Année politique Suisse 1975 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Bodenrecht
In der Frage eines neuen Bodenrechts konnten sich die Sozialdemokraten nach mehrjährigen, zähen Auseinandersetzungen auf einen Initiativtext einigen. Am Parteitag der SPS siegte ein als gemässigt geltender, von der Parteileitung unterstützter Vorschlag über einen radikaleren Antrag aus den Reihen der Zürcher SP. Während dieser an der Trennung von Verfügungs- und Nutzungseigentum festhielt, nimmt die neue Initiative von einer Verstaatlichung des Grundeigentums Abstand. Sie statuiert die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, will eine möglichst breite Streuung des Bodenbesitzes ermöglichen und insbesondere das Grundeigentum juristischer Personen einschränken, und zwar auf jene Fälle, in denen diese den Boden zur Wahrung öffentlicher Interessen, gemeinnütziger Zwecke oder als Grundlage für ihre Produktions- oder Dienstleistungsbetriebe benötigen. Für Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, ist nur eine « angemessene » Entschädigung vorgesehen
[16].
Der 1973 erlassene Bundesratsbeschluss über den
Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland wurde im Februar vom Bundesrat verlängert, dann aber auf den 1. August im Sinne einer Lockerung revidiert. Die Landesregierung entsprach damit dem Drängen einzelner auf den Tourismus angewiesener Kantone, die Hilfe für die bedrängte Bauwirtschaft erwarteten. Während der Schweizerische Baumeisterverband die Massnahme als « sinnvolle und überfällige Lockerung einer zu stark angezogenen Bremse » begrüsste, fand der Beschluss vielerorts ein negatives Echo. Einzelne Stimmen wiesen darauf hin, dass es durchaus fraglich sei, ob der Bau von Eigentums- und Zweitwohnungen durch « lokale Bauspekulanten » die Existenzbedingungen der Bevölkerung in wirtschaftlich benachteiligten Regionen längerfristig verbessere
[17]. Der Walliser Grosse Rat hingegen nahm im November einstimmig eine Resolution an, die unverzüglich eine weitere Lockerung der « Lex Furgler » verlangte
[18]. Im Herbst publizierte Zahlen erlauben noch keine abschliessenden Urteile über deren Anwendung. 1974 wurden bei einer Preissumme von 759 Mio Fr. 212 ha Schweizer Boden an Ausländer verkauft. Gegenüber 1971 (mit einer Preissumme von 755 Mio Fr. und einer Fläche von 331 ha) ergab sich flächenmässig ein deutlicher Rückgang
[19].
Mit der offensichtlich unzulänglichen und in der Folge neu konzipierten Grundstückserwerbspraxis des Bundes gingen Presse und Nationalrat scharf ins Gericht
[20].
[16] Vgl. SPJ, 1974, S. 105: 1973, S. 101 ; 1972, S. 103 Presse vom 24.3.75 ; NZZ, 72, 27.3.75 ; 73, 29.3.75 ; AZ, 73, 29.3.75 ; BN, 74, 29.3.75.
[17] Vgl. SPJ, 1974, S. 106 ; 1973, S. 101 f. ; 1972, S. 103 ; AS, 1975, S. 1303 ff. ; Presse vom 16.7.75 ; NZZ, 163, 17.7.75 ; 169, 24.7.75 ; 178, 5.8.75 ; TA, 173, 29.7.75. Der erwähnte Bundesratsbeschluss stützt sich auf den 1973 revidierten Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Vgl. auch J. Krippendorf, Die Landschaftsfresser, Tourismus und Erholungslandschaft — Verderben oder Segen, Bern 1975, und E. Schwabe, Verwandelte Schweiz — verschandelte Schweiz, Zürich 1975.
[18] TLM, 316, 12.11.75 ; 319, 15.11.75.
[19] NZZ, 241, 17.10.75 ; TA, 241, 17.10.75. Um die Wirksamkeit der am 1. Februar 1974 in Kraft getretenen « Lex Furgler » beurteilen zu können, zieht man zum Vergleich am besten die Ergebnisse der Grundstückstatistik von 1971 heran (vgl. SPJ, 1972, S. 103).
[20] Bund, 17, 22.1.75 ; 25, 31.1.75 ; 55, 7.3.75 ; Amt!. Bull. NR, 1975, S. 368 ff., S. 592 f. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 190 ; vgl. auch SPJ, 1972, S. 104 sowie oben, Teil I, 1c (Parlement).
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