Année politique Suisse 1975 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld- und Währungspolitik
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Geld- und Kapitalmarkt
Im Gegensatz zum Vorjahr erwies sich der Geld- und Kapitalmarkt 1975 als sehr flüssig und leistungsfähig sowie durch sinkende Zinssätze charakterisiert [18]. Zu dieser Entwicklung trug einerseits eine gesteigerte Spartätigkeit in Form eines ausserordentlich starken Zuflusses von Publikumsgeldern bei den Banken bei, anderseits die geringe Kreditbeanspruchung sowie die mangels attraktiver Immobilien- und Hypothekaranlagen gestiegene Nachfrage nach Wertschriften seitens der Banken und institutioneller Investoren. Eine zusätzliche Stütze dürfte dem Markt der Zufluss ausländischer Gelder gegeben haben, war es doch möglich, dem für entsprechende Bankanlagen geltenden Verzinsungsverbot und dem Negativzins durch den Erwerb von Wertpapieren legal auszuweichen. Dass diese Art « wirtschaftlicher Überfremdung » zusehends als bedrohlicher empfunden wurde, äusserte sich in mehreren parlamentarischen Vorstössen. Diese forderten vor allem die Verpflichtung zur Einführung von Namenaktien, die ausschliesslich Schweizern vorzubehalten wären, sowie ein Verbot der Anlage ausländischer Kapitalien in schweizerischen Wertschriften ; Massnahmen gegen den « Ausverkauf der Wirtschaft » seien ebenso dringlich wie jene gegen den « Ausverkauf der Heimat » [19].
Zur Entspannung auf dem Markt trug ebenfalls die Geld- und Kreditpolitik der Nationalbank bei, die neben der gesamtwirtschaftlich nach wie vor besonders wichtigen Teuerungsbekämpfung das Ziel verfolgte, die monetären Voraussetzungen für einen konjunkturellen Aufschwung zu schaffen. Mittel dazu war eine « angemessen expansive » Geldpolitik, die nicht zuletzt auch der Zins- und Wechselkursentwicklung Rechnung zu tragen hatte. Erstmals in ihrer Geschichte fasste die Notenbank für 1975 eine gezielte Erhöhung der Geldmenge ins Auge. In Aussicht genommen wurde eine Ausweitung des Notenbankgeldes (monetäre Basis) um 6 %, die man vor allem über den Ankauf von Devisen (fremdländische Zahlungsmittel) im Rahmen der Wechselkurspflege anstrebte. Die Interventionspolitik am Devisenmarkt wurde so zugleich in den Dienst der Geldmengenpolitik gestellt, während das Richtmass für die Ausweitung der Geldmenge wiederum dem Umfang der Devisenkäufe eine Grenze setzte. Die Devisenübernahmen erreichten in der Folge den Betrag von 11,2 Mia Fr. Den grössten Teil dieser Devisen gab die Nationalbank im Rahmen der konversionspflichtigen Kapitalexportgeschäfte wieder ab. Die Konversionsbeträge beliefen sich auf insgesamt 9,1 Mia Fr., so dass schliesslich dem Markt per Saldo zusätzliche Mittel von 2,1 Mia Fr. verblieben. Die dadurch bewirkte Erhöhung der Notenbankgeldmenge über die vorgesehenen 6 % hinaus auf 10 % wurde im nachhinein mit der geringen Expansion der Geldmenge im Publikum von durchschnittlich nur 4,4 % gerechtfertigt [20]. Die stark überschüssige Ertragsbilanz liess eine liberale Kapitalexportpolitik als angezeigt erscheinen ; diese versuchte man zudem aus konjunkturpolitischen Überlegungen in den Dienst der Exportfinanzierung zu stellen. Das Noteninstitut legte überdies den Banken die Bevorzugung von Exportkrediten sowie von Investitionen zur Förderung der Arbeitsbeschaffung nahe [21].
Als konjunktur- und wechselkurspolitisch wünschbar erachtete man die Aufrechterhaltung eines Zinsgefälles gegenüber dem Ausland, wo sich die Zinssätze laufend zurückbildeten. Die Nationalbank senkte im Verlauf des Jahres fünfmal den Diskontsatz (insgesamt von 5 ½ auf 3 %) und viermal den Lombardsatz (von 6 auf 4 %), häufiger als dies je in einem anderen Jahr der Nachkriegszeit der Fall gewesen war. Eine Anpassung der Sätze nach unten erfolgte auch bei den Bankzinsen, was zur Verminderung von Verzerrungen in der Zinsstruktur der Hypothekarsätze beitrug. Eine Erhöhung der Hypothekarsätze war von den Bankenvertretem wohl noch gefordert, aber bereits im Februar von Preisüberwacher L. Schlumpf im Einvernehmen mit dem Bundesrat abgelehnt worden [22].
Den Rückgang der Zinssätze vermochte auch eine gesteigerte Mittelaufnahme des Bundes zur Deckung des stark gestiegenen Defizits des öffentlichen Haushalts nicht aufzuhalten. Das gute Marktklima kam dein Bund — und in geringerem Mass den Kantonen — auch insofern zugut, als dadurch die Finanzierung zusätzlicher Ausgaben zur Konjunkturbelebung und Arbeitsbeschaffung erleichtert wurde [23]. Angesichts der veränderten wirtschaftlichen Lage und der rückläufigen Kreditnachfrage sah sich der Bundesrat zu Beginn des Jahres veranlasst, die auf dem Kreditbeschluss basierenden Verordnungen zu lockern und die Kreditzuwachsbegrenzung auf Anfang Mai überhaupt aufzuheben. Obschon dies nicht zu einer sichtbaren Belebung der Kredittätigkeit der Banken führte, erachtete es der Bundesrat trotz Widerständen vorab aus Bankkreisen als unerlässlich, sich seine dringlichkeitsrechtlichen Befugnisse auf dem Gebiet des Kreditwesens zur Gewährleistung einer ausgeglichenen konjunkturellen Entwicklung verlängern zu lassen. Umstritten war bei der parlamentarischen Beratung die Weiterführung der Kreditbegrenzung, und zwar mit den Argumenten, hier werde Notrecht auf Vorrat geschaffen und der Wettbewerbsverzerrung Vorschub geleistet. Die Räte ergänzten deshalb den Entwurf des Bundesrates dahin, dass das Instrument der Kreditbegrenzung nur noch eingesetzt werden darf, wenn die übrigen Massnahmen (Einforderung von Mindestguthaben, Beschränkung der Kleinkredit- und Abzahlungsgeschäfte, Emissionskontrolle) nicht ausreichen und eine Vereinbarung mit den Banken nicht zustande kommt. Damit konnte der abgeänderte Beschluss, der bis Ende 1978 befristet ist, unter dem Vorbehalt des obligatorischen Referendums in Kraft gesetzt werden [24].
 
[18] Für Überblicke vgl. oben, Anm. 4.
[19] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 355 ff., 955 ff., 1050 und 1495, sowie ferner S. 1547 f. ; Verhandl. B.vers., 1975, V, S. 26. Zum Verzinsungsverbot und zum Negativzins vgl. oben, Währungspolitik, über Massnahmen zum « Ausverkauf der Heimat » vgl. unten, Teil I, 6c (Bodenrecht) sowie SPJ, 1973, S. 101 f.
[20] SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 8 ff. (Geldmenge im Publikum = Geldmenge M,). Vgl. dazu BN, 7, 9.1.75 ; TA, 34, 11.2.75 ; 44, 22.2.75 ; SZ, 147, 28.6.75. Zur Wechselkurspflege vgl. oben, Währungspolitik.
[21] SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 58 f. und 63 f. Zur Ertragsbilanz und zur Exportförderung vgl. oben, Teil I, 2 (Ertragsbilanz, Staatliche Unterstützung der Exportindustrie).
[22] Zinsentwicklung : SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 51 ; TA, 38, 15.2.75 ; Ww, 7, 19.2.75 ; 25, 25.6.75. Diskontpolitik : SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 13 ff.; vgl. dazu eine Motion von NR Baumann (svp, AG) in Amtl. Bull. StR, 1975, S. 227 f. (vgl. auch SPJ, 1974, S. 65). Hypothekarzins : JdG, 12, 16.1.75 ; Vat., 25, 31.1.75 ; 45, 24.2.75 ; Presse vom 22.2.75 ; Tw, 156, 8.7.75 ; vgl. auch eine Interpellation Cantieni (cvp, GR) in Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1606 f. sowie unten, Teil 1, 6c (Mietwesen).
[23] SNB, Geschäftsbericht, 68/1975, S. 13 ff. und 47 ff. ; Gesch.ber., 1975, S. 202 ; NZZ, 38, 15.2.75. Zum öffentlichen Haushalt vgl. unten, Teil I, 5 (Situation der öffentlichen Finanzen), zur Konjunkturbelebung oben, 4a (Konjunkturpolitik).
[24] Lockerung des Kreditbeschlusses : Presse vom 9.1.75 ; NZZ, 18, 23.1.75 ; 95, 25.4.75 ; Presse vom 24.4.75 ; vgl. auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik). Widerstände : NZZ, 62, 15.3.75 ; 191, 20.8.75 ; Vat., 183, 9.8.75 ; Schweizerische Kreditanstalt, Bulletin, 81/1975, S. 17. Verlängerung des Kreditbeschlusses : BBl, 1975, II, Nr. 30, S. 421 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1591 ff. ; 1871 und 1898 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 562 ff., 739 f., 790 und 796 f. Über weitere notrechtliche Massnahmen konjunkturpolitischer Art vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik). Vgl. ferner SPJ, 1972, S. 69 sowie M. Oetterli, « Kreditplafonierung — ein wesentliches Instrument der schweizerischen Konjunkturpolitik », in Tuchtfeldt, Wirtschaftspolitik, S. 239 ff.