorzubereiten
[25]. Daneben waren es nicht weniger als 17 Volksinitiativen, welche im kantonalen Rahmen eine Reform des Steuerwesens anstrebten. Der Grossteil dieser kantonalen Volksbegehren ging auf das Konto der Sozialdemokraten, die insgesamt in sieben Kantonen für eine stärkere Progression für höhere Einkommen und vielfach auch für Vermögen eintraten
[26]. In fünf Ständen wandte sich der Landesring der Unabhängigen mit integralen Reformvorschlägen an die steuerzahlende Öffentlichkeit
[27]. Die Flut von Steuerinitiativen veranlasste mehrere Kantonsregierungen zur Ausarbeitung entsprechender Gegenvorschläge. Die Finanzdirektoren der Kantone Zürich, Bern, Solothurn, Baselstadt, Baselland und Aargau erarbeiteten zudem gemeinsame Richtlinien, nach denen die Belastung der hohen Einkommen ausgerichtet werden soll, um kein interkantonales Gefälle entstehen zu lassen
[28].
[22] Tat, 77, 2.4.73 ; 102, 4.5.73 ; NZ, 137, 4.5.73.
[23] Vgl. SPJ, 1972, S. 76 ; TA, 65, 19.3.73 ; AZ, 127, 4.6.73 ; 248, 24.10.73. Vgl. dazu auch SPS, Ausserordentlicher Parteitag 1973, Beschlussprotokoll, Bern 1973. Ferner : Johannes Hensel, Die Verfassung als Schranke des Steuerrechts, Diss. St. Gallen 1973.
[24] TA, 137, 16.6.73 ; NZZ (sda), 275, 18.6.73 ; Ww, 31, 1.8.73. Vgl. dazu auch Das schweizerische Steuersystem wie es sein könnte, Entwurf erarbeitet von Ökonomiestudenten der Universität Basel unter der Leitung von Prof. R. Frey, Zürich 1973.
[25] Aargau (Vat., 33, 9.2.73), Solothurn (TA, 51, 2.3.73), Schaffhausen (Tat, 124, 30.5.73) und Zürich (BN, 85, 10.5.73). Ferner ersuchte die Junge CVP von BL Bundesrat und Parlament in einer Petition, die Steuerharmonisierung vordringlich zu behandeln (Ostschw., 22, 27.1.73). Vgl. dazu auch Hans Letsch, „Grundsätzliche Aspekte der Steuerharmonisierung“, in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 29/1973, Nr. B.
[26] Dabei handelt es sich um die Kantone ZH, BE, SO, BS, AG, TG, TI und GE. Als Ubersicht vgl. NZZ, 386, 22.8.73, sowie NZ, 117, 14.4.73. Vgl. auch unten, S. 146 ff.
[27] LdU-Initiativen wurden in den Kantonen BE, LU, SG, SH und ZG lanciert. Vgl. dazu unten, S. 146 ff.
[28] NZ, 278, 6.9.73 ; Ostschw., 208, 6.9.73.
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