Année politique Suisse 1974 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Mietwesen
Im Mietwesen wirkte sich die Überproduktion an Wohnungen kaum auf die nach wie vor angespannte Lage aus. Die Hypothekarzinserhöhung um 0;5 % bis 0,75 %, welche die Preisüberwachungsstelle den Banken per 1. Oktober bewilligte, führte zu einem starken Anstieg der Mieten. Die im November errechnete Steigerungsrate von 5,7 gegenüber dem Mai 1974 war die höchste, die man seit Beginn der halbjährlichen Mietpreiserhebungen im Jahre 1966 verzeichnet hatte [39]. Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Hypothekarzinse ergaben sich zahlreiche Kontroversen um die Mietzinsgestaltung [40]. Die Zahl der an die Schlichtungsstellen gelangenden Mieter nahm stark zu [41]. Weiterhin forderten zahlreiche Vorstösse eine Verbesserung der Stellung des Mieters [42]. Im Kanton Zürich nahmen die Stimmbürger eine Volksinitiative der PdA an, die eine Standesinitiative zur Wiedereinführung eines wirksameren Mieterschutzes verlangte. Der überraschende Entscheid, bei welchem eine grosse Mehrheit ihre parteipolitischen Präferenzen in den Hintergrund gestellt hatte, wurde als Alarmsignal und Ausdruck einer anhaltenden, schwerwiegenden Mietzinsnot gewertet [43]. Im Frühjahr konstituierte sich eine Schweizerische Mietervereinigung als Dachverband der bestehenden kantonalen Mieterverbände [44]. Der Bund legte die in Vorbereitung befindlichen Verbesserungen des Mietrechts (u.a. stand die Allgemeinverbindlichkeit von Rahmenmietverträgen zur Diskussion) noch nicht vor [45].
Während die Stadt Bern Nutzungsbestimmungen zum Schutze der Wohnquartiere erst vorbereitete [46], trat im Kanton Zürich ein Gesetz über die Erhaltung von Wohnungen für Familien in Kraft [47], das in der Volksabstimmung einer sozialdemokratischen Wohnschutz-Initiative vorgezogen worden war. Ausdruck der wohnpolitischen Spannungen in der grössten Schweizerstadt war eine elf Monate dauernde Besetzung ehemaliger Altersheime am Hegibachplatz, durch die der vom neuen Eigentümer vorgesehene Abbruch verhindert werden sollte ; sie wurde im Juli durch einen grossen Polizeieinsatz beendet [48].
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E.F.
 
[39] Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 771 ; Bund, 159, 11.7.74 (Seit 1966 waren die Mieten nominell um durchschnittlich 77 % gestiegen).
[40] Mieter-Zeitung, 46/1974, Mai ; NZZ, 250, 1.6.74 ; 252, 4.6.74 ; TA, 128, 6.6.74 ; Ldb, 150, 3.7.74 ; 152, 5.7.74 ; TLM, 192, 11.7.74; VO, 161, 16.7.74 ; TG, 245, 21.10.74 ; 247, 23.10.74. Vgl. auch die Interpellation Nauer (sp, ZH) in Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1260 ff.
[41] Ldb, 233, 9.10.74 ; NBZ, 330, 23.10.74.
[42] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1974, S. 1109 u. 1556 f. ; Mieter-Zeitung, 46/1974, Sept. Genf : VO, 72, 27.3.74 ; 94, 25.4.74. Basel : TA, 206, 6.9.74 ; NZZ (sda), 215, 10.5.74. St. Gallen : TA, 247, 24.10.74.
[43] Presse vom 18.3.74 ; BN, 66, 19.3.74 ; TA, 61, 14.3.74 ; 67, 21.3.74 ; NZZ, 125, 15.3.74.
[44] Vgl. unten, Teil IIIb ; LNN, 70, 25.3.74 ; NZZ, 140, 25.3.74 ; Tw, 70, 25.3.74.
[45] Vgl. SPJ, 1973, S. 104 ; Mieter-Zeitung, 46/1974, April ; LNN, 99, 30.4.74 ; NZ, 341, 1.11.74.
[46] Bund, 50, 1.3.74 ; 60, 13.3.74 ; Tw, 50/51, 1.2.3.74 ; NZ, 348, 7.11.74.
[47] Vgl. SPJ, 1973, S. 151 und unten, Teil II, 4 e ; TA, 139, 19.6.74 ; 161, 15.7.74 ; 255, 2.11.74 ; Ldb, 139, 20.6.74 ; NZZ, 291, 26.6.74 ; 473, 24.10.74 ; 478, 30.10.74 ; 510, 6.12.74.
[48] TA, 4, 7.1.74 ; NZ, 56, 19.2.74 ; 235, 30.7.74 ; Presse vom 25.26.7.74.