Année politique Suisse 1973 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Schiffahrt
Auf dem Gebiet der Schiffahrt gelangten die 1971 von der Ständekammer verabschiedeten Berichte des Bundesrates über die Frage der Erschliessung weiterer Wasserstrassen vor den Nationalrat [92]. Dieser nahm gleichfalls von ihnen Kenntnis und schloss sich mit 93:76 Stimmen der vom Ständerat 1971 überwiesenen Motion an, die ein Gesetz über die Freihaltung von Wasserwegen verlangte. Die Meinungsverschiedenheiten gingen quer durch die Fraktionen. Für die Motion und damit für eine Offenhaltung votierten besonders die Vertreter der Romandie ; dabei fanden sie die Unterstützung von Bundespräsident Bonvin. Sie wollten den Entscheid für oder gegen eine Binnenschiffahrt, von der sie sich einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Westschweiz versprachen, einer künftigen Generation überlassen. Die Gegner erklärten die Wirtschaftlichkeit des neuen Verkehrsträgers für ungenügend, wobei sie auf die Schwierigkeiten in der Rheinschiffahrt hinwiesen, und machten auch Argumente des Natur- und Umweltschutzes geltend [93]. Diesen versuchte der Waadtländer Bussey (sp) mit einem Postulat zu begegnen, das den Einbau von Gewässerschutzbestimmungen in das Gesetz verlangte [94]. Die Anhänger der Binnenschiffahrt feierten den Entscheid als Sieg ihrer Idee ; bei den Gegnern herrschte dagegen Unmut [95]. Das EVED beauftragte alsbald eine Studienkommission unter dem Vorsitz von Nationalrat H.R. Meyer (fdp, LU) mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs [96]. Auch wurden am Jahresende Expertengespräche mit Baden-Württemberg über die Schiffbarmachung des Hochrheins bis zur Aaremündung aufgenommen [97]. Ferner wurde der vom Bundesrat 1972 beantragte Beitrag an den Bau einer zweiten Schleuse in Birsfelden von beiden Räten genehmigt, allerdings mit der Einschränkung, dass der Baubeginn unter Rücksichtnahme auf die Konjunkturlage zu bestimmen sei [98].
Die Rheinschiffahrt klagte einerseits über Niederwasser im Jahre 1972, anderseits über eine neu aufgetretene Konkurrenzierung der Getreidetransporte durch die französischen Staatsbahnen. Mit der Bragtank AG ging eine weitere schweizerische Schiffahrtsunternehmung in ausländische Hände über [99]. Zur Erhaltung der schweizerischen Hochseeflotte, die mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, gewährte der Bundesrat eine Bürgschaft für 250 Mio Fr., welche die Anschaffung neuer Schiffe erleichtern soll [100].
Die Bestrebungen für eine Einschränkung des touristischen Individualverkehrs auf den Seen stiessen auf Widerstände [101]. Der Ständerat schloss sich jedoch dem Vorstoss der Volkskammer für eine eidgenössische Regelung des Motorbootverkehrs an [102]. Zu einem entsprechenden Gesetzesentwurf wurden die Vorarbeiten aufgenommen [103]. Das von den drei Uferstaaten paraphierte Abkommen zur gemeinsamen Ausarbeitung schiffahrtspolizeilicher Vorschriften für den Bodensee wurde dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet ; die interessierten ostschweizerischen Kantone verlangten zudem in einer Eingabe an den Bundesrat den Einbezug einer zahlenmässigen Beschränkung der Motorboote in diese Vorschriften [104].
 
[92] Vgl. SPJ, 1965, in SPJPW, 6/1966, S. 185 f. ; SPJ, 1969, S. 103 ; 1971, S. 109. Vgl. ferner hierzu : AZ, 3, 5./6.1.73 ; Tat, 69, 23.3.73.
[93] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 2 ff. Vgl. ferner hierzu eine abgelehnte Motion Fischer (rep., AG) gegen weitere Studien über die Binnenschiffahrt (Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1026 ff.).
[94] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1560 ff. Vgl. auch eine Diskussion Schiffahrt/Gewässerschutz (GdL, 56, 8.3.73 ; NBZ, 85, 15.3.73 ; NZZ, 488, 21.10.73).
[95] Anhänger : NZZ (sda), 103, 3.3.73, Bund, 58, 11.3.73 und GdL, 117, 21.5.73. Gegner : Ldb, 30, 6.2.73 ; 49, 28.2.73 ; NZZ, 91, 24.2.73 ; (sda), 235, 235.73 ; (sda), 461, 5.10.73 ; Ostschw., 117, 21.5.73. Vgl. auch die Volksabstimmung über die Erhaltung der natürlichen Landschaft an den Gewässern im TG (unten, S. 152 ; Ostschw., 70, 24.3.73 ; 291, 12.12.73).
[96] NZZ (sda), 322, 15.7.73.
[97] BN, 281, 29.11.73 ; NZZ, 572, 9.12.73.
[98] Amtl. Bull. StR, 1973, S. 163 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 562 ff. ; BBI, 1973, II, Nr. 32, S. 29 ff. Vgl. SPJ, 1972, S. 98.
[99] Rheinschiffahrt : BN, 33, 8.2.73 ; NZZ, 276, 18.6.73. Bahnkonkurrenz : NZ, 5, 6.1.73 ; NZZ, 104, 4.3.73. Bragtank NZZ, 219, 14.5.73.
[100] NZZ, 87, 22.2.73 (Bürgschaft) ; 178, 16.4.73 (Schwierigkeiten).
[101] Vgl. u. a. TA, 26, 2.2.73 ; 42, 20.2.73 (ZH und SG) ; NZZ, 265, 12.6.73 (0W) ; Vat., 145, 26.6.73 ; 280, 3.12.73 ; NZZ, 321, 14.7.73 ; 358, 6.8.73 (SZ) ; unten, S. 150 (ZG). Vgl. auch SPJ, 1972, S. 98.
[102] Amtl. Bull. StR, 1973, S. 186 ; vgl. auch SPJ, 1972, S. 98 f.
[103] Documenta, 1973, Nr. 1, S. 20 ; NZZ (sda), 150, 30.3.73. Vgl. hierzu auch eine Eingabe der Aqua Viva (NZZ, sda, 273, 16.6.73).
[104] Abkommen : BBl, 1973, II, Nr. 47, S. 949 ff. ; Ostschw., 121, 25.5.73 ; vgl. ferner SPJ, 1972, S. 99. Eingabe von SH, SG und TG : NZZ (sda), 338, 24.7.73.