Année politique Suisse 1974 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
Kirchen
Das Leben der Kirchen war wie in den Vorjahren durch
politische Stellungnahmen und innerkirchliche Auseinandersetzungen geprägt. Im Vorfeld der Volksabstimmung über die Überfremdungsinitiative veröffentlichten die Römisch-katholische Kirche und der Evangelische Kirchenbund der Schweiz sieben gemeinsam erarbeitete Thesen zum Ausländerproblem
[11]. Die Synode 72 setzte ihre Arbeiten fort. Erregter und durch Missverständnisse noch verschärfter Widerhall ergab sich, als die dritte gesamtschweizerische Synodensitzung einen Text nur knapp ablehnte, der auf weitere Sicht einen Verzicht auf eine bewaffnete Landesverteidigung empfahl
[12]. Eine Eingabe nach Rom, die Appelle und Empfehlungen für ein gerechteres Verfahren in Konfliktfällen zwischen Lehramt und Theologen enthielt, konnte die Demission des Moraltheologen Prof. Stephan Pfürtner nicht mehr verhindern. Damit fand der Handel um die Lehrtätigkeit des Dominikaners an der Universität Freiburg ein weithin als unbefriedigend erachtetes Ende
[13]. Die innerkirchliche Aufsicht über die Lehrtätigkeit fand im Sommer erneut die Aufmerksamkeit breiter Kreise, als ein Verfahren der Glaubenskongregation, das seit drei Jahren gegen den in Tübingen lehrenden Luzerner Theologen Hans Küng lief, in eine neue Phase trat. Verschiedene Stellungnahmen kirchlicher Kreise, darunter auch ein mit 20 000 Unterschriften versehener Brief der Luzerner « Aktion für Menschenrechte in der Kirche », drängten darauf die Schweizer Bischöfe, in Rom vorstellig zu werden
[14]. Die Romreise der Bischöfe Nestor Adam und Anton Hänggi brachte jedoch keine Klärung der Situation, die nicht nur das innerkatholische, sondern auch das interkonfessionelle Klima erheblich belastete
[15]. Im November beantragte zudem eine zürcherische Vereinigung katholischer Laien beim bischöflichen Ordinariat in Freiburg ein weiteres Lehrverfahren. Der Dominikaner Heinrich Stirnimann, Professor an der Universität Freiburg, wurde beschuldigt, öffentlich die Abschaffung des Papsttums gefordert zu haben. Die Angriffe wurden als « haltlos und verleumderisch » zurückgewiesen
[16].
Der Ökumenische Rat (Weltkirchenrat) erneuerte im August das Mandat des 1969 angenommenen und seither umstrittenen Antirassismusprogramms
[17]. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund beschloss kurz darauf, ein eigenes Programm zu entwickeln, welches das Rassismusproblem in den grösseren Zusammenhang der Menschenrechte einordnen soll
[18]. Die 1973 lancierte Initiative zur Trennung von Kirche und Staat begegnete Schwierigkeiten. Die Unterschriftensammlung kam nur mühsam voran, und der Präsident des Komitees, Nationalrat Fritz Tanner (Idu, ZH), trat zurück
[19].
[11] Bund, 199, 27.8.74 ; NZ, 267, 27.8.74. Vgl. auch oben, Teil I, 7d.
[12] Vgl. oben, Teil I, 3 ; Presse vom 18.2.74 ; NZZ, 99, 28.2.74 ; 111, 7.3.74 ; Civitas, 29/1973-74, S. 827 ff.
[13] Bund, 78, 3.4.74 ; 79, 4.4.74. Vgl. SPJ, 1972, S. 135 ; 1973, S. 134.
[14] TA, 136, 15.6.74 ; 137, 17.6.74 ; Vat., 140, 20.6.74.
[15] Lib., 228, 5.7.74 ; Vat., 156, 9.7.74 ; NZZ, 325, 16.7.74 ; BN, 179, 3.8.74.
[16] Vat., 269, 20.11.74 ; 270, 21.11.74 ; Bund, 275, 24.11.74 ; TLM, 361, 28.12.74.
[17] Vgl. SPJ, 1970, S. 162 ; 1973, S. 137 ; TA, 234, 9.10.74 ; Vat., 248, 25.10.74.
[18] NZ, 308, 3.10.74 ; NZZ, 523, 21./22.12.74 ; Bund, 7, 10.1.75.
[19] Vgl. SPJ, 1973, S. 137 ; Ldb, 151, 4.7.74 ; NZZ (sda), 304, 4.7.74.
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