Année politique Suisse 1974 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik / Aussenwirtschaftspolitik
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Bilaterale Aussenwirtschaftsbeziehungen
Bei der Regelung bilateraler Aussenwirtschaftsbeziehungen standen erneut Staatshandels- und Entwicklungsländer im Vordergrund [92]. Besonderes Interesse erregten die Wirtschaftsgespräche mit der Volksrepublik China. Sie wurden im Sommer, anlässlich einer schweizerischen Ausstellung für industrielle Technologie (SITEX 74) in Peking, eingeleitet und führten am Jahresende zur Unterzeichnung eines Handelsabkommens. Dieses soll die Systemunterschiede zwischen Markt- und Staatswirtschaft überbrücken helfen ; es unterscheidet sich durch eine einfachere Klausel über industrielle Zusammenarbeit von den meisten bestehenden Ostverträgen [93]. Ein mit Albanien abgeschlossenes Handelsabkommen entspricht diesen dagegen weitgehend [94]. Die Gemischte schweizerisch-sowjetische Kommission beschäftigte sich namentlich mit einer Neufassung des Uhrenabkommens aus dem Jahre 1970 [95]. Wie im Vorjahr mit Ägypten vereinbarte die Schweiz mit Indonesien und dem Sudan die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen [96]. Eine Schuldanerkennung durch Bangladesh ermöglichte die Unterzeichnung von Schuldenkonsolidierungsabkommen zugunsten Bangladeshs und Pakistans [97] ; mit diesem waren bereits früher zwei entsprechende Übereinkünfte getroffen worden [98]. Mit der Ratifizierung verschiedener Luftverkehrsabkommen wurden die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Swissair-Liniennetzes geschaffen, wobei die Verbindung mit der Volksrepublik China besondere Erwähnung verdient [99]. Der Bundesrat unterbreitete den Räten zudem Verträge mit Frankreich, Spanien und der Tschechoslowakei über den Schutz von Herkunftsangaben [100].
Die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA wurden durch verschiedene Vorstösse gegen schweizerische Interessen getrübt. Amerikanische Landwirtschaftskreise erhoben gegen unsere Käsemarktordnung den Vorwurf, sie subventioniere die Exporte, und forderten eine Untersuchung. Über eine Auseinandersetzung im Nordatlantikflugverkehr wird an anderer Stelle berichtet. Ausserdem wurde der Firma Nestlé eine Antitrust-Aktion angedroht, nachdem diese eine weitere USA-Firma übernommen hatte [101]. Im Nationalrat wurde daher beantragt, eine Aussetzung der parlamentarischen Genehmigung des Rechtshilfeabkommens zu erwägen. Nach einer Intervention Bundespräsident Bruggers verzichtete man jedoch auf ein Junktim zwischen zwei an sich wesensfremden Tatbeständen [102]. Die grenzüberschreitende Regelung des Steuerwesens konnte durch verschiedene Doppelbesteuerungsabkommen auf weitere Länder ausgedehnt werden [103]. Zudem wurde mit Italien ein Abkommen unterzeichnet, welches eine teilweise Abtretung von Steuereinnahmen aus Grenzgängereinkommen an die italienischen Wohngemeinden vorsieht [104].
Unter den unilateralen aussenwirtschaftlichen Massnahmen ist neben der bereits genannten Erweiterung der Zollpräferenzen zugunsten der Entwicklungsländer [105] besonders ein neugeschaffenes Bundesgesetz über eine der EG- und EFTA-Praxis angepasste Zollregelung für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anzuführen. Dieses gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, bei der Ein- und Ausfuhr gewisser industrieller Produkte mittels flexibler Importabgaben bzw. Exporterstattungen die Differenz auszugleichen, die zwischen den Inland- und den Weltmarktpreisen der für die Herstellung verwendeten agrarischen Rohstoffe besteht. Damit sollen Wettbewerbsverzerrungen neutralisiert werden, welche auf fremden agrarpolitischen Massnahmen gründen und die Konkurrenzfähigkeit der einheimischen Nahrungsmittelindustrie beeinträchtigen [106]. Nachdem in beiden Kammern Nichteintretensanträge aus SP- und Landesringkreisen abgelehnt worden waren, stimmten die Räte mit deutlichen Mehrheiten der Vorlage zu [107]. Die Denner AG beschloss jedoch das Referendum zu ergreifen und fand beim schweizerischen Konsumentenbund Unterstützung. Dieser hatte sich bereits in der Vernehmlassung gegen das Gesetz ausgesprochen [108].
 
[92] Vgl. zudem ein Zusatzprotokoll zum Handelsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland (BBI, 1974, II, Nr. 33, S. 369).
[93] Gespräche : NZZ, 354, 2.8.74 ; TA, 177, 3.8.74 ; Bund, 190, 16.8.74. SITEX : Tat, 178, 1.8.74 ; ldG, 182, 7.8.74 ; 203, 31.8./1.9.74 ; 205, 3.9.74 ; TA, 181, 8.8.74 ; 201, 31.8.74 ; TG, 200-202, 28:30.8.74 ; BN, 203, 31.8.74 ; 213, 12.9.74 ; NZZ, 404, 1.9.74. Abkommen : BBI, 1975, I, Nr. 6, S. 575 ff., 591 ff. ; NZZ, 523, 21.22.12.74.
[94] BBI, 1975; I, Nr. 6, S. 570 f., 586 ff. ; NZZ (sda), 477, 29.10.74.
[95] BB!, 1974, II, Nr. 33, S. 375 ; 1975, I, Nr. 6, S. 572 f. ; JdG, 19, 24.1.74 ; 41, 19.2.74 ; TG, 51, 2./3.3.74 ; NZZ (sda), 229, 19.5.74. Vgl. auch SPJ, 1970, S. 79 ; 1973, S. 67.
[96] Indonesien : BBI, 1974, II, Nr. 33, S. 378 f. ; ferner : NZZ, 128, 18.3.74 ; 190, 25.4.74 221, 14.5.74. Sudan : BBl, 1975, I, Nr. 6, S. 574. Agypten : NZZ (sda), 255, 5.6.74 ; ferner SPJ, 1973, S. 68.
[97] NZZ, 243, 28.5.74 ; (sda), 513, 10.12.74 ; (sda), 515, 12.12.74.
[98] BBI, 1974, II, Nr. 33, S. 379.
[99] Vgl. die Abkommen mit der Zentralafrikanischen Republik der Volksrepublik China sowie mit Burundi, Ruanda, Kuba und Guatemala (BBI, 1974, I, Nr. 24, S. 1722 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1299 f. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 551 f.). Ein weiteres Abkommen mit Jordanien konnte paraphiert werden (NZZ, sda, 152, 1.4.74).
[100] BBl, 1974, II, Nr. 47, S. 1177 ff.
[101] NZZ, 503, 28.11.74 ; 520, 18.12.74 ; Bund, 290, 11.12.74 ; TG, 297, 20.12.74 ; vgl. zum Flugverkehr : unten, Teil I, 6 b.
[102] Vgl. Postulat Eisenring (cvp, ZH) (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1256 ff.) sowie zum Rechtshilfeabkommen : oben, Teil I, 1 b und 2.
[103] Vgl. ratifizierte Abkommen mit Dänemark und Österreich (BBI, 1974, I, Nr. 12, S. 649 ff. ; Nr. 14, S. 827 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1974, S. 922 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 397 ff.) sowie unterzeichnete Abkommen mit Grossbritannien (Zusatzprotokoll) (BBI, 1974, II, Nr. 37, S. 477 ff.), Portugal (BBl, 1974, II, Nr. 46, S. 1066 ff.) und Malaysia (NZZ, afp, 529, 31.12.74).
[104] NZZ, 55, 12.74 ; (sda), 457, 5./6.10.74 ; JdG, 116, 20.5.74.
[105] Vgl. oben sowie Änderungen des schweizerischen Gebrauchszolltarifs in BBI, 1974, II, Nr. 33, S. 432 ff. ; 1975, I, Nr. 6, S. 594 f.
[106] BBI, 1974, II, Nr. 32, S. 265 ff. ; Ldb, 133, 13.6.74 ; NZ, 206, 5.7.74 ; NZZ, 365, 9.8.74 ; Bund, 195, 22.8.74.
[107] Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1175 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1974, S. 647 ff.
[108] Denner : NZZ, 521, 19.12.74. Konsumenten : NZZ (sda), 235, 23.5.74 ; 524, 23.12.74.