Année politique Suisse 1973 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Arbeitszeit
Nachdem die Fünftagewoche sich weitgehend durchgesetzt hatte, sprach man bereits von der Viertagewoche [54]. Es mehrten sich aber auch Stimmen zugunsten einer inflationsbekämpfenden Verlängerung der Arbeitszeit, wobei Prof. A. Nydegger im Interesse einer Erhöhung des Arbeitskräftepotentials gar für eine flexible Gestaltung der gesetzlichen Höchststundenzahl eintrat [55]. Die Initiative der Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) für die Einführung der 40-Stunden-Woche, die 1973 auch die Unterstützung der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) und des Schweizerischen Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) erhalten hatte, wurde mit 55 049 Unterschriften eingereicht, von denen die Bundeskanzlei jedoch 11 613 wegen formaler Mängel ungültig erklärte. Dieser Entscheid wurde freilich angefochten [56]. Der positive Verlauf von Versuchen mit gleitender Arbeitszeit bei den PTT und den SBB bewogen das EFZD, der erneuten Forderung des Personalverbandes der allgemeinen Bundesverwaltung zu entsprechen und die Versuche nun doch auf die allgemeine Bundesverwaltung auszudehnen [57]. Ein besonders von der SVP und der FDP als konjunkturwidrig kritisiertes Begehren des Föderativverbandes des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe um eine Erweiterung der Ruhetage und der Ferien erachtete hingegen auch der Bundesrat als konjunkturpolitisch unerwünscht [58].
In verschiedenen Kantonen traten neue Ruhetags- und Ferienregelungen in Kraft. Nur die Kantone Uri, Ob- und Nidwalden haben dabei von der Ermächtigung zur gesetzlichen Ferienverlängerung für Jugendliche über das Minimum hinaus noch keinen Gebrauch gemacht [59]. Eine Motion Canonica (sp, ZH) für eine analoge kantonale Ferienhoheit für alle Arbeitnehmer wurde auf Antrag des Bundesrates durch den Nationalrat mit 80 zu 41 Stimmen abgelehnt, da die bundesrechtliche, Einheit gewahrt werden müsse [60]. Eine Motion desselben Urhebers, für die Überprüfung und Reduktion der Ausnahmen von der normalen Arbeitsund Ruhezeit wurde hingegen als Postulat überwiesen [61], dies wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck von Klagen über übermässige Arbeitszeiten auf der Kraftwerkhaus'teile Emosson [62].
 
[54] 1971 hatten bereits 86,2 % der Arbeitnehmer die Fünftagewoche (NZZ, sda, 266, 12.6.73) ; vgl. ferner zur Viertagewoche : TA, 18, 23.1.73 ; Bund, 68, 22.3.73 ; TLM, 222, 10.8.73.
[55] NZZ, 56, 4.2.73 ; TA, 66, 20.3.73 ; Ldb, 159, 13.7.73.
[56] NZZ (sda), 77, 16.2.73 ; (sda), 593, 21.12.73 ; BN, 211, 10.9.73 ; vgl. ferner : VO, 84, 10.4.73 ; AZ, 139, 15.6.73 ; SPJ, 1972, S. 128. Vgl. unten, S. 165 f., 169 f. Nachdem das Bundesgericht eine Beschwerde gutgeheissen hatte, anerkannte die Bundeskanzlei 1974 die Initiative als zustandegekommen (NZZ, 163, 7.4.74 ; NZZ, sda, 172, 14.4.74).
[57] Schweiz. Beamten-Zeitung, 3, 15.2.73 ; NZZ (sda), 124, 15.3.73 ; (sda), 605, 31.12.73 ; vgl. SPJ, 1972, S. 128.
[58] NZZ (sda) 357, 4.8.73 ; 387, 22.8.73 ; Ostschw., 187, 13.8.73 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1419 f.
[59] Vgl. unten, S. 153 f. ; TA (sda), 115, 19.5.73.
[60] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1354 ff. ; AZ, 59, 12.3.73 ; 230, 3.10.73.
[61] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 781 ff.; gk, 10, 8.3.73.
[62] Lib., 79, 8.1.73 ; 81, 10.1.73 ; GdL, 5, 8.1.73 ; TG, 150, 30.6.73 ; NZ, 205, 4.7.73 ; 207, 6.7.73 ; TA, 154, 6.7.73 ; 161, 14.7.73 ; VO, 160, 14.7.73 ; 161, 16.7.73.