Année politique Suisse 1974 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Ausgaben
Beide Räte stimmten in der Folge dem Bundesgesetz, das die Beschränkung der Bundesausgaben auf das unbedingt Notwendige und die Ausrichtung der neuen Verpflichtungen auf die finanziellen Möglichkeiten des Bundes anstrebt, mit klaren Mehrheiten zu. In der Detailberatung vermochte sich gegen den anfänglichen Widerstand des Ständerates schliesslich ein Antrag von Nationalrat Kaufmann (cvp, SG) durchzusetzen, der verlangte, dass der Personalbestand der Bundesverwaltung in den nächsten drei Jahren überhaupt nicht und in den darauffolgenden zwei Jahren höchstens um ½ % erhöht werden darf. Auch die Vorlage über die Änderung der Bundesfinanzordnung fand im wesentlichen die Zustimmung des Parlamentes. Für die direkte Bundessteuer (Wehrsteuer) hiessen National- wie Ständerat zusätzlich eine teilweise Beseitigung der kalten Progression durch Erhöhung der Sozialabzüge gut. Daneben setzten sie auf Betreiben von sozialdemokratischer Seite das Wehrsteuermaximum für juristische Personen auf 10 % fest und erhoben die jährliche Veranlagung, der sich der Ständerat ursprünglich widersetzt hatte, ebenfalls für juristische Personen zum Beschluss. Schliesslich billigten beide Räte auf Antrag der vorberatenden Kommissionen die Einführung einer « Ausgabenbremse ». Diese sollte es dem Parlament erschweren, höhere Ausgaben (oder geringere Einnahmen) zu beschliessen, als der Bundesrat vorschlagen würde, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen in beiden Kammern die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Mitglieder verlangte [11]. Die parlamentarischen Debatten gestalteten sich sehr lebhaft, und es fehlte nicht an zahlreichen persönlichen Vorstössen, welche für eine weitere Einschränkung der Ausgaben sowie die Erschliessung neuer Einnahmequellen eintraten. So überwiesen beide Räte eine Motion der vorberatenden Kommission des Nationalrates, welche den Bundesrat aufforderte, dem Parlament so bald als möglich Bericht über eine umfassende Finanz-, Finanzausgleichs- und Steuerreform zu erstatten. Eine Motion der Kommissionsminderheit, die eine Erhöhung der fiskalischen Belastung der gebrannten Wasser um . 25 % verlangte, wurde dagegen klar abgelehnt [12]. Eine weitere Motion des Republikaners König (BE), der verbindliche Finanzierungskonzepte für Verfassungsartikel, Bundesgesetze und -beschlüsse vor deren parlamentarischen Beratung verlangte, wurde vom Nationalrat in der Sommersession nur in der Form eines Postulates überwiesen. Eine inhaltlich praktisch identische Motion des Freisinnigen Keller (TG) fand hingegen in der Dezembersession die Zustimmung der Volkskammer [13]. Ebenfalls durch eine Motion versuchte schliesslich der St. Galler Schmid (sp) den Bundesrat zu verpflichten, inskünftig für Vorhaben von erheblicher finanzieller Bedeutung auf eine vorgängige Kosten-Nutzen-Analyse abzustellen [14].
Nachdem das Parlament die Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes gebilligt hatte, galt es für die beschlossenen Steuererhöhungen sowie die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) die Sanktion von Volk und Ständen zu erlangen. Der auf den 8. Dezember festgesetzten Volksabstimmung ging eine eher laue Kampagne voraus. Für die Ablehnung beider Vorlagen sprachen sich nur gerade PdA und Progressive Organisationen (POCH) aus. Gegen die Steuermassnahmen allein opponierten der Landesring, die Nationale Aktion sowie die Republikaner. Auf der andern Seite wandten sich die Sozialdemokraten und der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen die Einführung einer Ausgabenbremse, während der Landesring dieser gegenüber Stimmenthaltung empfahl [15]. In den Abstimmungskampf griff schliesslich, wenn auch nur sehr indirekt, der Bundesrat ein, der im November eine Studie über « Perspektiven des Bundesfinanzhaushaltes » veröffentlichte und dabei auf die schwerwiegenden Konsequenzen eines negativen Volksentscheides hinwies [16]. In der Abstimmung sprachen sich jedoch Volk und Stände deutlich gegen eine mit Steuererhöhungen verbundene Verbesserung des Bundeshaushaltes aus. Der Bundesbeschluss über die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) wurde zwar von der Mehrheit des Volkes und allen Ständen angenommen, doch konnte er nicht in Kraft treten, da er ausdrücklich an eine Annahme der Steuererhöhungen gebunden war [17].
 
[11] Der NR wollte die Ausgabenbremse ursprünglich ohne Ausnahmen einführen. Nach dem zustandegekommenen Kompromiss sollte sie nur wirksam sein, wenn es von der vorberatenden Kommission, der Finanzkommission oder einem Viertel der Ratsmitglieder verlangt würde. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 927 ff., 1024 ff., 1055 ff., 1316 ff., 1440 und 1552. Amtl. Bull. StR, 1974, S. 400 ff., 493 ff. und 543.
[12] Verhandl. B. vers., 1974, IV, S. 16.
[13] Motion König (rep, BE) : Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1064 f. Motion Keller (fdp, TG) : Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1605 ff.
[14] Die Motion wurde von 130 Parlamentariern mitunterzeichnet. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1810 ff.
[15] Sämtliche übrigen grösseren Landesparteien und -verbände traten für die Annahme der Vorlagen ein. Vgl. dazu : NZZ, 491, 14.11.74 ; Ww, 49, 4.12.74 ; Bund, 286, 6.12.74.
[16] Perspektiven des Bundesfinanzhaushaltes für die Jahre 1976 bis 1979, (Bern 1974). Ferner : NZZ, 508, 4.12.74.
[17] Bundesbeschluss zur Verbesserung des Bundeshaushaltes : Verwerfung mit 625 780: 783 894 Stimmen und 4:18 Ständen bei einer Stimmbeteiligung von 40,8 %. Bundesbeschluss über die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen : Annahme mit 934 633 :460 236 Stimmen und 22:0 Ständen bei einer Stimmbeteiligung von 40,8 %. Vgl. dazu BBl, 1975, I, Nr. 6, S. 480 ff.