Année politique Suisse 1974 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Natur- und Heimatsschutz
Auch im Bereiche des
Natur- und Landschaftsschutzes fand die Sorge um gefährdete Werte weiterhin Ausdruck in politischen Aktionen. Im nahezu dreijährigen Ringen um die Erhaltung der Rebberglandschaft des Lavaux erreichte das vom kämpferischen Heimatschützer Franz Weber präsidierte Komitee « Sauver Lavaux », dass eine mit der Angelegenheit betraute Kommission der waadtländischen Regierung beantragte, das umstrittene Gebiet in die Schutzzone aufzunehmen
[21]. Eine
Volksinitiative zur Förderung der schweizerischen Fuss- und Wanderwege wurde mit der ungewöhnlich hohen Zahl von 123 749 gültigen Unterschriften eingereicht
[22]. Die Stimmbürger des Kantons Zürich nahmen eine Vorlage über Erholungsgebiete an. Widerstand machte sich lediglich in ländlichen Regionen bemerkbar ; die Bauern befürchteten, vermehrt unter der Rücksichtslosigkeit von Ausflüglern leiden zu müssen
[23]. Um dem Nationalpark eine neue finanzielle und rechtliche Grundlage, zu verschaffen, liess der Bundesrat einen Vorentwurf für ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten
[24].
Ein Bericht der Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswesen zog die Aufmerksamkeit auf das Problem der
Vergandung, vor allem im Berggebiet. In immer grösserem Umfang liegt landwirtschaftlich nutzbarer Boden aus mannigfaltigen Gründen brach. In den Zentralalpen und in der Südschweiz sind es 80 000 ha ; für das Jahr 2000 rechnet man mit 260 000 ha. Von vergandetem Land gehen nicht nur Erosions- und Brandgefahren aus ; es beeinträchtigt auch die Erholungsfunktion weiterer Gebiete. Die Autoren der Studie kritisierten die bestehende, vorwiegend nach Produktionskriterien ausgerichtete Subventionspraxis des Bundes, welche die Zunahme des Brachlandes nicht verhindere
[25]. Auch die « Arbeitsgemeinschaft Alpenländer », der acht Gliedstaaten oder Regionen der Bundesrepublik, Österreichs, Italiens und der Schweiz angehören, befasste sich mit der drohenden Verödung und Versteppung der Alpentäler
[26]. Eingehendes Interesse fanden ferner die Probleme des Schutzes von gefährdeten Tieren und Pflanzen
[27].
Unter dem Motto « Eine Zukunft für unsere Vergangenheit » wurde bereits im September das auf 1975 angesetzte « Europäische Jahr für
Denkmalpflege und Heimatschutz » eröffnet. Im Sinne der vom Europarat geförderten neuen Konzeption des Denkmalschutzes, die nicht das Einzelobjekt in den Vordergrund stellt, sondern sich für die Erhaltung ganzer Siedlungskomplexe mit Denkmalcharakter einsetzt, bezeichnete der Bundesrat auf Vorschlag eines vorbereitenden Komitees aus jedem Sprachgebiet ein Musterbeispiel für die Durchführung von vorbildlichen Erhaltungsarbeiten : In Martigny (VS) und Murten (FR), zwei sich stark entwickelnden Gemeinwesen, will man Reste aus der Römerzeit bzw. eine mittelalterliche Stadtanlage bewahren, in Ardez (Engadin) ein noch lebensfähiges Bergbauerndorf wirtschaftlich und baulich sanieren und zugleich vom Durchgangsverkehr entlasten und in Corippo (TI) eine sterbende Bergsiedlung neu beleben. Zahlreiche Kantone und Gemeinden bereiteten ihrerseits umfangreiche Programme vor
[28]. Für die Erhaltung wertvoller Baudenkmäler setzten sich auch heimatschutzorientierte Gruppen und Persönlichkeiten ein. So erwuchs dem Projekt einer unterirdischen Zivilschutzstelle mit Autoeinstellraum im Schloss Regensberg (ZH) Opposition unter Führung von Franz Weber. Eine Volksinitiative « Rettet Regensberg » kam in der Rekordzeit von fünf Stunden zustande. Der Zürcher Kantonsrat erklärte sie jedoch wegen verschiedener Mängel für ungültig, was zur Lancierung eines zweiten Volksbegehrens führte
[29]. Das Schicksal des « schweizerischen Pompeji », der Römerstadt Augusta Raurica (bei Kaiseraugst/ BL), die durch Überbauungspläne bedroht ist, war Gegenstand einer Interpellation im Nationalrat
[30].
[21] Bund, 126, 2.6.74 ; GdL, 232, 4.10.74 ; 234, 8.10.74 ; TG, 231, 4.10.74.
[22] Davon stammte fast ein Viertel aus dem Kanton ZH. Vgl. BBl, 1974, I, S. 817 ff., u. TA, 21, 26.1.74 ; ferner SPJ, 1973, S. 107.
[23] Vgl. unten, Teil II, 4 f ; Ldb, 56, 9.3.74 ; TA, 60, 13.3.74 ; NZZ, 125, 15.3.74.
[24] Gesch.ber., 1974, S. 71 ; Schweizer Naturschutz, 40/1974, Nr. 5. S. 7 ff. ; 41/1975, Nr. 3, S. 10 ff. Vgl. SPJ, 1973, S. 107.
[25] Ldb, 18, 23.1.74 ; 56, 9.3.74 ; NZZ, 285, 23.6.74. Vgl. SPJ, 1972, S. 111.
[26] TA, 62, 15.3.74. Vgl. auch NZZ (sda), 452, 30.9.74.
[27] Ldb, 84-86, 11.-16.4.74.
[28] Vgl. SPJ, 1973, S. 107 ; Gesch.ber., 1974, S. 53 ; BN, 150, 1.7.74 ; NZZ, 299, 1.7.74 ; 433, 18.9.74 ; TA, 191, 20.8.74 ; 235, 10.10.74 ; 264, 13.11.74 ; NBZ, 267, 31.8.74 ; JdG, 217, 18.9.74 ; Ldb, 224, 28.9.74 ; 302, 31.12.74 ; Ostschw., 243, 17.10.74 ; NZ, 364, 21.11.74.
[29] TA, 31, 7.2.74; 221, 24.9.74; 225, 28.9.74; 283, 5.12.74; NZZ, 455, 3.10.74; 457, 5./6.10.74 ; 495, 19.11.74.
[30] Interpellation Alder (Idu, BL) (Amtl. Bull. NR, 1974, S. 491 f.).
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