Année politique Suisse 1973 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Strassenbau
Im Jahre 1973 konnten 81 km Nationalstrassen vollendet werden. Damit stehen 852 km im Betrieb, was 46 % (1972: 42 %) des geplanten Netzes entspricht. Am Jahresende standen zudem weitere 303 km (1972: 363 km) im Bau. Die budgetierten Bauaufwendungen von 960 Mio Fr. wurden bloss um 2 Mio Fr. überschritten, und der Vorschuss des Bundes an den Nationalstrassenbau konnte erstmals etwas abgebaut, werden (um 24 Mio Fr. auf 2760 Mio Fr.). Für 1974 musste erneut eine Budgetkürzung, um 40 Mio Fr. auf 935 Mio Fr., vorgenommen werden [46].
Das im Vorjahr neu festgelegte langfristige Bauprogramm erfuhr aus finanz- und konjunkturpolitischen Gründen sowie mit Rücksicht auf die begrenzte Kapazität des Baugewerbes, aber auch wegen den anhaltenden Widerständen gegen verschiedene Projekte bereits eine Modifikation. Der Bundesrat erstreckte die Arbeiten an mehreren begonnenen Abschnitten und stellte fast alle noch nicht in Angriff genommenen Teilstücke um 1 bis 5 Jahre zurück [47]. Schwierige geologische Verhältnisse verzögerten überdies die Fortschritte beim Gotthard-Tunnel, was zu Differenzen zwischen der Bauherrschaft (Kanton Uri) und dem Baukonsortium führte. Man entschloss sich zu einem Zwischenangriff aus einem Lüftungsschacht, um den bereits bestehenden Baurückstand von 16 Monaten nicht weiter anwachsen zu lassen [48].
Die im Zürcher Weinland verankerte Opposition gegen die geplante N 4.1 (Verbindung zwischen der von Stuttgart her führenden deutschen Autostrasse E 70 und dem schweizerischen Nationalstrassennetz) und gegen eine deutsche Hochrheinschnellstrasse Basel-Bodensee schloss sich in einem « Interkantonalen Hochrheinkomitee gegen zusätzliche Autobahnen » zusammen. Ausserdem wurden die in beiden Räten hängigen Motionen gegen diese Projekte überwiesen [49]. Im Streit um die Linienführung der N 2 am Sempachersee versteiften sich die Fronten. Obwohl der Kanton Luzern das rechte Seeufer grösstenteils als Schutzzone ausschied, lehnte der Bundesrat verschiedene Wiedererwägungsgesuche ab, und ebenso blieben sämtliche Verwaltungsgerichtsbeschwerden an das Bundesgericht erfolglos [50]. In dieser Situation lancierte der Journalist Franz Weber an einer 1. August-Kundgebung auf dem Sempacher Schlachtfeld eine Volksinitiative « Demokratie im Strassenbau », welche darauf abzielt, die Linienführung von Nationalstrassen dem fakultativen Referendum zu unterstellen [51]. Auch in der Westschweiz regte sich — oft gleichfalls unter dem Einfluss F. Webers — Opposition gegen geplante Strassenstücke, so gegen die N 1 zwischen Murten und Yverdon, gegen die N 12 im Tal der Veveyse und gegen die Umfahrung von Genf [52].
Über die Frage der Linienführung in einzelnen Regionen hinaus wurden erneut Erweiterungen des Autostrassennetzes erwogen, insbesondere Verbindungen zwischen der Romandie und Frankreich [53]. Mit Rücksicht auf ihren jurassischen Landesteil nahm die bemische Regierung die bereits 1968 erhobene Forderung nach einer Nationalstrassenverbindung vom Jurasüdfuss über Delsberg nach dem Raum Belfort (« Transjurane ») wieder auf, wobei der aus dem Jura stammende Regierungs- und Nationalrat S. Kohler (fdp) sie erneut durch einen parlamentarischen Vorstoss unterstützte. Bundesrat Tschudi verwies in seiner Antwort auf die Schwierigkeiten im Nationalstrassenbau und meinte, durch eine Aufnahme der « Transjurane » ins erweiterte Hauptstrassennetz wäre eine raschere Realisierung möglich als durch eine Aufwertung zur Nationalstrasse [54]. Nach gewissen Presseberichten soll zudem Bundespräsident Bonvin in dieser Angelegenheit mit Vertretern Frankreichs in Belfort Gespräche geführt haben [55]. Im Hinblick auf einen verkehrstechnisch erwünschten allfälligen Rawil-Basis-Tunnel ermächtigte überdies der Bundesrat die Kantone Bern und Wallis, einen Sondierstollen zu bohren [56].
Aufgrund der 1972 erfolgten parlamentarischen Vorstösse ging der Bundesrat daran, für die Subventionierung des Unterhalts und Betriebs der Nationalstrassen eine Verfassungsgrundlage zu schaffen, und schickte einen Vorentwurf für eine Revision des Artikels 36 bis in die Vernehmlassung. Die ersten Stellungnahmen lauteten durchwegs positiv [57]. Von verschiedener Seite wurde auch eine stärkere Heranziehung der Verkehrsteilnehmer zur Finanzierung des Strassenverkehrs gefordert ; der Bundesrat sprach sich aber erneut gegen Autobahngebühren und ebenfalls gegen weitere Benzinzollerhöhungen aus [58].
 
[46] Gesch.ber., 1973, S. 55 ff. ; Pressemitteilung des Eidg. Amtes für Strassen- und Flussbau ; SHZ, 51/52, 20.12.73. Vgl. SPJ, 1972, S. 94.
[47] Gesch.ber., 1973, S. 55 ; NZZ (sda), 305, 5.7.73 ; 469, 10.10.73 ; (sda), 471, 11.10.73 ; Bund, 168, 22.7.73 ; 282, 2.12.73. Vgl. SPJ, 1972, S. 94 f.
[48] Gesch.ber., 1973, S. 57 f. ; TA, 54, 6.3.73 ; 15, 19.1.73 ; NZZ, 284, 10.6.73.
[49] Komitee : Ldb, 132, 12.6.73 ; NZZ, 439, 22.9.73. Motion Akeret (svp, ZH) im NR : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 77 ff. Motion Graf (svp, SH) im StR : Amtl. Bull. StR, 1973, S. 174 f. Vgl. ferner NZZ, 192, 27.4.73 (Antwort des BR auf eine Petition von 1972) ; 199, 2.5.73 und 222, 15.5.73 (Debatten im Grossen Rat von SH) ; 300, 2.7.73 (Demonstration in Schaffhausen) ; 337, 24.7.73 (Stellungnahme von TG). Vgl. SPJ, 1972, S. 95.
[50] Diskussion : NZZ, 127, 17.3.73 ; 172, 12.4.73 ; Vat., 64, 17.3.73 ; 75, 30.3.73 ; 82, 7.4.73 ; 86, 12.4.73 ; 114, 17.5.73 ; NZ, 101, 31.3.73. Schutzzone : Vat., 6, 9.1.73 ; NZZ, 15, 11.1.73. BR : NZZ, 267, 13.6.73 ; 270; 14.6.73 ; Vat., 135, 13.6.73. Bundesgericht : Vat., 210, 11.9.73. Vgl. SPJ, 1972, S. 95.
[51] Ww, 25, 20.6.73 ; 35, 29.8.73 ; Vat., 154, 6.7.73 ; Ldb, 159, 13.7.73 ; 212, 14.9.73 ; NZZ, 353, 2.8.73 ; (sda), 491, 23.10.73. Vgl. zu F. Weber : SPJ, 1972, S. 111.
[52] N 1 : BN, 266, 12.11.73 ; N 12 : GdL, 11, 15.1.73 ; 187, 13.8.73 ; Genf : TG, 119, 23.5.73 ; 205, 3.9.73 ; VO, 276, 28.11.73.
[53] TLM, 97, 7.4.73 ; 98, 8.4.73.
[54] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1129 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 770 ff. ; vgl. auch SPJ, 1968, S. 88, ferner eine Petition der Vereinigung « Pro Transjurane » (GdL, 291, 13.12.73) und Bund, 86, 12.4.73 ; GdL, 110, 12./13.5.73 ;138, 16./17.6.73.
[55] TLM, 165, 14.6.73.
[56] NZZ, 277, 19.6.73 ; TLM, 140, 19.6.73 ; Tat, 196, 24.8.73.
[57] Vgl. die Motion Riesen (sp, FR) : Amtl. Bull. StR, 1973, S. 173 ; vgl. ferner SPJ, 1971, S. 103 ; 1972, S. 95. Entwurf : NZZ, 400, 30.8.73. Stellungnahmen : NZZ (sda), 472, 11.10.73 (GR) ; (sda), 482, 17.10.73 (Nationale Aktion) ; (sda), 547, 24.11.73 (GL) ; (sda), 572, 9.12.73 (SG) ; TA, 268, 17.11.73 (ZH).
[58] Ldb, 19, 24.1.73 (FDP) ; Tw, 28; 3.2.73 (Interkant. Kommission für Strassenverkehr) ; Postulat Zwygart (evp, BE) (Amtl. Bull. NR, 1973, S. 448 f.). Gebühren : Ostschw., 284, 4.12.73 (LITRA) ; NZZ (sda), 24, 16.1.73 (BR). Benzinzoll : TA, 237, 12.10.73 (TCS) ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 402 (BR).