Année politique Suisse 1973 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
 
Gesundheitspolitik
Nebst der andauernden Kostenexplosion riefen vor allem Personalprobleme nach einer Neuorientierung des Spitalwesens [1]. Über deren Notwendigkeit war man sich allgemein einig. Über das Wie herrschten unterschiedliche, oft nur vage formulierte Ansichten [2]. Besondere Beachtung fand eine in ihrer umfassenden Ausgestaltung neuartige Spitalkonzeption, die der aargauische Regierungsrat Hunziker, Präsident der Sanitätsdirektorenkonferenz, in seinem Kanton durchzuführen begann [3]. Zur Entlastung der Spitäler wurden auf Bundesebene verschiedene Vorstösse unternommen : so verlangte eine Motion Flubacher (fdp, BL) die Überprüfung der Personalsituation durch eine eidgenössische Fachkommission, ein Postulat von Ständerat Bächtold (fdp, SH) einen Unfallkostenbeitrag aus dem Strassenverkehr und ein Postulat Helen Meyer (cvp, ZH) die Förderung der Hauskrankenpflege [4].
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Suchtmittel
Die eigentlichen gesundheitspolitischen Massnahmen waren vorwiegend gegen die verschiedenen Suchtarten gerichtet. Angesichts der zunehmenden Drogensucht in der Schweiz wurde eine hauptsächlich schärfere Strafbestimmungen enthaltende Revision des Betäubungsmittelgesetzes vom Ständerat in der bundesrätlichen Fassung gutgeheissen, obwohl die Kommissionsmehrheit für Straffreiheit bei blossen Vorbereitungshandlungen und Eigenkonsum eintrat [5]. Weiter verbreitet als das Rauschgiftproblem ist jedoch der Alkoholismus. Dass ihm mit bloss fiskalischen Massnahmen nicht beizukommen ist, beweist die trotz hohen Einkünften aus Alkoholsteuern grosse Zahl von Alkoholikern [6]. Das EFZD hat denn auch einen Revisionsentwurf zum Alkoholgesetz in die Vernehmlassung gegeben. Er sieht besonders neue Bestimmungen für den Handel mit Alkoholika sowie eine Einschränkung der Reklame vor [7].
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Heilmittel
Ein ständig wachsendes Unbehagen über den Verkauf gesundheitsschädlicher Lebensmittel bewog den Bundesrat, eine Motion Tschumi (svp, BE) entgegenzunehmen. Sie forderte eine schärfere Kontrolle der Lebensmittelimporte und zwar als Teil einer umfassenderen und strengeren Lebensmittelverordnung [8]. Die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) beendete mit ihrem Entscheid, den Arzneimittelverkauf auf Apotheken beschränkt zu lassen, die Diskussion über die Verkaufsfreigabe von Pharmazeutika, welche im Anschluss an die Freigabe der Vitamin-C-Brausetabletten entstanden war [9]. Anderseits verlangte Nationalrat Schalcher (evp, ZH) in einer als Postulat überwiesenen Motion eine Förderung der Naturheilkunde [10].
 
[1] Vgl. Tat, 98, 28.4.73 ; TA, 143, 23.6.73. Kostenexplosion : NZZ, 139, 24.3.73 ; (sda), 505, 31.10.73 ; AZ, 130, 6.6.73 ; Vat., 173, 28.7.73 ; Bund, 227, 28.9.73 ; vgl. insbesondere zum Spitaltarifindex : Die Volkswirtschaft, 46/1973, S. 758 f. ; Vat., 6, 9.1.74. Personalfragen : Tat, 10, 13.1.73 ; Bund, 61, 143.73 ; 117, 21.5.73 ; GdL, 98, 28.29.4.73 ; NZZ, 204, 4.5.73 ; (sda), 387, 22.8.73, ferner oben, S. 117.
[2] Bund, 259, 5.11.73 ; NZZ, 545, 23.11.73 ; 586, 17.12.73.
[3] Vat., 156, 9.7.73 ; NZZ, 441, 24.9.73 ; weitere kantonale Spitalvorlagen unten, S. 155 f.
[4] Motion Flubacher : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 81 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 149 f. Postulat Bächtold : Amtl. Bull. StR, 1973, S. 514 ff. Postulat Helen Meyer : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1720 ff. Vgl. zur Hauspflege ferner NZZ, 86, 21.2.73 (Schule für Krankenpflege Sarnen) und Solothurner Zeitung, 173, 27.7.73 (Laienpflegerausbildung des Roten Kreuzes).
[5] 1973 mussten 4836 (Vorjahr : 3882) Personen wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz verzeigt werden, 1532 (1218) davon waren noch nicht 18-jährig (NZZ, sda, 155, 2.4.74). Die Drogenabhängigen werden auf 12 000-15 000 geschätzt, ihr Durchschnittsalter ist nach einer Umfrage auf 17 Jahre gesunken (NZZ, sda, 321, 14.7.73). Zur Gesetzesrevision : BBl, 1973, I, Nr. 21, S. 1348 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 691 ff., 709 ff. ; vgl. SPJ, 1971, S. 136 ; 1972, S. 126.
[6] Die Zahl der Alkoholiker wird auf über 100 000 geschätzt (NZZ, sda, 52, 1.2.73 ; NZ, 118, 14.4.73). Der Reinertrag der Alkoholverwaltung (Alkoholsteuern) betrug im Geschäftsjahr 1972/73 295,5 Mio Fr. (1971/12: 195,5 Mio Fr.) (NZZ, 467, 9.10.73) ; zur Verwendung der Kantonsanteile vgl. : BBl, 1973, I, Nr. 12, S. 601 ff. ; ferner Amtl. Bull. NR, 1973, S. 786. Vgl. auch oben, S. 73.
[7] NZZ, 527, 13.11.73 ; TA, 264, 13.11.73 ; Tw, 266, 13.11.73.
[8] TG, 17, 18, 19, 22.-24.1.73 ; NBZ, 125, 18.4.73 ; Bund (sda), 10, 14.1.74 ; Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1718 ff.
[9] Tat, 177, 1.8.73 ; NZZ, 359, 6.8.73 ; TA, 293, 17.12.73. Vgl. SPJ, 1972, S. 126.
[10] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 1523 f.