Année politique Suisse 1974 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Ausländerpolitik
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Mitenand-Initiative
Anderseits lief im Sommer für ein weiteres Volksbegehren, die im Vorjahr von der Katholischen Arbeiter- und Angestelltenbewegung angeregte « KAB-Initiative » zugunsten einer menschlichen Ausländerpolitik, die Unterschriftensammlung an. Zahlreiche Parteien und Organisationen, darunter die CVP, der Landesring (Landesvorstand), die Liberalsozialisten und die christlichen Gewerkschaften hatten der Anregung ihre Unterstützung geliehen und sich an der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für eine neue Ausländerpolitik beteiligt, die dann den endgültigen Initiativtext ausarbeitete. Dabei sah man von der ursprünglichen Idee einer besonderen Besteuerung der Arbeitgeber ab und verzichtete auch auf die Erwähnung des Stabilisierungszieles. Ferner wurde das Begehren, dem erweiterten Initiantenkreis entsprechend, in « Mitenand-Initiative » umbenannt [23]. In sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Kreisen legte man dagegen entscheidendes Gewicht auf die Stabilisierung und den nachfolgenden Abbau der ausländischen Wohnbevölkerung mit Hilfe einer strengeren Handhabung der Zuzugssperre. Einen entsprechenden Vorschlag legte die « Tagwacht » ihren Lesern vor. Trotz positivem Leser-Echo versagten die Sozialdemokraten diesem Vorstoss aber die offizielle Unterstützung [24]. Noch weitere Organisationen arbeiteten auf eine humane Lösung der Ausländerfrage hin. So präsentierten die Eidgenössische Konsultativkommission für Ausländerfragen (EKA) und das « Komitee Schweiz 80 » — dieses in einem Handbuch zur Ausländerpolitik — Konzepte, welche neben der Stabilisierung auch die Integration befürworteten. Die Europa-Union Schweiz formulierte als Manifest von Locarno einen Forderungskatalog für die Ausrichtung der schweizerischen Ausländerpolitik an den Menschenrechten. Schliesslich steuerten die beiden grossen Landeskirchen als gemeinsame Anregung zum Mitdenken « 7 Thesen zur Ausländerpolitik » bei [25].
 
[23] KAB : SPJ, 1973, S. 112. Unterstützung und Lancierung : NZ, 183, 15.6.74 ; Vat., 152, 4.7.74. Arbeitsgemeinschaft : NZZ (sda), 56, 4.2.74. Text : Vat., 78, 3.4.74 ; 119, 24.5.74. Umbenennung : NZZ (sda), 332, 20.7.74. Vgl. ferner hierzu : A. Heil, « Für eine tragfähige Ausländerpolitik », in Civitas, 30/1974-75, S. 11 ff.; M. Zweifel, « Mit den Ausländern leben», in Civitas, 30/1974-75, S. 251 ff.
[24] Frage : Tw, 146, 27.6.74. Echo : Tw, 159/160, 12./13.7.74. SPS : Tw, 231/232, 4./5.10.74 ; Profil, 1974, S. 295 ff. ; vgl. auch unten, Teil IIIa.
[25] EKA : NZZ, 160, 5.4.74 (Zwischenbilanz) ; Ldb, 128, 7.6.74 (Konzept) ; ferner : EKA, « Entwicklung der Bevölkerung und des Arbeitspotentials in der Schweiz bis 1990 », in Die Volkswirtschaft, 47/1974, S. 341 ff. Komitee : Komitee Schweiz 80, Handbuch zur Ausländerpolitik. Tatsachen und Fakten, Zürich 1973. Europa-Union : Europa, 41/1974, Heft 11, S. 4 ff.; Heft 12, S. 4 ff. Kirchen : Bund, 199, 27.8.74 ; TG, 199, 27.8.74. Vgl. ferner : V.J. Willi (Hrsg.), Denkanstösse zur Ausländerfrage, Zürich 1974 ; D. Zeller (Hrsg.), Ausländische Arbeitnehmer, Basel 1974 ; H. J. Hoffmann-Novotny, « Die Zukunft des Fremdarbeiterproblems », in NZZ, 239, 26.5.74.