Année politique Suisse 1973 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Bevölkerungsentwicklung
In der Diskussion über die Bevölkerungspolitik bahnte sich 1973 ein Wandel an. Der Hauptakzent verschob sich von der Gefahr einer Übervölkerung, die noch in der Petition der Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen im Vordergrund stand [1], auf die Frage der Überkonzentration [2]. Durch die Revision bisheriger Prognosen — so der Voraussagen des Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung in Zürich und der Prospektivstudie der Kneschaurek-Gruppe — kam man, unter Einbezug der neusten Ergebnisse der schweizerischen Volkszählung von 1970 sowie alternativer Annahmen der schweizerischen Ausländerpolitik, zu einem etwas differenzierteren Bild und vor allem zu niedrigeren Bevölkerungszahlen für die Zukunft [3]. Es wurde sogar schon eine Stagnation für das Jahr 2020 als möglich betrachtet ; anderseits wurden angesichts der Entwicklung der Geburtenraten von Schweizern und Ausländern Befürchtungen über ein Abgleiten der Schweizerbürger zur Minderheit laut [4]. Die zunehmende Lebenserwartung, die progressiv abnehmenden Geburtenraten — seit 1970 auch bei der ausländischen Wohnbevölkerung — und der Rückgang der Eheschliessungen bei Schweizern und Ausländern verstärken die Überalterung [5] und führen zu einem ungünstigeren Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen, was besonders in der Sozialversicherung nicht zu unterschätzende Probleme stellen könnte [6]. Zur Gewinnung planerischer Grundlagen wurden Bevölkerungsbewegungen, Pendlerströme und Überalterung der Städte in verschiedenen Studien über unsere wichtigsten Agglomerationen untersucht [7].
 
[1] Sie wurde mit 10 000 Unterschriften dem Bundesrat übergeben (Bund, 97, 27.4.73) ; vgl. SPJ, 1972, S. 113.
[2] BN, 111, 14.5.73 ; TG, 111, 14.5.73.
[3] Die Volkswirtschaft, 46/1973, S. 419 ff. ; NZZ, 241, 26.5.73 ; 295, 29.6.73.
[4] Vgl. H. Graf (NZZ, 128, 18.3.73 ; NZ, 184, 16.6.73), Th. Ginsburg (TA-Magazin, 29, 21.7.73), H. Steiner (NZZ, 97, 28.2.73), ferner E. Batschelet, „Bevölkerungspolitische Probleme“, in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 1973, Heft 4/5.
[5] Die durchschnittliche, Lebenserwartung betrug 1960/70 für Männer 69,21 Jahre und für Frauen 75,03 Jahre (1958/63 : 68,72 respektive 74,13 Jahre) (GdL, sda, 166, 19.7.73). Die Geburtenrate betrug 1965 : 18,8 %, ; 1970: 15,8%, und 1972 : 14,3 %»; bei einer recht stabilen Sterberate ergab sich daraus ein Geburtenüberschuss bei Schweizern : 1965: 31 131 ; 1970 : 16 445 ; 1972 : 10 582 und bei Ausländern : 1965 : 25 157 ; 1969 : 25 866 (Höhepunkt) ; 1970 : 25 680 ; 1972 : 24 271 (TA, 201, 31.8.73 ; Statistisches Jahrbuch der Schweiz, 81/1973, S. 56 f. ; vgl. Die Volkswirtschaft, 46/1973, S. 603 ff.). Im 1. und 2. Quartal 1973 lagen die Ausländerheiraten um 18 %, die Ausländergeburten um 4 % und der Ausländergeburtenüberschuss um 5 % tiefer als in derselben Vorjahresperiode (wf, Dokumentations- und Pressedienst, 47, 19.11.73).
[6] 1970 fielen bereits auf 1000 Erwerbstätige 1086 Nichterwerbstätige (1950 waren es 1009) (Die Volkswirtschaft, 46/1973, S. 211 ff.) ; vgl. ferner Vat., 143, 23.6.73 ; Anno 709 p. R., Schlussbericht der Prospektivkonferenz der Neuen Helvetischen Gesellschaft, Aarau 1973, S. 279 ff.; vgl. auch unten, S. 112 f. und 122 f.
[7] U.a. Zürich (NZZ, 33, 22.1.73 ; 125, 16.3.73 ; 283, 22.6.73), Winterthur (Ldb, 19, 24.1.73 ; 56, 8.3.73), Basel (BN, 82, 14.3.73 ; 189, 15.8.73 ; NZ, 104, 2.4.73 ; 120, 16.4.73), Bern (Bund, 32, 8.3.73), Biel (Tw, 4, 6.1.73), Lausanne (GdL, 296, 19.12.73) und Genf (JdG, 30, 6.2.73).