Année politique Suisse 1974 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld- und Währungspolitik
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Geld- und Kapitalmarkt
Der schweizerische Geld- und Kapitalmarkt stand 1974 ziemlich ausgeprägt im Zeichen einer angespannten Liquiditätslage. Die ausserordentliche Verteuerung des Erdöls und zahlreicher Rohstoffe an den Weltmärkten äusserte sich in einer stark steigenden Geld- und Kreditnachfrage unserer Wirtschaft. Konnten zur Befriedigung der vielfältigen Finanzierungsbedürfnisse vorerst noch gewisse Überschussliquiditäten abgebaut werden, machten sich bald einmal echte Verknappungserscheinungen bemerkbar. Dadurch gerieten die Zinssätze unter Druck, und es kam zu einer bemerkenswerten Zinshausse. Den Auftakt setzte die Nationalbank, die bereits im Januar den offiziellen Diskontsatz um 1 % auf das seit 1919 nie mehr erreichte Niveau von 5 ½ % erhöhte ; der Lombardsatz wurde gleichzeitig von 5 1/4 auf 6 % angehoben [20]. In der Folge zogen auch die übrigen Zinssätze fühlbar an, was zu einer weiteren Anspannung der Marktlage führte. Die wesentlich günstigeren Ertragsmöglichkeiten auf kurzfristigen Eurofranken-Anlagen förderten ausserdem die Zurückhaltung der Anleger am inländischen Kapitalmarkt. Dies führte zu einer Reihe von Misserfolgen bei schweizerischen Anleihensemissionen, deren Zinssätze nicht attraktiv genug waren [21]. Als schliesslich sogar einer Bundesanleihe nur teilweise Erfolg beschieden war, veranlasste die Nationalbank eine vorübergehende Einstellung der Kapitalexporte in Form von Anleihen und Schuldverschreibungen [22].
Angesichts der angespannten Geld- und Kreditversorgung unseres Landes drängte sich 1974 eine äusserst flexible Handhabung des im Rahmen der Konjunkturdämpfungsmassnahmen erlassenen Kreditbeschlusses auf [23]. Im Hinblick auf die sich abzeichnende Konjunkturverflachung fehlte es nicht an Stimmen, welche für eine Lockerung oder gar Aufhebung der monetär als zu restriktiv empfundenen Massnahmen eintraten [24]. Auch zahlreiche Parlamentarier äusserten sich zugunsten einer weniger eingeschränkten Geld- und Kreditpolitik des Bundes und brachten dies in verschiedenen gezielten Vorstössen zum Ausdruck [25]. Die verantwortlichen Instanzen hielten jedoch grundsätzlich am eingeschlagenen Kurs fest, bemühten sich aber, beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Instrumente keine allzu grossen Härten entstehen zu lassen.
So galt es einmal, die der Abschöpfung von Überschussliquidität dienende Mindestguthabenpolitik laufend der ständig zunehmenden Mittelverknappung des inländischen Geld- und Kreditmarktes anzupassen. Die Banken wurden zunächst von der Pflicht zur Wiedereinzahlung der über das Jahresende 1973/74 freigegebenen Mindestguthaben entbunden, und es wurden ihnen darüber hinaus weitere 20 % zurückerstattet. Dadurch konnten die Mindestguthaben auf inländischen Geldern um 430 Mio Fr., jene auf ausländischen Guthaben um 279 Mio Fr. zugunsten des ausgetrockneten Marktes abgebaut werden. Da sich jedoch im Bankensystem bald wieder neue Liquiditätsanspannungen zeigten, beschloss die Nationalbank im April und im Juli weitere Reduktionen der Sollbestände um 15 bzw. 12 %. Auf Ende August wurden sodann die inländischen Spareinlagen, Depositen- und Einlagehefte sowie die Kassaobligationen von der Mindestguthabenpflicht ausgenommen, was wiederum 150 Mio Fr. freisetzte. Gegen Jahresende gab die Nationalbank schliesslich die Mindestguthaben auf Inlandgeldern gänzlich frei, führte jedoch gleichzeitig für ausländische Verbindlichkeiten im Sinne einer Unterstützung der Massnahmen zum Schutze der Währung eine zusätzliche Mindestguthabenbelastung ein [26].
Im Bereiche der Kreditbegrenzung trug man vor allem der als Folge der aussergewöhnlichen Importverteuerung stark gestiegenen Kreditnachfrage der Wirtschaft Rechnung. Die Nationalbank erhöhte zunächst die zulässige Kreditzuwachsrate von 6 auf 7 % [27]. Die sanktionspflichtigen Kreditüberschreitungen der Banken beliefen sich indessen Ende Juli trotzdem auf rund 3 Mia Fr. Angesichts der angespannten Geldmarktlage beschloss in der Folge das Noteninstitut, nur einen Teil der ihm von den Banken geschuldeten Sanktionszahlungen einzufordern [28]. Der Bundesrat entschied schliesslich im Einvernehmen mit der Nationalbank, die Kreditbegrenzung bis Mitte 1975 zu verlängern. Zur Abwendung besonderer Härten, die sich für unaufschiebbare Bauten der Infrastruktur sowie für den preisgünstigen Wohnungsbau ergeben könnten, wurde gleichzeitig ein neues Ausnahmekontingent in der Höhe von 800 Mio Fr. ausgesetzt [29]. Daneben erhöhte die Nationalbank im Rahmen der Emissionskontrolle den für die Beanspruchung des Kapitalmarktes zulässigen Plafond auf 3,9 Mia Fr. [30]. Im weitern wurde die Verordnung über Kleinkredite und Abzahlungsgeschäfte wesentlich gelockert [31].
Auf das Ende des Geschäftsjahres trat E. Stopper von seinem Amt als Präsident des Direktoriums der Nationalbank zurück und wurde von F. Leutwiler abgelöst. Neu in das Direktorium wählte der Bundesrat den bisherigen Preisüberwacher L. Schürmann, der damit seine profilierte parlamentarische Tätigkeit beendete [32].
 
[20] NZZ, 31, 20.1.74 ; 32, 21.1.74.
[21] Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 80/1974, Dezember, S. 40 f.
[22] Die Nationalbank entschloss sich ausserdem, einen Teil der nicht voll gezeichneten Bundesanleihe in ihr eigenes Portefeuille zu übernehmen. Am 16. August hob sodann das Noteninstitut die Sistierung der Kapitalexporte für Schuldverschreibungen wieder auf. Am 1. September wurde das Verbot auch für ausländische Anleihen wieder aufgehoben. Vgl. SNB, Geschäftsbericht, 67/1974, S. 51 f.
[23] Vg. dazu « Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur », in BBI, 1974, II, Nr. 46, S. 1093 ff.
[24] Vgl. dazu oben, Zusätzliche Massnahmen zur Dämpfung der Überkonjunktur.
[25] Vgl. dazu Motion Baumann (svp, AG) zur Geldpolitik der Nationalbank (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1756 f.) ; Motion Franzoni (cvp, TI) zur Teuerungsbekämpfung (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1813 ff.) ; Postulat Augsburger (svp, BE) zu den Deckungssätzen bei Bankkrediten (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1473 ff.) ; Postulat Eisenring (cvp, ZH) zur Anwendung des Kreditbeschlusses (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1478 ff.) ; Postulat Eibel (fdp, ZH) zur Stabilitätspolitik (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1262 f.).
[26] BBl, 1974, II, Nr. 46, S. 1101 ff.
[27] Die Kreditzuwachsrate wurde auch bei der verfügten Verlängerung auf 7 % belassen. SNB, Geschäftsbericht, 67/1974, S. 50 f.
[28] Ebd., S. 36.
[29] Vgl. dazu unten, Teil I, 6c.
[30] Die Erhöhung betrug damit gegenüber 1973 0,5 Mia Fr. Vgl. SPJ, 1973, S. 64.
[31] Bund, 14, 18.1.74 ; TA, 13, 18.1.74 ; NZZ, 28, 18.1.74.
[32] SNB, Geschäftsbericht, 67/1974, S. 53 f.