Année politique Suisse 1975 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Hochschulen
Im Zentrum der Debatten um die Zulassungsbeschränkungen
[40] standen wie in den Vorjahren die Engpässe in der
Medizinerausbildung, die zu einem Testfall für das gesamte höhere Bildungswesen geworden sind. Internationale Erfahrungen hatten gezeigt, dass eine Begrenzung der Zahl der Medizinstudenten unmittelbar auch weitere Fachbereiche berührt. Im Gegensatz zu früheren Jahren gelang es der Schweizerischen Hochschulkonferenz (SHK) nicht mehr, im Rahmen ihrer Voranmeldeaktion einen Teil der deutschschweizerischen Studienanfänger in der Medizin auf freiwilliger Basis für einen Studienbeginn an einer Universität der Westschweiz zu gewinnen. Da die Zahl der Studienanwärter wieder zunahm (von 1550 auf 1700) und gleichzeitig die Kapazitäten der medizinischen Fakultäten nicht erhöht, sondern im Falle von Basel sogar gesenkt worden waren, mussten rund 105 Studierende zwangsweise in die welsche Schweiz umgeleitet werden. Diese kamen aus dem Kreis der Bewerber aus Kantonen ohne medizinische Fakultäten und wurden in Ermangelung eindeutiger Selektionskriterien teilweise durch das Los bestimmt
[41]. Sowohl der Wissenschaftsrat wie die Schweizerische Hochschulkonferenz (SHK) warnten eindringlich vor der Einführung von Zulassungsbeschränkungen. Diese lösten die anstehenden Probleme nicht und hätten eine Reihe unerwünschter staats- und gesellschaftspolitischer Konsequenzen (Entwertung der Maturität, Schmälerung der Universitätsautonomie, Stärkung von zentralen, die Vergabe von Studienplätzen regelnden Instanzen)
[42].
Belastungsproben dürfte auch die
interkantonale Zusammenarbeit ausgesetzt werden, deren Probleme die SHK in einem auf einer Umfrage beruhenden Bericht untersuchte. Die Mehrheit der Kantone sprach sich im Grundsatz dafür aus, dass von den Nichthochschulkantonen ein « angemessener » Beitrag an das höhere Bildungswesen der Schweiz erwartet werden darf ; drei Erziehungsdepartemente lehnten jede Leistung ab
[43]. Das von der SHK 1974 ausgearbeitete Nicht-Diskriminationsabkommen hatten bis Ende 1975 die Stände Neuenburg, Freiburg und Zürich unterzeichnet
[44]. Der Kanton Basel-Stadt erklärte sich nicht in der Lage, ihm beizutreten. — Im Gegensatz zu diesen Entwicklungen stand ein Antrag des Rektorates der Universität Genf, der darauf abzielte, allgemein allen Bewerbern den Zugang zur Universität zu öffnen, sofern diese über 25 Jahre alt sind und eine Eintrittsprüfung bestehen. Einer weiteren Pionierleistung kam das gelungene Experiment einer « Université du troisième âge » gleich
[45].
[40] TA, 38, 15.2.75 ; BN, 57, 8.3.75 ; Zürcher Student, Nr. 3, Juni 1975 ; NZZ, 159, 12.7.75 ; 217, 19.9.75 ; 293, 17.12.75 ; Ww, 46, 19.11.75.
[41] Vgl. SPJ, 1974, S. 140 ; 1973, S. 133 ; Wissenschaftspolitik, 4/1975, S. 208, 391, 509 ; Ww, 32, 13.8.75 ; NZ, 253, 16.8.75 ; SHZ, 37, 11.9.75.
[42] Wissenschaftspolitik, 4/1975, S. 361 ff., 503 ff.
[43] Der Beitrag der Nichthochschulkantone an das höhere Bildungswesen der Schweiz, hrsg. von der Schweizerischen Hochschulkonferenz, Bern 1975.
[44] Vgl. SPJ, 1974, S. 140 ; Schweiz. Hochschulkonferenz, Jahresbericht 1975, S. 7 ff.
[45] TG, 66, 20.3.75 ; 67, 21.3.75 ; 296, 19.12.75 ; JdG, 247, 23.10.75.
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