Année politique Suisse 1975 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik
 
Aussenhandel
Der Umbruch in der Weltwirtschaft bewirkte eine Schrumpfung des Welthandelsvolumens aufgrund des internationalen Nachfragerückgangs und schlug — bei gleichzeitig markanter Höherbewertung des Schweizer Frankens — in unserer Ertragsbilanz für 1975 augenfällig zu Buche. Der Rekordüberschuss von 8000 Mio Fr. (1974: 510 Mio Fr.), den die Schweiz in ihren Aussenwirtschaftsbeziehungen erzielte, ist in erster Linie auf die schlagartige Verminderung des Handelsbilanzdefizits auf 840 Mio Fr. (1974: 7480 Mio Fr.) zurückzuführen, da vorerst — wie noch zu zeigen sein wird — die Importe erheblich stärker schrumpften als die Exporte. Die Ausgabenseite der Ertragsbilanz erfuhr eine weitere Entlastung, indem durch den Abbau des Fremdarbeiterbestandes der Einkommenstransfer ins Ausland und damit das Bilanzdefizit der einseitigen Übertragungen zurückging. Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz dürfte wie 1974 wieder ungefähr 10 000 Mio Fr. betragen, was angesichts rückläufiger Einnahmen aus dem Fremdenverkehr vor allem der erfolgreichen Aktivität des Finanzplatzes Schweiz zuzuschreiben ist ; die Grossbanken erfreuen sich jedenfalls gerade auch aufgrund ihrer florierenden Auslandgeschäfte einer gedeihlichen Entwicklung. Der Exportindustrie indes erwächst aus dieser Situation die Gefahr verminderter Absatzchancen, da der enorme Ertragsbilanzüberschuss den Kurs des Schweizer Frankens weiter in die Höhe treiben könnte, sofern Kapitalexport und währungspolitische Stabilisierungsmassnahmen den Aufwertungsdruck nicht zu lindern vermögen [84].
In der Entwicklung des schweizerischen Aussenhandels hatte sich bereits im Herbst 1974 ein deutlicher Umschwung abgezeichnet [85]. Die Trendwende wurde 1975 bestätigt und liess — nach Jahren ständigen Wachstums — sowohl die Wareneinfuhr als auch den Warenexport wert- und volumenmässig unter den Vorjahresstand absinken. Einen offensichtlichen Einbruch verzeichnete die Importseite mit einem Rückgang von nominal 20 % auf 34 270 Mio Fr., während der Wert auf der Ausfuhrseite sich nur um 5 % auf 33 430 Mio Fr. verminderte. Berücksichtigt man allerdings die Preisverhältnisse zwischen Import- und Exportgütern (terms of trade), die sich nicht zuletzt infolge fallender Preise für Rohstoffe und Energieträger zugunsten der Schweiz entwickelten, so betrug der reale Rückgang auf der Einfuhrseite 17 %, während der Warenexport eine Verminderung von real 8 % erfuhr. Dennoch weist der Unterschied der beiden Posten darauf hin, dass unsere Exportindustrie dank dicker Auftragspolster bzw. langer Lieferfristen vorerst relativ geringe Einbussen hinnehmen musste. Angesichts rückläufiger Bestellungseingänge zeigten jedoch viele Unternehmen verständlicherweise nur eine geringe Investitionsneigung und suchten durch Drosselung der Produktion ihre Lagerbestände rechtzeitig abzubauen, was in der überdurchschnittlichen Abnahme der Importe von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Ausrüstungsgütern deutlich zum Ausdruck kommt.
Die Entwicklung der Exportindustrie nahm indessen nach Produktengruppen, Branchen und Absatzländern einen recht unterschiedlichen Verlauf. So sank z.B. der Versand von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Konsumgütern deutlich unter das im Vorjahr erzielte Ergebnis ab ; die Investitionsgüterexporte haben sich dagegen wertmässig ausgeweitet. Mit Ausnahme der Schuhbranche mussten die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die chemische Industrie Ausfuhrminderungen von mehr als 10 % hinnehmen, letztere allerdings nach zwei Jahren ausgesprochen starker Exporterweiterung. Während die Uhrenindustrie die stärksten Einbussen erlitt (- 15 %), konnte die Maschinen- und Apparateindustrie als einzige der grösseren Exportbranchen ihre Ausfuhren sogar noch steigern (+ 5 %). Neben diesen Veränderungen der Exportstruktur ergaben sich aber auch Verschiebungen der regionalen Exportströme. Dem Absatzrückgang in den meisten westlichen Industrieländern standen zunehmende Ausfuhren in die osteuropäischen Staatshandelsländer und in die Entwicklungsländer gegenüber ; namentlich in den OPEC-Staaten liessen sich neue Absatzmärkte erschliessen (+ 38 %) [86].
 
[84] Ertragsbilanz : Mitteilung Nr. 234 und 237 der Kommission für Konjunkturfragen, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 48/1975, Heft 7 bzw. 49/1976, Heft 2 ; SNB (= Schweiz. Nationalbank), Geschäftsbericht 68/1975, S. 6 ; SBG, Wirtschafts-Notizen, Oktober 1975, S. 6 ff. ; wf, Dok., 39, 29.9.75 ; 51-52, 22.12.75 ; Bund, 89, 15.4.76. Banken und Exportindustrie : SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1975, Zürich 1975, S. 30 ff. ; SBG, Wirtschafts-Notizen, April 1976, S. 10 f. ; SNB, Geschäftsbericht 68/1975, S. 57 ff. ; C. Lutz, « Starker Franken — schwache Wirtschaft ? », in SBV, Der Monat, 1975, Nr. 3, S. 1 ff. ; Ldb, 42, 21.1.75 ; TA, 48, 27.2.75 ; NZ, 220, 17.7.75 ; LNN, 165, 19.7.75 ; 44, 23.2.76 ; BüZ, 196, 23.7.75 ; Tat, 11, 14.1.76 ; Tw, 13, 17.1.76 ; Vorwärts, 12, 25.3.76 ; vgl. auch unten, Teil I, 4b (Banken).
[85] Vgl. NZZ, 37, 14.2.75 ; vgl. auch SPJ, 1975, S. 67.
[86] Vgl. Mitteilung Nr. 237 der Kommission für Konjunkturfragen, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 49/1976, Heft 2 ; NZZ, 28, 4.2.76 ; wf, Dok., 8, 23.2.76 ; SBG, Wirtschafts-Notizen, März 1976, S. 10 ff. Zu den Folgen auf dem Arbeitsmarkt vgl. unten, Teil I, 7a und d (Politique à l'égard des étrangers und Marché du travail).